"Das ist einfach eine Familie, die vielleicht vor der Zeit einen amerikanischen Traum verkörpert. Die von den Händlern zu wichtigen Fürsten avanciert sind und das durch eine Familienpolitik ... dass sie versuchen, ihre Kinder zu platzieren, eine gute Erziehung zu geben, damit sie auch weiterkommen. Die waren unglaublich reich, die haben dadurch die Kunst sehr gefördert, haben auch durch ihre Entscheidung, wen sie fördern, Einfluss genommen. Und dann natürlich später die politische Rolle, da sie Herzöge und dann Großherzöge wurden, dann haben sie einfach die Geschicke der Stadt gelenkt und eine wichtige Rolle in Italien gespielt"
so Gaelle Rosendahl, Projektleiterin der Ausstellung und Kuratorin am Curt-Engelhorn-Zentrum für Kunst- und Kulturgeschichte in Mannheim. Die Medici sind eine der berühmtesten Familiendynastien Italiens. Seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert bestimmten sie für über 300 Jahre die Geschicke der Stadt Florenz. Zuerst als Kaufleute und Bankiers, später als Regenten. Sie stellten zwei Päpste, regierten als Großherzöge die Toskana. Sie kannten keine Skrupel, wenn es um die Festigung ihrer Macht ging. Doch ebenso skrupellos waren ihre Gegner. Der Audio-Guide der Mannheimer Ausstellung erzählt von der sogenannten "Pazzi-Verschwörung".
"Es ist der 26. April 1478, Ostersonntag. Die Kathedrale Santa Maria del Fiore ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als während des Hochamts das Unfassbare geschieht. Der Priester erhebt eben die Hostie zur Wandlung, als sich mehrere Attentäter auf Giuliano und Lorenzo de Medici stürzen. Lorenzo gelingt es, sich in die Sakristei zu retten, er wird zwar verletzt, überlebt aber das Attentat. Aber sein jüngerer Bruder Giuliano stirbt noch an Ort und Stelle"
Intrigen, Verschwörung, ja Mord sind gebräuchliche Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen im Florenz zur Zeit der Medici. Bei der "Pazzi-Verschwörung" waren es der Papst und andere Patrizierfamilien, die den Mord an den beiden Medici-Brüdern planten. Denn Papst Sixtus IV. wollte seinen Herrschaftsbereich ausweiten. Das passte aber dem damaligen Stadtherrn von Florenz, Lorenzo de Medici nicht.
"Als der Papst seinem Neffen Girolamo den Herrschaftssitz Imola nördlich von Florenz übergeben will, weigert sich Lorenzo, Bankier des Papstes, das Unternehmen zu finanzieren. Er fürchtet ein päpstliches Machtzentrum in seiner Nähe. Der Papst findet schnell neue Geldgeber, die Pazzi-Bank und entledigt sich der Dienste Lorenzos. Die Medici werden unbequem und der Plan, sich ihrer durch ein Attentat zu entledigen, nimmt Gestalt an"
Der Putsch misslang. Und Lorenzo de Medici, der sich retten konnte, nahm grausige Rache an den Verschwörern. - Doch sein Bruder Giuliano verblutete auf dem Boden des Florenzer Doms. Ein Porträt Sandro Botticellis zeigt ihn als elegant gekleideten, schwarz gelockten jungen Mann. Aber die Ausstellung zeigt auch noch etwas anderes: Gipsabdrücke von Guilianos Schädel, der tiefe Läsionen aufweist.
"Giulianos Schädel hält die Spuren seines Leids fest. 6 mal trifft ihn ein schwerer Dolch oder ein Kurzschwert am Kopf, wobei die Verletzungen am rechten Unterkiefer womöglich seinem Hals galt. Die anderen Hiebe lassen tiefe Kerben, die über den ganzen Schädel verteilt sind. Untersuchungen seines Skeletts haben gezeigt, dass die Attentäter auch Schulter, Oberarm, Oberschenkeln, Schien- und Wadenbein verletzen, seinen Knöchel geradezu verstümmeln. Alle Verletzungen sind auf der rechten Körperseite, was die historische Berichterstattung stützt, nachdem Giuliano versucht hat, sich in Sicherheit zu bringen, gestürzt ist und wehrlos am Boden lag"
Natürlich kann man bedeutende Medici-Porträts - etwa von dem Hofmaler der Medici, Angnolo Bronzino - in Mannheim sehen. Geldkassetten, Portemonnaies, Hochzeitstruhen, ein klappbares Kriegsfeldbett oder das Rasierbesteck von Papst Clemens VII. Aber darüber hinaus bietet die Ausstellung auch einen Blick hinter die Kulissen der Macht, die beschönigenden Porträts und die offiziellen Überlieferungen. Skelettfunde, die Dokumentation forensischer und bioarchäologischer Untersuchungen und Computeranimationen sollen näher bringen, wie die Medici lebten, woran sie litten und unter welchen Umständen sie starben. Dr. Wilfried Rosendahl, stellvertretender Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und wissenschaftlicher Begleiter der Ausstellung:
"Ausstellungen gab es schon sehr viele. Wir sind die erste, die eine Begegnung mit den Menschen möglich macht. Wir haben diese Kunstschätze, wir haben die Porträts, wir zeigen auch Alltagsgegenstände, Möbel, die so ein bisschen das Menschliche näher bringen. Dadurch dass wir die ganzen Erkenntnisse zum Leben mit einweben, können wir sagen, wer hat wann woran gelitten. Wer hatte Gicht? Und das wollen wir aufnehmen und zeigen, dass Geld, Macht, Ruhm, das schützt alles nicht vor den Leiden. Und das macht so ein bisschen das Menschliche hinter den Ölgemälden aus"
Ein wesentlicher Teil der Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des sogenannten "Medici-Projekts". Seit 2004 haben unterschiedliche Forschergruppen in der Florenzer Familienkrypta der Kirche San Lorenzo die Gebeine von 28 Sprösslingen der mächtigen Dynastie exhumiert, um sie wissenschaftlich auszuwerten. Auch die Reiss-Engelhorn-Museen sind an den Forschungen beteiligt. Anhand von Knochen, Haaren und Haut versuchen Wissenschaftler, das Leben und Sterben der Medici zu rekonstruieren, versuchen Aufschlüsse zu bekommen über Verletzungen, Krankheiten und Ernährungsgewohnheiten. Oder sie versuchen, Skelettfunde zu identifizieren, die bislang nicht zugeordnet werden konnten. Wilfried Rosendahl bei einem Gang durch die Ausstellung:
"Wir haben hier einen Altartisch von der alten Sakristei aufgegriffen, mit Blick in die Krypta und zeigen hier so ein bisschen die Methoden, mit denen wir arbeiten in dieser Mediciforschung. Einmal die Skelettanalyse, wir können auch Collagen extrahieren, können damit Ernährung bestimmen, war jemand mehr Vegetarier, oder Fleischliebhaber oder Fischliebhaber. Die Genetik spielt eine Rolle, um Verwandtschaftsverhältnisse klarzustellen, wenn man nicht genau weiß, wer es ist. Und wir haben dann die Gesichtsrekonstruktion auch hier auf dem Tisch, das ist der Schädel in digitaler Form, es werden grüne Marker aufgesetzt, die die Weichteildicke markieren und wenn man dann weiter arbeitet, kann man die Weichtteilstrukturen aufbringen, es entwickelt sich ein Gesicht. Und es ergibt sich hinterher ein fertiges Gesicht, was wie ein Passbild aussieht. Und das kann man dann vergleichen auch mit den Ölgemäldeporträts"
Da gibt es zum Beispiel Piero de Medici, genannt Il Gottoso - der Gichtbrüchige. Er regierte Florenz von 1464 bis 1469. Neben einer Projektion seines Ölporträts wird seine verknöcherte Wirbelsäule eingeblendet, die arthritisbedingte Verformung seiner Sprunggelenke, weshalb er schließlich nicht mehr laufen konnte. Zudem litt er wegen einer Schuppenflechte an Juckreiz am ganzen Körper. Er starb mit 53 Jahren an einer Hirnblutung.
"Wir haben in verschiedenen Räumen auch Animationen. Hier ist gerade Piero der Gichtige zu sehen, ausgehend von einem Ölgemäldeporträt wird der Betrachter mitgenommen in eine Animationsschleife, die einen dann einlädt die Blessuren, also die Krankenakte, kennenzulernen. Jetzt sehen wir hier eingeblendet die Wirbelsäule als Foto mit den verwachsenen Wirbelkörpern und Texterläuterungen dazu, was die Symptome waren, worunter er gelitten hat"
Unter Gicht, so die Überlieferungen, litten viele aus dem Medici-Clan. Doch die paläopathologischen Untersuchungen ergaben, dass es nicht die Gicht, sondern eine arthritische Krankheit war, von der etliche in der Familie gezeichnet waren.
"Es fehlen an den Skeletten die typischen Ablagerungen für Gicht, es lagern sich an den Gelenken vor allem des großen Zehs Purine ab und es bildet typische Knoten und diese waren an den Skeletten nicht vorhanden außer bei Ferdinando dem Ersten an seinem großen Zeh. Alle andere tragen eindeutige Spuren von Gelenkentzündungen mit Knochenwucherungen, die sie dann vollkommen unbeweglich haben werden lassen, aber keine Gicht."
Angefangen hatte der Aufstieg der Familie mit der Gründung einer Bank durch Giovanni di Bicci im ausgehenden 14. Jahrhundert. Die Bank war im Wechsel- und Kreditgeschäft tätig, prosperierte und unterhielt schon im Jahr 1408 Filialen in Venedig und Rom. Dass aber auch zu jener Zeit nicht alle Geldgeschäfte legal waren, zeigt das "schwarze Kontenbuch" des Cosimo de Medici. Denn neben den offiziellen Büchern wurden – im Verborgenen – Parallelkonten geführt, die dem Zugriff der Steuerbehörden entzogen blieben.
"Es ging darum, dass die Steuern in Florenz einigermaßen gerecht verteilt sein sollten und dass die Reichen mehr bezahlen sollten als die Armen. Dann mussten sie eine Steuererklärung machen und da wollte man lieber nicht alles sagen und hat deswegen ein offizielles Buch geführt. Da man sich aber doch zurecht finden musste in seinem eigenen Geld und wissen, wo man steht, muss man auch ein schwarzes Buch führen, das man aber der Öffentlichkeit möglichst vorenthalten möchte."
Um die eigenen Interessen durchsetzen zu können, waren Ränkespiele aller Art an der Tagesordnung. Da wurde der unehelich geborene Giulio de Medici kurzerhand zu einem "in heimlicher Ehe" gezeugten "legalen" Sohn erklärt, damit er Papst werden konnte. Da vergiftete Kardinal Ferdinando vermutlich seinen Bruder Francesco und seine Frau mit Arsen und trat dessen Erbe als Großherzog der Toskana an. Um heiraten und Nachkommen zeugen zu können, legte er seinen Kardinalspurpur ab. Und warum wurde Giovanni de Medici, Oberbefehlshaber über die päpstlichen Truppen, nur der Fuß amputiert, wie eine Exhumierung seiner Gebeine erwies? In einer Schlacht war er durch einen Schuss am Bein verletzt worden. Der Wundbrand saß am Oberschenkel. Um ihn zu retten, hätte man das Ganze Bein amputieren müssen.
"In der Überlieferung heißt es, dass Giovanni am Oberschenkel verwundet wurde und entsprechend amputiert wurde. Aber das hier ist eine Unterschenkelamputation, wie man sieht. Und die Frage ist, ob die Überlieferung falsch ist, oder ob man bewusst ihn falsch amputiert hat. Er war ein großer Condottiere, was manchen nicht gepasst hatte."
Ebenso allerdings waren die Medici große Kunstmäzene, nicht zuletzt natürlich auch, um ihren eigenen Ruhm zu festigen. Sie förderten Maler wie Donatello, Boticelli oder Michelangelo. Ließen Paläste und Klöster bauen, waren interessiert an Wissenschaft und Philosophie. Galileo Galilei arbeitet zeitweise als Lehrer von Cosimo II de Medici.
"Der war Professor in Padua und hat sich bewusst bei den Medici beworben, um Hofmathematiker zu werden. Und die Medici haben ihn genommen und ihn auch gegenüber der Inquisition, wenn nicht richtig vereidigt, weil das nicht möglich war, aber sie haben dafür gesorgt, dass der Papst weiß, er wird beobachtet und kann mit Galileo nicht machen was er will. Galileo wurde erst mal nicht ehrenhaft bestattet, weil sie fanden, das ist ein Ketzer. Der letzte Großherzog war aber Atheist und hat die Kirche nicht gemocht und hat dafür gesorgt, dass Galilei umgebettet wurde und ein würdiges Begräbnis bekam. Und bei der Gelegenheit sind halt ein paar Reliquien mitgenommen worden, darunter die Wirbel, die wir hier zeigen im Original"
Die würdevollen Porträts und prunkvollen Gewänder vertuschen, was die sterblichen Überreste heute enthüllen: Forscher der Reiss-Engelhorn-Museen waren an der Identifizierung des Schädels der Isabella von Medici beteiligt. Ob sie wirklich mit 34 vom eigenen Mann erdrosselt worden ist, lässt sich aber nicht mehr aufklären. Denn ihr Schädel ist zwar erhalten, doch kein Weichteilmaterial. Dafür konnten Forscher feststellen, dass auf dem Porträt ihre Hakennase geschönt war. Oder dass die würdige Haltung des Abbilds von Carlo de Medici verbirgt, dass er einen schiefen Unterkiefer und frühzeitigen Zahnausfall hatte, was zu Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen führte. Und dass ein eisernes Korsett seine deformierte Wirbelsäule wieder in Form bringen sollte. Viele der Medici starben früh, an Pest, an Malaria, an Typhus. Reichtum und Macht, ausreichende Ernährung und beste medizinische Versorgung waren zu dieser Zeit offensichtlich kaum eine Gewähr für eine gute Gesundheit.
Das Ende der Medici war wenig ruhmvoll. Sie regierten die Toskana bis ins 18. Jahrhundert hinein, konnten der Region aber keine entscheidenden Impulse mehr geben. Sie verfolgten eine machtsichernde Heiratspolitik, zogen sich in ihre Paläste zurück und feierten ausschweifende Feste. Die Herrscherdämmerung nahte, als die drei Kinder von Cosimo III. kinderlos blieben.
"Der älteste Sohn ist früh gestorben, der zweite Sohn hat das mit dem Ehevollzug aus persönlichen Gründen nicht so hinbekommen und die Tochter ist in dieser Erbfolge für die Fortsetzung des Medici-Clans sowieso nicht von Bedeutung. Selbst wenn sie Kinder bekommen hätte, wäre das keine Fortsetzung der Medici gewesen."
Da auch Anna Maria Luisa, die letzte der Medici ohne Nachkommen blieb, vermachte sie in ihrem letzten Willen vertraglich alle Kunstschätze der Familie der Stadt Florenz - unter der Bedingung, dass sie niemals aus der Stadt entfernt würden. Anna Maria Luisa starb nach zweijähriger Krankheit, wahrscheinlich an Brustkrebs, und nicht, wie teilweise vermutet wurde, an Syphilis. Ihr Grab befindet sich in der Familienkrypta von San Lorenzo in Florenz. Ihre Gebeine wurden im August 2012 exhumiert. Die Ergebnisse dieser Exhumierung werden ab Sonntag in der Mannheimer Ausstellung zu sehen sein.
Informationen zur Ausstellung:
"Die Medici - Menschen, Macht und Gesellschaft"
Homepage Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
so Gaelle Rosendahl, Projektleiterin der Ausstellung und Kuratorin am Curt-Engelhorn-Zentrum für Kunst- und Kulturgeschichte in Mannheim. Die Medici sind eine der berühmtesten Familiendynastien Italiens. Seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert bestimmten sie für über 300 Jahre die Geschicke der Stadt Florenz. Zuerst als Kaufleute und Bankiers, später als Regenten. Sie stellten zwei Päpste, regierten als Großherzöge die Toskana. Sie kannten keine Skrupel, wenn es um die Festigung ihrer Macht ging. Doch ebenso skrupellos waren ihre Gegner. Der Audio-Guide der Mannheimer Ausstellung erzählt von der sogenannten "Pazzi-Verschwörung".
"Es ist der 26. April 1478, Ostersonntag. Die Kathedrale Santa Maria del Fiore ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als während des Hochamts das Unfassbare geschieht. Der Priester erhebt eben die Hostie zur Wandlung, als sich mehrere Attentäter auf Giuliano und Lorenzo de Medici stürzen. Lorenzo gelingt es, sich in die Sakristei zu retten, er wird zwar verletzt, überlebt aber das Attentat. Aber sein jüngerer Bruder Giuliano stirbt noch an Ort und Stelle"
Intrigen, Verschwörung, ja Mord sind gebräuchliche Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen im Florenz zur Zeit der Medici. Bei der "Pazzi-Verschwörung" waren es der Papst und andere Patrizierfamilien, die den Mord an den beiden Medici-Brüdern planten. Denn Papst Sixtus IV. wollte seinen Herrschaftsbereich ausweiten. Das passte aber dem damaligen Stadtherrn von Florenz, Lorenzo de Medici nicht.
"Als der Papst seinem Neffen Girolamo den Herrschaftssitz Imola nördlich von Florenz übergeben will, weigert sich Lorenzo, Bankier des Papstes, das Unternehmen zu finanzieren. Er fürchtet ein päpstliches Machtzentrum in seiner Nähe. Der Papst findet schnell neue Geldgeber, die Pazzi-Bank und entledigt sich der Dienste Lorenzos. Die Medici werden unbequem und der Plan, sich ihrer durch ein Attentat zu entledigen, nimmt Gestalt an"
Der Putsch misslang. Und Lorenzo de Medici, der sich retten konnte, nahm grausige Rache an den Verschwörern. - Doch sein Bruder Giuliano verblutete auf dem Boden des Florenzer Doms. Ein Porträt Sandro Botticellis zeigt ihn als elegant gekleideten, schwarz gelockten jungen Mann. Aber die Ausstellung zeigt auch noch etwas anderes: Gipsabdrücke von Guilianos Schädel, der tiefe Läsionen aufweist.
"Giulianos Schädel hält die Spuren seines Leids fest. 6 mal trifft ihn ein schwerer Dolch oder ein Kurzschwert am Kopf, wobei die Verletzungen am rechten Unterkiefer womöglich seinem Hals galt. Die anderen Hiebe lassen tiefe Kerben, die über den ganzen Schädel verteilt sind. Untersuchungen seines Skeletts haben gezeigt, dass die Attentäter auch Schulter, Oberarm, Oberschenkeln, Schien- und Wadenbein verletzen, seinen Knöchel geradezu verstümmeln. Alle Verletzungen sind auf der rechten Körperseite, was die historische Berichterstattung stützt, nachdem Giuliano versucht hat, sich in Sicherheit zu bringen, gestürzt ist und wehrlos am Boden lag"
Natürlich kann man bedeutende Medici-Porträts - etwa von dem Hofmaler der Medici, Angnolo Bronzino - in Mannheim sehen. Geldkassetten, Portemonnaies, Hochzeitstruhen, ein klappbares Kriegsfeldbett oder das Rasierbesteck von Papst Clemens VII. Aber darüber hinaus bietet die Ausstellung auch einen Blick hinter die Kulissen der Macht, die beschönigenden Porträts und die offiziellen Überlieferungen. Skelettfunde, die Dokumentation forensischer und bioarchäologischer Untersuchungen und Computeranimationen sollen näher bringen, wie die Medici lebten, woran sie litten und unter welchen Umständen sie starben. Dr. Wilfried Rosendahl, stellvertretender Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und wissenschaftlicher Begleiter der Ausstellung:
"Ausstellungen gab es schon sehr viele. Wir sind die erste, die eine Begegnung mit den Menschen möglich macht. Wir haben diese Kunstschätze, wir haben die Porträts, wir zeigen auch Alltagsgegenstände, Möbel, die so ein bisschen das Menschliche näher bringen. Dadurch dass wir die ganzen Erkenntnisse zum Leben mit einweben, können wir sagen, wer hat wann woran gelitten. Wer hatte Gicht? Und das wollen wir aufnehmen und zeigen, dass Geld, Macht, Ruhm, das schützt alles nicht vor den Leiden. Und das macht so ein bisschen das Menschliche hinter den Ölgemälden aus"
Ein wesentlicher Teil der Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des sogenannten "Medici-Projekts". Seit 2004 haben unterschiedliche Forschergruppen in der Florenzer Familienkrypta der Kirche San Lorenzo die Gebeine von 28 Sprösslingen der mächtigen Dynastie exhumiert, um sie wissenschaftlich auszuwerten. Auch die Reiss-Engelhorn-Museen sind an den Forschungen beteiligt. Anhand von Knochen, Haaren und Haut versuchen Wissenschaftler, das Leben und Sterben der Medici zu rekonstruieren, versuchen Aufschlüsse zu bekommen über Verletzungen, Krankheiten und Ernährungsgewohnheiten. Oder sie versuchen, Skelettfunde zu identifizieren, die bislang nicht zugeordnet werden konnten. Wilfried Rosendahl bei einem Gang durch die Ausstellung:
"Wir haben hier einen Altartisch von der alten Sakristei aufgegriffen, mit Blick in die Krypta und zeigen hier so ein bisschen die Methoden, mit denen wir arbeiten in dieser Mediciforschung. Einmal die Skelettanalyse, wir können auch Collagen extrahieren, können damit Ernährung bestimmen, war jemand mehr Vegetarier, oder Fleischliebhaber oder Fischliebhaber. Die Genetik spielt eine Rolle, um Verwandtschaftsverhältnisse klarzustellen, wenn man nicht genau weiß, wer es ist. Und wir haben dann die Gesichtsrekonstruktion auch hier auf dem Tisch, das ist der Schädel in digitaler Form, es werden grüne Marker aufgesetzt, die die Weichteildicke markieren und wenn man dann weiter arbeitet, kann man die Weichtteilstrukturen aufbringen, es entwickelt sich ein Gesicht. Und es ergibt sich hinterher ein fertiges Gesicht, was wie ein Passbild aussieht. Und das kann man dann vergleichen auch mit den Ölgemäldeporträts"
Da gibt es zum Beispiel Piero de Medici, genannt Il Gottoso - der Gichtbrüchige. Er regierte Florenz von 1464 bis 1469. Neben einer Projektion seines Ölporträts wird seine verknöcherte Wirbelsäule eingeblendet, die arthritisbedingte Verformung seiner Sprunggelenke, weshalb er schließlich nicht mehr laufen konnte. Zudem litt er wegen einer Schuppenflechte an Juckreiz am ganzen Körper. Er starb mit 53 Jahren an einer Hirnblutung.
"Wir haben in verschiedenen Räumen auch Animationen. Hier ist gerade Piero der Gichtige zu sehen, ausgehend von einem Ölgemäldeporträt wird der Betrachter mitgenommen in eine Animationsschleife, die einen dann einlädt die Blessuren, also die Krankenakte, kennenzulernen. Jetzt sehen wir hier eingeblendet die Wirbelsäule als Foto mit den verwachsenen Wirbelkörpern und Texterläuterungen dazu, was die Symptome waren, worunter er gelitten hat"
Unter Gicht, so die Überlieferungen, litten viele aus dem Medici-Clan. Doch die paläopathologischen Untersuchungen ergaben, dass es nicht die Gicht, sondern eine arthritische Krankheit war, von der etliche in der Familie gezeichnet waren.
"Es fehlen an den Skeletten die typischen Ablagerungen für Gicht, es lagern sich an den Gelenken vor allem des großen Zehs Purine ab und es bildet typische Knoten und diese waren an den Skeletten nicht vorhanden außer bei Ferdinando dem Ersten an seinem großen Zeh. Alle andere tragen eindeutige Spuren von Gelenkentzündungen mit Knochenwucherungen, die sie dann vollkommen unbeweglich haben werden lassen, aber keine Gicht."
Angefangen hatte der Aufstieg der Familie mit der Gründung einer Bank durch Giovanni di Bicci im ausgehenden 14. Jahrhundert. Die Bank war im Wechsel- und Kreditgeschäft tätig, prosperierte und unterhielt schon im Jahr 1408 Filialen in Venedig und Rom. Dass aber auch zu jener Zeit nicht alle Geldgeschäfte legal waren, zeigt das "schwarze Kontenbuch" des Cosimo de Medici. Denn neben den offiziellen Büchern wurden – im Verborgenen – Parallelkonten geführt, die dem Zugriff der Steuerbehörden entzogen blieben.
"Es ging darum, dass die Steuern in Florenz einigermaßen gerecht verteilt sein sollten und dass die Reichen mehr bezahlen sollten als die Armen. Dann mussten sie eine Steuererklärung machen und da wollte man lieber nicht alles sagen und hat deswegen ein offizielles Buch geführt. Da man sich aber doch zurecht finden musste in seinem eigenen Geld und wissen, wo man steht, muss man auch ein schwarzes Buch führen, das man aber der Öffentlichkeit möglichst vorenthalten möchte."
Um die eigenen Interessen durchsetzen zu können, waren Ränkespiele aller Art an der Tagesordnung. Da wurde der unehelich geborene Giulio de Medici kurzerhand zu einem "in heimlicher Ehe" gezeugten "legalen" Sohn erklärt, damit er Papst werden konnte. Da vergiftete Kardinal Ferdinando vermutlich seinen Bruder Francesco und seine Frau mit Arsen und trat dessen Erbe als Großherzog der Toskana an. Um heiraten und Nachkommen zeugen zu können, legte er seinen Kardinalspurpur ab. Und warum wurde Giovanni de Medici, Oberbefehlshaber über die päpstlichen Truppen, nur der Fuß amputiert, wie eine Exhumierung seiner Gebeine erwies? In einer Schlacht war er durch einen Schuss am Bein verletzt worden. Der Wundbrand saß am Oberschenkel. Um ihn zu retten, hätte man das Ganze Bein amputieren müssen.
"In der Überlieferung heißt es, dass Giovanni am Oberschenkel verwundet wurde und entsprechend amputiert wurde. Aber das hier ist eine Unterschenkelamputation, wie man sieht. Und die Frage ist, ob die Überlieferung falsch ist, oder ob man bewusst ihn falsch amputiert hat. Er war ein großer Condottiere, was manchen nicht gepasst hatte."
Ebenso allerdings waren die Medici große Kunstmäzene, nicht zuletzt natürlich auch, um ihren eigenen Ruhm zu festigen. Sie förderten Maler wie Donatello, Boticelli oder Michelangelo. Ließen Paläste und Klöster bauen, waren interessiert an Wissenschaft und Philosophie. Galileo Galilei arbeitet zeitweise als Lehrer von Cosimo II de Medici.
"Der war Professor in Padua und hat sich bewusst bei den Medici beworben, um Hofmathematiker zu werden. Und die Medici haben ihn genommen und ihn auch gegenüber der Inquisition, wenn nicht richtig vereidigt, weil das nicht möglich war, aber sie haben dafür gesorgt, dass der Papst weiß, er wird beobachtet und kann mit Galileo nicht machen was er will. Galileo wurde erst mal nicht ehrenhaft bestattet, weil sie fanden, das ist ein Ketzer. Der letzte Großherzog war aber Atheist und hat die Kirche nicht gemocht und hat dafür gesorgt, dass Galilei umgebettet wurde und ein würdiges Begräbnis bekam. Und bei der Gelegenheit sind halt ein paar Reliquien mitgenommen worden, darunter die Wirbel, die wir hier zeigen im Original"
Die würdevollen Porträts und prunkvollen Gewänder vertuschen, was die sterblichen Überreste heute enthüllen: Forscher der Reiss-Engelhorn-Museen waren an der Identifizierung des Schädels der Isabella von Medici beteiligt. Ob sie wirklich mit 34 vom eigenen Mann erdrosselt worden ist, lässt sich aber nicht mehr aufklären. Denn ihr Schädel ist zwar erhalten, doch kein Weichteilmaterial. Dafür konnten Forscher feststellen, dass auf dem Porträt ihre Hakennase geschönt war. Oder dass die würdige Haltung des Abbilds von Carlo de Medici verbirgt, dass er einen schiefen Unterkiefer und frühzeitigen Zahnausfall hatte, was zu Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen führte. Und dass ein eisernes Korsett seine deformierte Wirbelsäule wieder in Form bringen sollte. Viele der Medici starben früh, an Pest, an Malaria, an Typhus. Reichtum und Macht, ausreichende Ernährung und beste medizinische Versorgung waren zu dieser Zeit offensichtlich kaum eine Gewähr für eine gute Gesundheit.
Das Ende der Medici war wenig ruhmvoll. Sie regierten die Toskana bis ins 18. Jahrhundert hinein, konnten der Region aber keine entscheidenden Impulse mehr geben. Sie verfolgten eine machtsichernde Heiratspolitik, zogen sich in ihre Paläste zurück und feierten ausschweifende Feste. Die Herrscherdämmerung nahte, als die drei Kinder von Cosimo III. kinderlos blieben.
"Der älteste Sohn ist früh gestorben, der zweite Sohn hat das mit dem Ehevollzug aus persönlichen Gründen nicht so hinbekommen und die Tochter ist in dieser Erbfolge für die Fortsetzung des Medici-Clans sowieso nicht von Bedeutung. Selbst wenn sie Kinder bekommen hätte, wäre das keine Fortsetzung der Medici gewesen."
Da auch Anna Maria Luisa, die letzte der Medici ohne Nachkommen blieb, vermachte sie in ihrem letzten Willen vertraglich alle Kunstschätze der Familie der Stadt Florenz - unter der Bedingung, dass sie niemals aus der Stadt entfernt würden. Anna Maria Luisa starb nach zweijähriger Krankheit, wahrscheinlich an Brustkrebs, und nicht, wie teilweise vermutet wurde, an Syphilis. Ihr Grab befindet sich in der Familienkrypta von San Lorenzo in Florenz. Ihre Gebeine wurden im August 2012 exhumiert. Die Ergebnisse dieser Exhumierung werden ab Sonntag in der Mannheimer Ausstellung zu sehen sein.
Informationen zur Ausstellung:
"Die Medici - Menschen, Macht und Gesellschaft"
Homepage Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim