In einem Bett des Schlafbors der Universität Regensburg fallen einer Patientin gerade die Augen zu. Hauchdünne Drähte verbinden ihren Körper mit mehreren Apparaten. Sie messen ihren Atem, ihren Sauerstoffverbrauch, ihre Augenbewegungen und die Signalwellen in ihrem Gehirn.
"Nach wenigen Minuten Schlafstadium eins sehe ich dann, dass das Schlafstadium zwei beginnt. Das kündigt sich an durch Schlafspindeln, die sind also sehr hochfrequent, kurz, ganz kurze, spindelige EEG-Wellen."
Im Nebenraum beobachtet eine Mitarbeiterin auf einem Monitor, wie das Gehirn der Patientin immer tiefer in den Schlaf sinkt.
"Und Schlafstadium zwei, da sieht man häufig noch sogenannte K-Komplexe, die sehen aus wie eben ein großgeschriebenes K. Das heißt beim K-Komplex sieht man also eine Welle, die einen großen Schwung nach oben und unten macht um dann wieder in ein normales EEG überzugehen. Und zwischendurch zeigen sich immer wieder sogenannte Spindeln."
Krank, dumm und dick
Weil das Bewusstsein bei ihm verloren geht, wurde der Schlaf früher auch "Bruder des Todes" genannt. Heute gilt er Biologen und Medizinern eher als ein Objekt exakter Forschung. Sie vermessen die Körper-und Hirnfunktionen des Schlafs und leiten daraus objektive Empfehlungen ab. Der Mensch, so heißt es, brauche ein Mindestmaß an Schlaf und müsse dieses möglichst durchgängig in der Nacht absolvieren. Sonst wären die Folgen fatal, meint Jürgen Zulley, der ehemalige Leiter des Regensburger Schlaflabors und einer der Pioniere der deutschen Schlafforschung:
"Zu wenig Schlaf macht krank, dumm und dick - bisher oft noch deutlich unterschätzt."
Schlafforscher wollen in ihren Laboren herausfinden, warum Schlafstörungen auftreten, um den Schlaf besser steuern und kontrollieren zu können. Für die Historikerin Hannah Ahlheim von der Universität Göttingen ist dieses Verlangen nach Kontrollgewinn ein Aspekt, der das Verhältnis des Menschen zu seinem Schlaf generell auszeichnet:
"Kontrollgewinn bezieht sich erst einmal ganz einfach auf die Idee zu sagen, man kann Schlaf erstens verstehen und zweitens möglicherweise auch kontrollieren in dem Sinne, dass man Regeln dafür findet, wie man besser schläft oder wie man gut und richtig schläft, vielleicht auch produktiver schläft, effizienter schläft. Ich bin mir noch nicht einmal sicher ob es immer ein realer Kontrollgewinn ist, aber zumindest ist es diese Fantasie von Kontrolle."
Kontrollgewinn und Kontrollverlust
Kontrolle über den Schlaf heißt auch: Die Angst vor der Bewusstlosigkeit oder vor schlechten Träumen überwinden. Aber es gibt auch das Gegenteil: die Faszination am Kontrollverlust.
"Das ist natürlich auch eine Befreiung, das heißt es ist eine Zeit, in der ich eben nicht kontrollieren muss und nicht planen muss und nicht funktionieren muss in dem Sinne, sondern das ist auch eine Zeit, in der man einfach "rübergleiten" kann, loslassen kann. Also insofern ist eben dieser Verlust in dem Sinne eben auch wieder ein Gewinn. Es ist ein Privatraum, man macht die Tür zu, man geht ins Bett - so, du Gesellschaft, du bleibst draußen, ich schlafe jetzt einfach, ich nehme mir diese Zeit für mich!"
Das Verlangen nach Kontrolle und die Sehnsucht nach Kontrollverlust kennzeichnen den Schlaf gleichermaßen. "Kontrollgewinn - Kontrollverlust" hat Hannah Ahlheim daher einen von ihr herausgegebenen Sammelband zur Geschichte des Schlafs in der Moderne genannt: Mit Unterstützung der Gerda-Henkel Stiftung erforscht sie den Schlaf seit einigen Jahren als Teil der Kultur-und Sozialgeschichte:
"Man kann über das Thema Schlaf an ganz ganz grundlegende Prozesse in der Gesellschaft herankommen, an Machtverhältnisse, an soziale Unterschiede, an soziale Setzungen, die in der Gesellschaft gemacht werden. Also wer kann zum Beispiel über seine Zeit frei verfügen, wer kann entscheiden, wann und wo er schläft, wer ist darin frei, wer ist darin überhaupt nicht frei?"
Der kleine Schlaf am Tag
Die Norm, nachts durchgängig zu schlafen, um tagsüber hellwach zu sein, gilt heute für fast alle entwickelten Ländern. Es existieren aber auch einige spezielle Schlafkulturen. Zum Beispiel pflegen die Menschen der südlichen Länder in der Mittagshitze traditionell den Siestaschlaf. In Japan ist der "Inemuri", der kurze Halbschlaf am Tag, gut akzeptiert. Sogar ein Vorstandsvorsitzender kann ihn sich in einer Firmensitzung leisten. Und auch die aktuelle Schlafnorm der westlichen Kultur selbst ist letztlich nur ein spezifisches Produkt der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Vorher schliefen die Bauern und die ersten Manufakturarbeiter noch nach anderen Regeln, meint der Medizinhistoriker Philipp Osten von der Universität Heidelberg:
"Ich glaube ganz stark ökonomisch orientiert dass man sich dann schlafen legt, wenn es möglich ist. Dass Schlaf, zumindest der Schlafrhythmus ganz anders ist im Winter als im Sommer, dass er diktiert wird darüber, ob man nun Hühner hat oder nicht, oder Vieh, was gemolken werden muss, wilde Tiere, vor denen man es beschützen muss. Aber das gilt natürlich auch für Industriearbeiter. In der Frühzeit der Industrialisierung lief man bis zu anderthalb Stunden am Morgen zur Arbeit, kam dort müde an und es gab dann tatsächlich auch Manufakturen, die stellten Räume bereit, an denen Personen dann schlafen konnten, um eine Pause einlegen zu können. Also ich glaube ganz stark, dass der Schlaf dadurch strukturiert ist, unter welchen Bedingungen wir leben."
Auch der kurze Siestaschlaf am Mittag wurde vor der Industrialisierung nicht nur in südlichen Ländern praktiziert. Der amerikanische Historiker Roger Ekirch entdeckte zudem, dass bis ins 18. Jahrhundert hinein in weiten Schichten ein spezieller Nachtschlaf gepflegt wurde - ein zwei- oder gar mehrphasiger Schlaf. Hannah Ahlheim:
"Also man hat eben nicht von zehn bis sechs Uhr morgens acht Stunden durchgeschlafen, sondern man hat in kleinen Bröckchen geschlafen. Man hat einen ersten Schlaf, dann war eine kleine Pause, und dann gab es einen zweiten Schlaf. Und das findet er beispielsweise auch in Erinnerungen oder in Berichten davon, dass Leute erzählen: Nach meinem ersten Schlaf bin ich noch einmal kurz aufgestanden, habe eine Pfeife geraucht, dann kam die zweite Schlafphase und dann bin ich aufgestanden. Das heißt er hat tatsächlich auch diese Begriffe gefunden, mein erster und mein zweiter Schlaf."
Ekirch fand solche Beschreibungen in Tagebüchern und Briefen in England, Deutschland und Frankreich, sagt Ahlheim:
"Und die Idee, die Ekirch dabei hat, ist, dass er sagt: Das ist eine ganz andere Form von Schlafen gewesen, die auch einen ganz anderen gesellschaftlichen Umgang oder auch Umgang mit sich selbst möglich gemacht hat. Also man hatte diese Phase des Dämmerns zwischen zwei Schlafphasen. Er sagt, es gab einen uralten Weg zur Psyche, der eben gangbar war in diesen ein, zwei Stunden, in denen man halb wach war, vielleicht auch halb geschlafen hat, und das war ein Umgang mit Träumen, mit Ideen, mit Fantasien, der unmöglich geworden ist durch diese Fantasie' Ich schlafe durch'."
Der durchgängige achtstündige Nachtschlaf setzte sich aber nicht ohne Auseinandersetzungen um Kontrollgewinn und Kontrollverlust durch. In der Aufklärungsperiode des 18. Jahrhunderts glaubte man daran, dass die klare, helle Vernunft das menschliche Leben steuern könne. Damit wurde auch die alte religiöse Vorstellung obsolet, der dunkle Schlaf sei als Strafe Gottes für die Erbsünde hinzunehmen. Ahlheim:
"Und die aufklärerische Gegenidee ist dann genau die, dass man eigentlich wach sein muss, aufwachen muss, die Knechtschaft des Schlafes abschütteln, sagt glaube ich Montesquieu, also man muss sozusagen raus aus diesem Zwang, der einem scheinbar auferlegt ist. Die Grundidee der Aufklärung ist natürlich die, dass sie sagt, der Mensch hat einen freien Willen. Das heißt man sagt, man hat den Leib, man hat die Seele, sie haben ihre eigenen Funktionsmechanismen und funktionieren tatsächlich auch getrennt voneinander. Und das, was beides miteinander vereint, was dann nach aufklärerischer Idee auch steuerbar ist, das ist der Wille des Menschen. Und da kommt der Idee her, zu sagen, okay, wenn ich denn aufgeklärt mit mir, meiner Welt, vielleicht auch mit Gott umgehe, dann kann ich tatsächlich selbst an mir arbeiten und meinen Schlaf bestimmen."
Flucht in den Schlaf
Selbstbestimmt leben und kontrolliert, also maßvoll schlafen - das war die Devise. Allerdings zeigten sich bald die Kehrseiten dieses aufklärerischen Kontrollverlangens. In der Literatur der Zeit tauchten zunehmend Figuren auf, die die Erfahrung gemacht hatten, dass Mensch und Welt nicht so leicht zu perfektionieren waren. Es waren "Schläferfiguren", müde Menschen, die vor der unkalkulierbaren Realität in den Schlaf flüchteten, erklärt Ahlheim:
"Ganz aussagekräftige Figuren sind Robespierre zum Beispiel oder Wallenstein, die tatsächlich merken: All das, was sie versuchen, vernunftgeleitet zu bewegen und zu verändern, scheitert, und sie selber haben eben doch nicht alle Fäden in der Hand. Das heißt diese Ermüdung oder die Angst vielleicht auch vor der Verantwortung, die einem die Aufklärung ja auch zuspricht, also du musst eben so handeln, dass die Maxime deines eigenen Handelns für alle gelten kann, das heißt diese vielleicht auch Überanspruchung des Menschen steckt natürlich in diesen Schläferfiguren, die sagen: So, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Ich muss raus aus dieser Vernunftwelt, die so nicht funktioniert, wie ich es gerne hätte, also muss ich schlafen."
An der Wende zum 19. Jahrhundert kritisieren dann die Romantiker diesen aufklärerischen Kult der rationalen Vernunft und bewerten den Kontrollverlust im Schlaf plötzlich positiv.
"Einfach zu sagen. Ich verliere jetzt Kontrolle und das ist schön und das ist gut so. Oder die Idee, dass eigentlich das richtige Dichten, das richtige kreative Arbeiten überhaupt nur möglich ist, wenn man die Vernunft mal beiseitelässt und dann kommen sozusagen die schönen, die richtigen, die echten Kunstwerke und Bilder ganz von allein in den Kopf, ohne dass man arbeiten muss. Und das ist natürlich auch eine Gegenbewegung auf diesen Anspruch, du musst gemäßigt schlafen und wenn du wach bist, musst du auch gemäßigt alles beherrschen und alles lenken können."
Die Traumpforte zum Absoluten
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts, so Philipp Osten von der Universität Heidelberg, vollzog sich noch eine zweite Einstellungsveränderung gegenüber dem Schlaf. Zunächst wurde er von manchen Philosophen und Medizinern noch als Pforte zu einem höheren, absoluten Bewusstsein gedeutet:
"Also die Vorstellung war - und das ist ganz stark der Philosoph Schelling gewesen, der die vertreten hat - dass wir im wachen Bewusstsein keinen Einblick ins Absolute haben. In dem Moment, in dem wir aber bewusstlos sind, indem wir schlafen oder indem wir tot sind, sind wir in dem Absoluten aufgehoben und haben absolute Klarheit, nur vergessen wird es wieder, weil wir eben kein Bewusstsein haben, das reflektiert in dieser Zeit."
Um Zugang zum Absoluten zu erlangen, untersuchten Ärzte damals vor allem in Südwestdeutschland Somnambule, Menschen, die man heute als Schlafwandler bezeichnet. Die Ärzte erwarteten zum Beispiel, dass die im somnambulen Zustand mit dem Absoluten verbundene Seele Auskunft darüber geben könne, wie man einen Kranken heilt. So fantastisch das klingt, so stark beeinflusste es den Gang der modernen Medizin, berichtet Osten:
"Diese Beobachtungen von Somnambulen, die werden vor allen von Physikern kritisiert und die Kritik daran ist, dass das nicht nachvollziehbar sei. Und was machen die Ärzte? Die gehen hin und verfassten Krankengeschichten, die so exakt, so objektiv dargestellt werden, dann von dritten aufgezeichnet werden, dass man im Prinzip sagen kann, die medizinische Anamnese stammt aus dieser Zeit."
Allerdings offenbarten die exakten Aufzeichnungen des Halbschlafs auch kein höheres Bewusstsein. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wandte man sich daher von der Suche nach dem Absoluten in der somnambulen Seele ab. Die Mediziner widmeten sich nun eher der Hygiene von Schlafstätten, daneben existierten Ratgeber, die weiterhin den durchgängigen Nachtschlaf predigten. Außerdem kam eine Lehre auf, die den Schlaf mit dem Reizzustand der Nerven in Verbindung brachte.
"Ab den 1840er-Jahren ist der Schlaf einfach der Organschlaf des Gehirns, er ist entzaubert!"
Kopfarbeiter brauchen mehr Schlaf
Die Reize, die von der Gesellschaft in die menschlichen Nervenbahnen eindringen, beeinflussen und beanspruchen das Individuum. Wobei in puncto Schlaf ein folgenreicher sozialer Unterschied gemacht wurde, so Ahlheim:
"Also wenn man mit dem Kopf arbeitet, dann ist das Gehirn gereizt und überreizt, weil man ja seine Nerven braucht beim Denken. Dann kann man umso schlechter schlafen, braucht aber umso mehr Schlaf, um das Gehirn zu regenerieren. Während Leute, die zum Beispiel körperlich arbeiten, dafür ja ihr Gehirn nicht brauchen. Und Muskeln müssen nicht schlafen, das ist die Vorstellung im späten 19. Jahrhundert, sondern Muskeln müssen nur ruhen und schlafen müssen die Nerven. Das heißt, wer mit dem Körper arbeitet, braucht eigentlich nicht so dringend Schlaf wie der Kopfarbeiter."
"Dann schien es auch ganz natürlich zu sein, mehrere Arbeiter zusammen in winzige Schlafräume zu packen und ihnen wenig Regenerationszeit zu gönnen."
Ettenhuber: "Jetzt kann man sehen, dass die Patientin in Schlafstadium drei übergeht, das heißt das ist jetzt Tiefschlaf. Und im Tiefschlaf sieht man also, dass die Patientin vermehrt Deltawellen hat, das sind also langsame, ruhigere Wellen im Vergleich zu Schlafstadium eins oder zum Wachzustand."
Im Regensburger Schlaflabor ist die Patientin in die Tiefschlafphase eingetreten, eine der Phasen, die jeder Mensch pro Nacht mehrmals wiederholt. Die Tiefschlafphase allerdings, so Jürgen Zulley, sei besonders wichtig.
"Das erkennen wir daran, dass wenn jemand eine Nacht nicht schläft, er in der folgenden Nacht genau doppelt so viel Tiefschlaf hat auf Kosten aller anderer Schlafstadien, und das würde bedeuten: Tiefschlaf ist Nummer eins. Wenn wir krank sind, haben wir mehr Tiefschlaf und die Aktivität des Immunsystems ist erhöht. Also dieses sich gesund Schlafen findet hier wirklich seinen wissenschaftlichen Beleg drin."
Schlaflos im Sattel
Das 20. Jahrhundert hat das Wissen über die Physiologie des Schlafs und seine Bedeutung für die Gesundheit enorm vermehrt. Längere Zeit galt nun der achtstündige Nachtschlaf auch wissenschaftlich als Maß aller Dinge. Parallel dazu wurde aber auch die Schlaflosigkeit erforscht. Mitte des 20. Jahrhunderts traten in den USA Radiodiscjockeys zu öffentlichen Wettbewerben an: Wer kann länger Musiksendungen moderieren, ohne zu schlafen? Schlafforscher und Militärärzte beobachteten dabei zum Beispiel den berühmter Discjockey Peter Tripp, der über 200 Stunden wach blieb, bis er Hasen halluzinierte. Die Militärärzte interessierten sich vor allem für die Folgen von Schlafentzug als Foltermethode. Fälle wie die von Peter Tripp, meint Hanna Ahlheim, verliehen dem Schlafentzug öffentliche Aufmerksamkeit:
"Und das führt dazu, würde ich sagen, dass er sein Bedrohungspotenzial bis zu einem gewissen Grade auch verliert, das heißt es wird normal, es wird beobachtbar, es wird ausgestellt. Dem geht es nachher wieder gut, dass sehen auch alle, der muss einmal lange schlafen und danach ist der wie vorher, kann also weiter moderieren, weiter leben. Das heißt es ist auch eine Inszenierung von so einer Angst machenden Situation, der der Schrecken genommen wird, dadurch, dass sie einfach normal wird."
Schlaflosigkeit scheint bis zu einem gewissen Grade nutzbar und beherrschbar zu sein: Entweder zum Vergnügen oder zur Folter. Im Übergang zum 21. Jahrhundert sprechen die Mediziner dann nicht nicht mehr vom achtstündigen, sondern vom sechs- bis neunstündigen Schlaf, außerdem rät man zum Powernap, dem energiespendenden Kurzschlaf am Tag. Insgesamt, so Philipp Osten, werde die Einstellung zum Schlaf immer pragmatischer und flexibler:
"Wir haben ja ganz unterschiedliche individuelle Bedürfnisse und viele Schlafforscher gehen ja auch darauf ein, indem sie sagen, eine Person hat eben einen ganz anderen Schlafrhythmus als alle anderen. Wir kennen das doch, die Tagmenschen, die Nachtmenschen, wann arbeite ich am effektivsten, wann ruhe ich mich gerne aus und schlafe gerne, das ist doch individuell ganz unterschiedlich."
Der individualisierte und flexibilisierte Schlaf - er passt gut zu einer individualisierten Leistungsgesellschaft, in der es die verschiedensten Arbeitsformen-und Zeiten gibt: von der normalen Industrie- über die Heim- und Selbstständigenarbeit hin zur Schichtarbeit.
Bedeutet das, dass der Schlaf nun endlich gemäß den Bedürfnissen des Menschen kontrollierbar geworden ist und jeder träumen kann wann er will? Die Menschen nehmen immer häufiger Schlaftabletten, die Arbeitszeiten werden immer länger. Hannah Ahlheims Fazit fällt daher zwiespältig aus:
Bedeutet das, dass der Schlaf nun endlich gemäß den Bedürfnissen des Menschen kontrollierbar geworden ist und jeder träumen kann wann er will? Die Menschen nehmen immer häufiger Schlaftabletten, die Arbeitszeiten werden immer länger. Hannah Ahlheims Fazit fällt daher zwiespältig aus:
"Das ist tatsächlich ein ganz schwieriges Problem für die Geschichte des 20. Jahrhunderts generell, also ob man die Geschichte der zunehmenden Individualisierung und Flexibilisierung als Geschichte der Befreiung schreibt oder als Geschichte des immer subtileren und detaillierten Zugriffs auf das Individuum. Und ich würde sagen, es hat eben immer beides. Es hat immer die Gefahr, dass man jetzt noch besser einsetzbar, noch 'perfektibler' ist - ganz klar: Bei Schlafrhythmen merkt sofort, man ist effizienter, ökonomischer, besser einsetzbar, man weiß, wann bin ich fit, wann muss ich im Büro sein, wann muss ich ins Bett gehen. Das ist es auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist es natürlich eine unglaubliche Befreiung sagen zu können, ich mache das nach meinem Rhythmus. Und es ist eben auch eine Form von Freiheit, die ein Großteil der Bevölkerung nicht hat."
Literatur:
Hannah Ahlheim (Hg). Kontrollgewinn-Kontrollverlust. Die Geschichte des Schlafs in der Moderne, Campus Verlag Frankfurt/New York 2014.
Roger Ekirch: In der Stunde der Nacht. Eine Geschichte der Dunkelheit, Bergisch-Gladbach 2006