Kinder tauschen untereinander Murmeln und Glanzbilder. Das kennen wir alle. Doch jenseits vom Kinderspiel gibt es eine kulturelle Tradition des Tauschens. Der französische Ethnologe Marcel Mauss sah im Tausch eine totale soziale Tatsache und meinte damit, dass mit den Regeln von Geben und Nehmen sich erst Gemeinschaft überhaupt gründet und jeder Mensch seinen Platz darin erhält.
Das scheint auch der tiefere Sinn von heutigen Formen des Tauschens und Teilens zu sein. Ob Rasenmähen gegen Erdbeermarmelade getauscht wird oder das Auto und die Bohrmaschine ausgeliehen statt gekauft werden – die Kultur neuer, alternativer Wirtschaftsformen blüht. Gemeinsam ist dem Teilen und Tauschen seit Jahrhunderten, dass es nicht nur um Ökonomie, sondern auch um das Miteinander geht.
Ein sonniger Tag, der Himmel ist blau. Ein rotbraunes Kanu gleitet vor der Küste Kitavas über die spiegelnde Wasseroberfläche. Darin sitzen 13 junge und ältere Männer auf dem Weg zum offenen Meer, so zeigt sie ein Foto. Zwei Tage brauchen sie bis zum Strand von Dobu, wo sie freudig von den Dorfbewohnern begrüßt werden. Man isst und trinkt, ein festlicher Abend wird zu Ehren der Gäste veranstaltet. Erst am nächsten Morgen kommt es zu dem eigentlichen Anlass des Besuches: Die Gäste haben von ihrer nordöstlich gelegenen Insel wertvolle Dinge mitgebracht. Nicht als Geschenk oder Gaben, sondern als Tauschobjekte. Fein säuberlich legen sie aus Schneckengehäusen gefertigte Armreifen auf den Sand. Dafür erwarten sie beim Gegenbesuch ihrer Tauschpartner Halsketten aus Spondylus-Muscheln.
Der britische Ethnologe Bronislaw Malinowski hat diesen Tauschring des an der Ostspitze Neuguineas gelegenen Inselarchipels vor rund 100 Jahren als Erster beobachtet und beschrieben. Er verglich die Muschelobjekte mit den königlichen Kronjuwelen - so wertvoll seien sie den Menschen der Inselkette. Aber anders als das herrschaftliche Geschmeide bekommen sie ihren außergewöhnlichen Wert nicht, weil sie unverkäuflich sind, sondern weil sie Geschichten erzählen. Jede Muschelkette, jedes Armband ist verknüpft mit dem Leben ihrer Vorbesitzer und den Gefahren, die zu meistern waren, um den Tausch nach den Kula-Regeln durchzuführen.
"Der Tausch ist ein altes und wichtiges Thema in der Ethnologie",
erklärt Professor Hans Peter Hahn von der Universität Frankfurt am Main.
"Die zentrale Figur, die ihn in den 1920er-Jahren zum ersten Mal dargelegt hat, ist Marcel Mauss, ein französischer Ethnologe, der vergleichend aus allen Teilen der Welt, aber auch historisch vom römischen Recht bis hin zur Gegenwart Formen des Tausches untersucht hat und der auf diesem Wege drei wichtige Regeln des Tausches festgelegt hat."
Mauss beschrieb in seinem Buch "Die Gabe" den Austausch in archaischen Gesellschaften als eine totale soziale Tätigkeit. Der beständige Reigen aus Geben und Nehmen verzahnt ihm zufolge ökonomisches, rechtliches, moralisches, ästhetisches, religiöses, mythologisches und soziales Geschehen miteinander. Bis heute ließen sich die von ihm beobachteten Regeln des Tausches in allen Gesellschaften finden, erklärt der Ethnologe Hahn:
"Die erste von diesen Regeln lautet: Es gibt in jeder Gesellschaft eine Pflicht zu geben. Die zweite Regel lautet: Es gibt eine Pflicht, Gaben anzunehmen. Kein Mensch, der nicht zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben darauf angewiesen ist, Dinge anzunehmen und sich dann auch anerkennend, vielleicht sogar dankbar zu zeigen dafür, dass er eine Gabe erhält. Die dritte Regel ist die Pflicht der Erwiderung einer Gabe. Eine Gesellschaft kann nur existieren, indem diejenigen die geben zu irgendeinem Zeitpunkt ihnen auch wieder Dinge angeboten werden."
Geben, Annehmen und Gaben erwidern begründen nach Auffassung des französischen Ethnologen den eigentlichen Zusammenhalt jeder Gesellschaft. Keine Gemeinschaft, so Marcel Mauss, könne ohne Formen des Gebens und der Anerkennung für den Gebenden bestehen. Wer gibt, erntet Ansehen und Wertschätzung. Wer nimmt, hat den Nutzen und die Pflicht, seinerseits zu geben. Gleichzeitig strukturiert der Gabentausch die Gemeinschaft, er markiert die Machtvolleren von den weniger Mächtigen und sichert jedem seinen Platz in der Gemeinschaft. Das gilt für den von Malinowski beobachteten Kula-Tauschhandel. Das gilt in einer abstrakteren Form aber auch für durchkapitalisierte Geld-Gesellschaften wie die unsere zum Beispiel über den Generationenvertrag. Diesen Rhythmus von Geben und Nehmen bezeichnete der Ethnologe Marcel Mauss in den 1920er-Jahren als das Fundament sozialer Beziehungen. Hahn:
"Für ihn war der Tausch der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Warum zerfallen Gesellschaften nicht, wenn Individuen unterschiedlich sind. Gesellschaften halten zusammen, weil jeder Einzelne Gaben erwarten kann und jeder Einzelne akzeptiert, Gaben zu geben."
Der britische Ethnologe Bronislaw Malinowski war vor 100 Jahren überzeugt, dass er einer der Letzten sei, der den Tauschhandel der Trobriand-Inselbewohner beobachten konnte. Er war sicher, dass ihr Ritual des Tauschens untergehen würde. Ein Irrtum. Noch heute existiert in Ozeanien neben der Geldwirtschaft der Tausch von Muschelobjekten. Denn die Ketten und Armreifen dienten nicht in erster Linie dem ökonomischen Wohlstand, sondern einem sozialen. Es geht um Ansehen, Würde, Einbindung in die Gemeinschaft. Das hat das moderne Geld ihnen nicht geben können. Das gilt auch für andere Weltregionen. Bis heute findet man viele Beispiele des Nebeneinanders von Geld- und Tauschhandel, sagt Hahn:
"Es ist fast ein Problem, eine Gesellschaft zu finden, in der solche Tauschvorgänge nicht vorhanden sind."
Das liege daran, so der Frankfurter Ethnologe, dass im Tausch soziale und ökonomische Transaktionen besonders eng und direkt miteinander verbunden sind. Er erklärt dies am Beispiel der Brautpreiszahlungen in einer Region Westafrikas. Die Verhandlungen über Salzmengen und Ziegen als Brautgabe dienen dazu, verschiedene Verwandtschaftsgruppen zusammenzubringen.
"Am Ende einer solchen Verhandlung steht oft über Tage und Wochen hinweg das Geben und Gaben-Erwiderung, wobei die Erwiderung oft nicht mehr ist als ein Willkommenstrunk oder eine Mahlzeit und letztlich ein Fest, in dem jeder stolz vorzeigt, was er bekommen hat in diesem Tauschprozess. Geben und Nehmen hat hier an erster Stelle die Funktion den sozialen Ausgleich zwischen zwei Gruppen öffentlich zu machen, zu zeigen, wir sind eins, wir akzeptieren von beiden Seiten, dass diese Heirat zustande kommt."
Das scheint auch der tiefere Sinn von heutigen Formen des Tauschens und Teilens zu sein. Ob Rasenmähen gegen Erdbeermarmelade getauscht wird oder das Auto und die Bohrmaschine ausgeliehen statt gekauft werden – die Kultur neuer, alternativer Wirtschaftsformen blüht. Gemeinsam ist dem Teilen und Tauschen seit Jahrhunderten, dass es nicht nur um Ökonomie, sondern auch um das Miteinander geht.
Ein sonniger Tag, der Himmel ist blau. Ein rotbraunes Kanu gleitet vor der Küste Kitavas über die spiegelnde Wasseroberfläche. Darin sitzen 13 junge und ältere Männer auf dem Weg zum offenen Meer, so zeigt sie ein Foto. Zwei Tage brauchen sie bis zum Strand von Dobu, wo sie freudig von den Dorfbewohnern begrüßt werden. Man isst und trinkt, ein festlicher Abend wird zu Ehren der Gäste veranstaltet. Erst am nächsten Morgen kommt es zu dem eigentlichen Anlass des Besuches: Die Gäste haben von ihrer nordöstlich gelegenen Insel wertvolle Dinge mitgebracht. Nicht als Geschenk oder Gaben, sondern als Tauschobjekte. Fein säuberlich legen sie aus Schneckengehäusen gefertigte Armreifen auf den Sand. Dafür erwarten sie beim Gegenbesuch ihrer Tauschpartner Halsketten aus Spondylus-Muscheln.
Der britische Ethnologe Bronislaw Malinowski hat diesen Tauschring des an der Ostspitze Neuguineas gelegenen Inselarchipels vor rund 100 Jahren als Erster beobachtet und beschrieben. Er verglich die Muschelobjekte mit den königlichen Kronjuwelen - so wertvoll seien sie den Menschen der Inselkette. Aber anders als das herrschaftliche Geschmeide bekommen sie ihren außergewöhnlichen Wert nicht, weil sie unverkäuflich sind, sondern weil sie Geschichten erzählen. Jede Muschelkette, jedes Armband ist verknüpft mit dem Leben ihrer Vorbesitzer und den Gefahren, die zu meistern waren, um den Tausch nach den Kula-Regeln durchzuführen.
"Der Tausch ist ein altes und wichtiges Thema in der Ethnologie",
erklärt Professor Hans Peter Hahn von der Universität Frankfurt am Main.
"Die zentrale Figur, die ihn in den 1920er-Jahren zum ersten Mal dargelegt hat, ist Marcel Mauss, ein französischer Ethnologe, der vergleichend aus allen Teilen der Welt, aber auch historisch vom römischen Recht bis hin zur Gegenwart Formen des Tausches untersucht hat und der auf diesem Wege drei wichtige Regeln des Tausches festgelegt hat."
Mauss beschrieb in seinem Buch "Die Gabe" den Austausch in archaischen Gesellschaften als eine totale soziale Tätigkeit. Der beständige Reigen aus Geben und Nehmen verzahnt ihm zufolge ökonomisches, rechtliches, moralisches, ästhetisches, religiöses, mythologisches und soziales Geschehen miteinander. Bis heute ließen sich die von ihm beobachteten Regeln des Tausches in allen Gesellschaften finden, erklärt der Ethnologe Hahn:
"Die erste von diesen Regeln lautet: Es gibt in jeder Gesellschaft eine Pflicht zu geben. Die zweite Regel lautet: Es gibt eine Pflicht, Gaben anzunehmen. Kein Mensch, der nicht zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben darauf angewiesen ist, Dinge anzunehmen und sich dann auch anerkennend, vielleicht sogar dankbar zu zeigen dafür, dass er eine Gabe erhält. Die dritte Regel ist die Pflicht der Erwiderung einer Gabe. Eine Gesellschaft kann nur existieren, indem diejenigen die geben zu irgendeinem Zeitpunkt ihnen auch wieder Dinge angeboten werden."
Geben, Annehmen und Gaben erwidern begründen nach Auffassung des französischen Ethnologen den eigentlichen Zusammenhalt jeder Gesellschaft. Keine Gemeinschaft, so Marcel Mauss, könne ohne Formen des Gebens und der Anerkennung für den Gebenden bestehen. Wer gibt, erntet Ansehen und Wertschätzung. Wer nimmt, hat den Nutzen und die Pflicht, seinerseits zu geben. Gleichzeitig strukturiert der Gabentausch die Gemeinschaft, er markiert die Machtvolleren von den weniger Mächtigen und sichert jedem seinen Platz in der Gemeinschaft. Das gilt für den von Malinowski beobachteten Kula-Tauschhandel. Das gilt in einer abstrakteren Form aber auch für durchkapitalisierte Geld-Gesellschaften wie die unsere zum Beispiel über den Generationenvertrag. Diesen Rhythmus von Geben und Nehmen bezeichnete der Ethnologe Marcel Mauss in den 1920er-Jahren als das Fundament sozialer Beziehungen. Hahn:
"Für ihn war der Tausch der Schlüssel zum Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Warum zerfallen Gesellschaften nicht, wenn Individuen unterschiedlich sind. Gesellschaften halten zusammen, weil jeder Einzelne Gaben erwarten kann und jeder Einzelne akzeptiert, Gaben zu geben."
Der britische Ethnologe Bronislaw Malinowski war vor 100 Jahren überzeugt, dass er einer der Letzten sei, der den Tauschhandel der Trobriand-Inselbewohner beobachten konnte. Er war sicher, dass ihr Ritual des Tauschens untergehen würde. Ein Irrtum. Noch heute existiert in Ozeanien neben der Geldwirtschaft der Tausch von Muschelobjekten. Denn die Ketten und Armreifen dienten nicht in erster Linie dem ökonomischen Wohlstand, sondern einem sozialen. Es geht um Ansehen, Würde, Einbindung in die Gemeinschaft. Das hat das moderne Geld ihnen nicht geben können. Das gilt auch für andere Weltregionen. Bis heute findet man viele Beispiele des Nebeneinanders von Geld- und Tauschhandel, sagt Hahn:
"Es ist fast ein Problem, eine Gesellschaft zu finden, in der solche Tauschvorgänge nicht vorhanden sind."
Das liege daran, so der Frankfurter Ethnologe, dass im Tausch soziale und ökonomische Transaktionen besonders eng und direkt miteinander verbunden sind. Er erklärt dies am Beispiel der Brautpreiszahlungen in einer Region Westafrikas. Die Verhandlungen über Salzmengen und Ziegen als Brautgabe dienen dazu, verschiedene Verwandtschaftsgruppen zusammenzubringen.
"Am Ende einer solchen Verhandlung steht oft über Tage und Wochen hinweg das Geben und Gaben-Erwiderung, wobei die Erwiderung oft nicht mehr ist als ein Willkommenstrunk oder eine Mahlzeit und letztlich ein Fest, in dem jeder stolz vorzeigt, was er bekommen hat in diesem Tauschprozess. Geben und Nehmen hat hier an erster Stelle die Funktion den sozialen Ausgleich zwischen zwei Gruppen öffentlich zu machen, zu zeigen, wir sind eins, wir akzeptieren von beiden Seiten, dass diese Heirat zustande kommt."
Tauschen gegen die Krise: Beispiel Argentinien
"Hier in Chacarita gab es alles. Wir hatten alles an Lebensmitteln, Obst, Gemüse, Fleisch, was weiß ich. Später gab es auch Friseure, Maurer, Ärzte. Ich habe auch alles für meine Familie gekauft. Ich kaufte Obst, Gemüse, Brot, viel musste ich nicht mehr außerhalb kaufen. Jede Woche, würde ich sagen, sparte ich fast 50 Prozent von dem, was ich normalerweise ausgegeben hatte."
So beschreibt eine Argentinierin einen Tauschring in ihrem Stadtviertel. In den 1990er-Jahren entstanden überall in dem südamerikanischen Land solche Tauschklubs. Seit den 50er-Jahren befand sich die argentinische Wirtschaft in einem Abwärtstrend, der in der Zahlungsunfähigkeit des Staates im Dezember 2000 mündete. Anfangs sollten die Tauschringe vor allem als sozialer Marktplatz dienen und den Menschen weiter Kontakt und Teilnahme am nachbarschaftlichen Leben bieten, schreibt die Ethnologin Sigrun Preissing in ihrem Buch "Tauschen - Schenken - Geld?":
"Die Gründer hatten vorrangig das Ziel, einen Raum des Austausches zu schaffen, in dem auch Menschen agieren konnten, die vom formalen Markt ausgeschlossen waren. Sie sollten einerseits helfen, Bedürfnisse zu befriedigen und andererseits für Arbeitslose und Unterbeschäftigte eine sinnvolle und wertvolle Beschäftigung generieren. Die höheren Ziele der Organisatoren waren eine neue Form der Solidarität und gegenseitigen Hilfe."
Ein Modell, das angesichts der Krise rasant Nachahmer fand. Was im Mai 1995 mit 20 Menschen in Bernal, einem Bezirk von Buenos Aires begann, stieg innerhalb von sieben Jahren auf zweieinhalb Millionen Menschen in 5000 Klubs an. Längst hatte sich eine eigene Parallelwährung zum Peso gebildet, der Crédito, eine lokale Währung. Beispiele für solche Notgelder im Rahmen lokaler Tauschbewegungen gibt es viele. Während der Großen Depression in den USA wurden zwischen 1932 und 1935 in über 400 Städten und Gemeinden verschiedene Nebengelder von Nicht-Banken, wie Tauschringen, Kommunalverwaltungen und kaufmännischen Vereinigungen ausgegeben. Dort konnten Dienstleistungen gegen Naturalien oder Notgeld getauscht werden.
"Es gab in den 80er-Jahren in Kanada solche Experimente, es gab in der Zeit der Weltwirtschaftskrise in Österreich auf regionaler Ebene solche Versuche, es gab sie im Frühsozialismus in England."
Frank Schulz-Nieswand hat einen Lehrstuhl für Sozialpolitik an der Wirtschaftsfakultät der Universität Köln. Als Direktor des Seminars für Genossenschaftswesen befasst er sich mit kooperativen Formen des Wirtschaftens, wie beispielsweise den Tauschringen.
Kölner Bürger stellen ihre Talente in einem Tauschring anderen zur Auswahl. Hier gilt ein Festpreis: die Talentstunde. Eine Arbeitsstunde ist so wertvoll, wie die andere, egal ob sie mit Fensterputzen oder mit Steuerunterlagen verbracht wird. Hahn:
"Das Geben von Gaben, das Annehmen von Gaben, die Transaktion, die als ökonomische und soziale gesehen wird. Das ist sozusagen die Dimension, die heute in den Tauschringen wieder an die Oberfläche tritt und vielleicht auch mit dazu beiträgt, dass diese Tauschringe so attraktiv in den letzten Jahren geworden sind. Es geht darum, dass man hier eine Verbindung von sozialem Zusammen und ökonomischem Austausch findet, die vom Geld als solchem negiert wird."
Geld ist abstrakt - das gilt als sein großer Vorteil. Dafür bleibt der Käufer allein. Das ist im Tausch anders. Tauschhandel braucht und schafft Gemeinschaft. Über den Wert der Dinge oder Talente, die ausgetauscht werden, müssen sich die Menschen verständigen, zu einer gemeinsamen Wertschätzung kommen. Das ist neben finanzieller Not, ein Grund, warum Tauschringe heute wieder so aktuell sind. Und das haben sie mit einem anderen Trend des Wirtschaftens gemeinsam: dem Teilen. Vor allem junge Menschen wollen nicht mehr alles besitzen, sondern mit anderen teilen.
So beschreibt eine Argentinierin einen Tauschring in ihrem Stadtviertel. In den 1990er-Jahren entstanden überall in dem südamerikanischen Land solche Tauschklubs. Seit den 50er-Jahren befand sich die argentinische Wirtschaft in einem Abwärtstrend, der in der Zahlungsunfähigkeit des Staates im Dezember 2000 mündete. Anfangs sollten die Tauschringe vor allem als sozialer Marktplatz dienen und den Menschen weiter Kontakt und Teilnahme am nachbarschaftlichen Leben bieten, schreibt die Ethnologin Sigrun Preissing in ihrem Buch "Tauschen - Schenken - Geld?":
"Die Gründer hatten vorrangig das Ziel, einen Raum des Austausches zu schaffen, in dem auch Menschen agieren konnten, die vom formalen Markt ausgeschlossen waren. Sie sollten einerseits helfen, Bedürfnisse zu befriedigen und andererseits für Arbeitslose und Unterbeschäftigte eine sinnvolle und wertvolle Beschäftigung generieren. Die höheren Ziele der Organisatoren waren eine neue Form der Solidarität und gegenseitigen Hilfe."
Ein Modell, das angesichts der Krise rasant Nachahmer fand. Was im Mai 1995 mit 20 Menschen in Bernal, einem Bezirk von Buenos Aires begann, stieg innerhalb von sieben Jahren auf zweieinhalb Millionen Menschen in 5000 Klubs an. Längst hatte sich eine eigene Parallelwährung zum Peso gebildet, der Crédito, eine lokale Währung. Beispiele für solche Notgelder im Rahmen lokaler Tauschbewegungen gibt es viele. Während der Großen Depression in den USA wurden zwischen 1932 und 1935 in über 400 Städten und Gemeinden verschiedene Nebengelder von Nicht-Banken, wie Tauschringen, Kommunalverwaltungen und kaufmännischen Vereinigungen ausgegeben. Dort konnten Dienstleistungen gegen Naturalien oder Notgeld getauscht werden.
"Es gab in den 80er-Jahren in Kanada solche Experimente, es gab in der Zeit der Weltwirtschaftskrise in Österreich auf regionaler Ebene solche Versuche, es gab sie im Frühsozialismus in England."
Frank Schulz-Nieswand hat einen Lehrstuhl für Sozialpolitik an der Wirtschaftsfakultät der Universität Köln. Als Direktor des Seminars für Genossenschaftswesen befasst er sich mit kooperativen Formen des Wirtschaftens, wie beispielsweise den Tauschringen.
Kölner Bürger stellen ihre Talente in einem Tauschring anderen zur Auswahl. Hier gilt ein Festpreis: die Talentstunde. Eine Arbeitsstunde ist so wertvoll, wie die andere, egal ob sie mit Fensterputzen oder mit Steuerunterlagen verbracht wird. Hahn:
"Das Geben von Gaben, das Annehmen von Gaben, die Transaktion, die als ökonomische und soziale gesehen wird. Das ist sozusagen die Dimension, die heute in den Tauschringen wieder an die Oberfläche tritt und vielleicht auch mit dazu beiträgt, dass diese Tauschringe so attraktiv in den letzten Jahren geworden sind. Es geht darum, dass man hier eine Verbindung von sozialem Zusammen und ökonomischem Austausch findet, die vom Geld als solchem negiert wird."
Geld ist abstrakt - das gilt als sein großer Vorteil. Dafür bleibt der Käufer allein. Das ist im Tausch anders. Tauschhandel braucht und schafft Gemeinschaft. Über den Wert der Dinge oder Talente, die ausgetauscht werden, müssen sich die Menschen verständigen, zu einer gemeinsamen Wertschätzung kommen. Das ist neben finanzieller Not, ein Grund, warum Tauschringe heute wieder so aktuell sind. Und das haben sie mit einem anderen Trend des Wirtschaftens gemeinsam: dem Teilen. Vor allem junge Menschen wollen nicht mehr alles besitzen, sondern mit anderen teilen.
Nutzen statt besitzen
In Kiel gibt es Käsespätzle und selbst gemachte Marmelade, in München Biosojabohnen und in Cottbus Soßenbinder dunkel und Fruchtlutscher. Alles kostenfrei und zum selbst abholen, angeboten auf der Internetplattform Foodsharing.de. Über 3000 Lebensmittelkörbe wurden, laut Betreiber, seit Dezember letzten Jahres übergeben - rund 8400 Kilo Lebensmittel so vor dem Wegwerfen gerettet. Das Weitergeben von Nahrungsmitteln ist ein frisches Beispiel für den Trend "Nutzen statt besitzen". So lautet der Titel einer gemeinsamen Studie der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin mit dem Naturschutzbund Deutschland. Nora Löhle ist Politikwissenschaftlerin der Stiftung:
"Hinter diesem 'Nutzen statt besitzen' steckt ein ganz neuer Konsumstil, wenn man so möchte. Das heißt, im Vordergrund steht nicht mehr, Dinge zu besitzen, das Eigentum an einer Sache zu haben, sondern es geht darum, dass der Konsument nur Nutzen haben möchte. Eine ganz große Hilfe bietet da natürlich das Internet."
Gemeinschaftlichen Konsum nennen Wissenschaftler das Phänomen. Seine Wege sind modern und oft digital. Eine Studie der Leuphana-Universität Lüneburg im Auftrag des Vermittlers für Privatunterkünfte, Airbnb, kommt zu dem Schluss, dass zwölf Prozent der Bevölkerung in Deutschland mithilfe von Onlineportalen Dinge teilen. Bei den 14- bis 29-Jährigen sollen es sogar 25 Prozent sein. Kleider, Spielzeug, Bohrmaschinen, Bücher, Heckenschere oder Auto - teilen und tauschen ist billiger als kaufen, schont die Umwelt und man lernt dabei noch andere Menschen kennen. Ein ausbaufähiger Trend, befindet deshalb die aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung. Löhle:
"Das Internet als Kommunikationsplattform fördert das enorm. Und gerade die Jüngeren sind dafür offen, wachsen damit auf und sind das gewohnt, bevor sie nach einer Bahnfahrt schauen, schauen sie sich nach einer Mitfahrgelegenheit um. Das ist bei den jüngeren Zielgruppen durchaus schon an erster Stelle. Oder erst bei eBay-Kleinanzeigen zu schauen, ob sich vielleicht eine Waschmaschine gebraucht finde. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass dieser Trend nicht nur ein Trend bleiben muss, sondern tatsächlich einen Hauptaspekt im Konsumverhalten ausmachen kann in Zukunft."
Unternehmen müssen sich auf eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsform einstellen. Das ist kurz gefasst auch das Resümee aus einer im Mai veröffentlichten Studie der Universität des Saarlandes. In fünf Großstädten wurden Konsumenten nach ihren Motiven und Barrieren für neuartige Leihkonzepte befragt. Ein Hauptmotiv, so die Studie, sei die Ablehnung von Konsumwahn und billig Produkten. Die Wirtschaft muss umdenken, meint auch der Wirtschaftssoziologe Frank Schulze-Nieswand:
"Es könnte Absatzprobleme geben. Es gibt Zahlen, die deuten darauf hin, dass vor allem ein Teil der Jugend nicht mehr so viel Wert legt auf ein eigenes Auto. Wenn das rapide Trends sind, geht der Absatz zurück. Auf der anderen Seite entstehen auch wieder andere Nachfragen. Also es geht eigentlich um Strukturwandel."
Der Trendforscher Peter Wippermann aus Hamburg sieht angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung nicht nur einen neuen Konsumtrend, sondern eine neue soziale Bewegung. Sozialer Reichtum sei angesagt und weniger der Eigennutz. Er glaubt, dass künftige Generationen stärker soziale Beziehungen und digitale Netzwerke pflegen anstatt Aktien.
"Hinter diesem 'Nutzen statt besitzen' steckt ein ganz neuer Konsumstil, wenn man so möchte. Das heißt, im Vordergrund steht nicht mehr, Dinge zu besitzen, das Eigentum an einer Sache zu haben, sondern es geht darum, dass der Konsument nur Nutzen haben möchte. Eine ganz große Hilfe bietet da natürlich das Internet."
Gemeinschaftlichen Konsum nennen Wissenschaftler das Phänomen. Seine Wege sind modern und oft digital. Eine Studie der Leuphana-Universität Lüneburg im Auftrag des Vermittlers für Privatunterkünfte, Airbnb, kommt zu dem Schluss, dass zwölf Prozent der Bevölkerung in Deutschland mithilfe von Onlineportalen Dinge teilen. Bei den 14- bis 29-Jährigen sollen es sogar 25 Prozent sein. Kleider, Spielzeug, Bohrmaschinen, Bücher, Heckenschere oder Auto - teilen und tauschen ist billiger als kaufen, schont die Umwelt und man lernt dabei noch andere Menschen kennen. Ein ausbaufähiger Trend, befindet deshalb die aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung. Löhle:
"Das Internet als Kommunikationsplattform fördert das enorm. Und gerade die Jüngeren sind dafür offen, wachsen damit auf und sind das gewohnt, bevor sie nach einer Bahnfahrt schauen, schauen sie sich nach einer Mitfahrgelegenheit um. Das ist bei den jüngeren Zielgruppen durchaus schon an erster Stelle. Oder erst bei eBay-Kleinanzeigen zu schauen, ob sich vielleicht eine Waschmaschine gebraucht finde. Deshalb sind wir der Überzeugung, dass dieser Trend nicht nur ein Trend bleiben muss, sondern tatsächlich einen Hauptaspekt im Konsumverhalten ausmachen kann in Zukunft."
Unternehmen müssen sich auf eine neue Wirtschafts- und Gesellschaftsform einstellen. Das ist kurz gefasst auch das Resümee aus einer im Mai veröffentlichten Studie der Universität des Saarlandes. In fünf Großstädten wurden Konsumenten nach ihren Motiven und Barrieren für neuartige Leihkonzepte befragt. Ein Hauptmotiv, so die Studie, sei die Ablehnung von Konsumwahn und billig Produkten. Die Wirtschaft muss umdenken, meint auch der Wirtschaftssoziologe Frank Schulze-Nieswand:
"Es könnte Absatzprobleme geben. Es gibt Zahlen, die deuten darauf hin, dass vor allem ein Teil der Jugend nicht mehr so viel Wert legt auf ein eigenes Auto. Wenn das rapide Trends sind, geht der Absatz zurück. Auf der anderen Seite entstehen auch wieder andere Nachfragen. Also es geht eigentlich um Strukturwandel."
Der Trendforscher Peter Wippermann aus Hamburg sieht angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Verunsicherung nicht nur einen neuen Konsumtrend, sondern eine neue soziale Bewegung. Sozialer Reichtum sei angesagt und weniger der Eigennutz. Er glaubt, dass künftige Generationen stärker soziale Beziehungen und digitale Netzwerke pflegen anstatt Aktien.
Der Gemeinschaftsgarten Eden
"Das hier ist 'Neuland'. Wir befinden uns auf einer großen Stadtbrache. Wir wissen von dieser Fläche, dass sie auf jeden Fall noch ein paar Jahre brachliegen wird. Und wir wollen aus diesem Raum was richtig Schönes für die Bürger machen."
Wo früher Kappesfelder wuchsen, stand lange eine Brauerei und nach ihrem Abriss herrschte eine leere Brache im Kölner Süden. Die hat im letzten Jahr eine Bürgerinitiative erobert und in eine blühende Landschaft verwandelt. In diesem Sommer wachsen hier zum ersten Mal wieder Gemüse, Kräuter und Obst. In diesem offenen Nachbarschaftsgarten gehen teilen und tauschen ineinander über. Die einen geben Arbeit und nehmen Früchte, tauschen untereinander die Ernte, teilen die Verantwortung für den gesamten Garten. Andere kümmern sich um den Aufbau eines Cafés, organisieren ein Kulturprogramm. Alle teilen sie den Ort und den Ertrag mit ihren Nachbarn.
"Gemeinschaftsgarten, das ist ja ein völlig neues Konzept, da gibt es keine Vorbilder. Wie geht man mit gemeinschaftlich erwirtschafteten Gütern um, da müssen wir Erfahrungen sammeln."
Gemeinsam etwas schaffen, mit anderen teilen statt allein besitzen, zusammen im Auto fahren statt allein - all das schont den privaten Geldbeutel, die Umwelt und stiftet im besten Fall Gemeinschaftssinn. Der Ethnologe Hans-Peter Hahn sieht durchaus Unterschiede in den Praktiken von Tauschen und Teilen. Was sie aber im Grundsatz eint, ist der Wunsch ökonomische Notwendigkeit mit sozialer Verantwortung und gemeinschaftlichem Handeln zu verknüpfen, so die Einschätzung von Hans Peter Hahn:
"Was die Verbindung herstellt, ist die soziale Einbettung ökonomischer Transaktionen. In beiden Fällen geht es darum, ganz nach den Regeln von Marcel Mauss, die Verbindlichkeit von Transaktionen als soziale Verbindlichkeit auch anzuerkennen und das bewusst und auch artikuliert zu leben."
Wo früher Kappesfelder wuchsen, stand lange eine Brauerei und nach ihrem Abriss herrschte eine leere Brache im Kölner Süden. Die hat im letzten Jahr eine Bürgerinitiative erobert und in eine blühende Landschaft verwandelt. In diesem Sommer wachsen hier zum ersten Mal wieder Gemüse, Kräuter und Obst. In diesem offenen Nachbarschaftsgarten gehen teilen und tauschen ineinander über. Die einen geben Arbeit und nehmen Früchte, tauschen untereinander die Ernte, teilen die Verantwortung für den gesamten Garten. Andere kümmern sich um den Aufbau eines Cafés, organisieren ein Kulturprogramm. Alle teilen sie den Ort und den Ertrag mit ihren Nachbarn.
"Gemeinschaftsgarten, das ist ja ein völlig neues Konzept, da gibt es keine Vorbilder. Wie geht man mit gemeinschaftlich erwirtschafteten Gütern um, da müssen wir Erfahrungen sammeln."
Gemeinsam etwas schaffen, mit anderen teilen statt allein besitzen, zusammen im Auto fahren statt allein - all das schont den privaten Geldbeutel, die Umwelt und stiftet im besten Fall Gemeinschaftssinn. Der Ethnologe Hans-Peter Hahn sieht durchaus Unterschiede in den Praktiken von Tauschen und Teilen. Was sie aber im Grundsatz eint, ist der Wunsch ökonomische Notwendigkeit mit sozialer Verantwortung und gemeinschaftlichem Handeln zu verknüpfen, so die Einschätzung von Hans Peter Hahn:
"Was die Verbindung herstellt, ist die soziale Einbettung ökonomischer Transaktionen. In beiden Fällen geht es darum, ganz nach den Regeln von Marcel Mauss, die Verbindlichkeit von Transaktionen als soziale Verbindlichkeit auch anzuerkennen und das bewusst und auch artikuliert zu leben."