Nord Stream 2
Warum Manuela Schwesig und die Klimastiftung MV in der Kritik stehen

Die Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern sah sich von Beginn an mit dem Vorwurf konfrontiert, vor allem dem Bau der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 zu dienen. Welche Rolle Russland und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei der Gründung spielten, soll nun ein Untersuchungsausschuss klären.

    Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, besucht am Industriehafen Lubmin die Gas-Anlandestation der Ostseepipeline Nord Stream 2 (aufgenommen am 15.10.2020)
    Manuela Schwesig an der Gas-Anlandestation der Pipeline (aufgenommen 2020). Umweltschutzverbände werfen der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ vor, von Anfang an als Tarnorganisation der Nord Stream 2 AG fungiert zu haben. (picture alliance/dpa-Zentralbild/Jens Büttner)
    Am 17. Mai hat der Vorstand der Klimastiftung seinen Rücktritt für voraussichtlich Ende September angekündigt. Damit soll der Weg für eine vom Landtag geforderte Auflösung der umstrittenen Stiftung freigemacht werden. Inzwischen hat der Schweriner Landtag einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Hintergründe der landeseigenen „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ aufarbeiten soll. Beantragt hatte den Ausschuss die Opposition aus CDU, Grünen und FDP.
    Schwesig wird vorgeworfen, die – laut Satzung auch zu Zwecken des Umwelt- und Naturschutz existierende – Stiftung Anfang 2021 hauptsächlich deshalb gegründet zu haben, damit die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 trotz US-Sanktionsdrohungen fertiggestellt werden kann. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gestand Schwesig Fehler ein und bemüht sich seitdem auch, die Stiftung aufzulösen - was sich jedoch schwierig gestaltet.
    Die Gaspipeline Nord Stream 2 war im Herbst 2021 fertiggestellt worden, hat aber wegen der russischen Invasion in der Ukraine bisher keine Betriebserlaubnis erhalten.


    Was ist der offizielle Zweck der Stiftung?

    Laut Satzung der Stiftung ist ihr Zweck grob zweigeteilt: Zum einen gibt es einen gemeinwohlorientierten Bereich, der unter anderem die „Durchführung und Förderung von Maßnahmen und Projekten des Klimaschutzes in Mecklenburg-Vorpommern“ zur Aufgabe hat. Parallel existiert (beziehungsweise existierte) in der Organisation auch ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, dessen Aufgabe vorrangig die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 war.

    Welchen Zweck verfolgte die Stiftung laut Kritikern tatsächlich?

    Kritiker werfen der Landesregierung vor, die Umweltstiftung nur gegründet zu haben, um Nord Stream 2 trotz angekündigter US-Sanktionen fertig bauen zu können. Kurz vor dem Zeitpunkt der Stiftungsgründung hatte die US-Regierung unter Präsident Joe Biden weitere Strafmaßnahmen gegen das Pipeline-Projekt angekündigt. Unter anderem drohte Washington mit Sanktionen gegen Privatunternehmen, die sich am Bau der Ostseeleitung beteiligten. Ziel der Biden-Administration war es, die Fertigstellung des umstrittenen Großprojekts zu verhindern.
    Die Landesregierung in Schwerin wiederum wollte trotz aller Widerstände an Nord Stream 2 festhalten und kam dabei auf die Idee der Gründung einer landeseigenen Stiftung. Den entsprechenden Kniff skizzierte der „Nordkurier“ bereits im Dezember 2020, als erste Pläne durchgesickert waren:
    „Der Plan ist demnach, dass unter dem Dach dieser gemeinnützigen Stiftung Unternehmen weiter an der Fertigstellung von Nord Stream 2 arbeiten können, da sie im Sinne des Stiftungszweckes agieren. Die Unterstützung von Forschung, Sicherung der Energieversorgung, Fort- und Weiterbildungen sowie Kooperationen werden in den Medienberichten genannt. Zudem könnten am Bau der Pipeline beteiligte Unternehmen so auch unter einen staatlichen Schutzschirm vor US-Sanktionen gestellt werden.“
    Durch die Übertragung des Baus von Nord Stream 2 an das rechtliche Gebilde einer Landesstiftung sollte demnach verhindert werden, dass sich Unternehmen aus Angst vor US-Strafmaßnahmen aus dem Projekt zurückziehen. Dies war zwar ein juristischer Winkelzug, konnte zu diesem Zeitpunkt aber auch als legitime Gegenwehr gegen Washingtoner Attacken auf die bundesdeutsche Souveränität gewertet werden.

    Welche Rolle spielte Gazprom bei der Stiftungsgründung?

    Größter Geldgeber der Stiftung war die Nord Stream 2 AG mit 20 Millionen Euro. Das Unternehmen mit Firmensitz in der Schweizerischen Stadt Zug gehört zu 100 Prozent dem russischen Staatskonzern Gazprom. Mittlerweile hat die Nord Stream 2 AG alle Mitarbeitenden entlassen und gilt als zahlungsunfähig. Das Land Mecklenburg-Vorpommern selbst steuerte lediglich 200.000 Euro zum Gründungskapital der „Klima- und Umweltschutz MV“ bei.
    Bereits im Januar 2021 bezeichnete der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff die damals noch in Planung befindliche Stiftung im Deutschlandfunk als „Fake-Stiftung“. 99 Prozent des Geldes komme direkt von der Nord Stream 2 AG. Die Stiftung diene damit allein dem Vorhaben, die Pipeline in der Ostsee fertigzustellen.
    Dazu kommt inzwischen der Vorwurf eines Steuervergehens im Zusammenhang mit der Stiftungsgründung: „Es gab 20 Millionen Euro, die geschenkt worden sind von Gazprom an eine landeseigene Stiftung. Das ist an sich schon schwierig. Aber in diesem Augenblick, in dem das passiert ist, hätte Schenkungssteuer bezahlt werden müssen", erläuterte der Grünen-Vorsitzende Omind Nouripour im Deutschlandfunk und ergänzte: "Jetzt hört man, die Unterlagen seien jetzt im Finanzamt verschwunden.“
    Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), läuft noch eine Prüfung, ob die Stiftung von der Schenkungssteuer befreit ist.
    Bekannt ist mittlerweile ebenfalls, dass Vertreter der Nord Stream 2 AG an der Formulierung der Stiftungssatzung beteiligt waren – eine Sachlage, die den Vorwurf von Umweltschutzverbänden verstärkt, die Stiftung habe von Anfang an als Tarnorganisation der Nord Stream 2 AG gearbeitet. Auf diese Vorwürfe reagierte Vorstandschef Sellering mit dem Verweis, dass für die Tätigkeit des wirtschaftlichen Geschäftsbereichs weder Stiftungs- noch Steuergelder eingesetzt worden seien.

    Warum existiert die Stiftung noch immer?

    Unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, die Stiftung aufzulösen. Das befürwortete zu diesem Zeitpunkt dann auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Allerdings wehrte sich zunächst der Stiftungsvorstand dagegen, dem neben Sellering der CDU-Politiker Werner Kuhn und die Unternehmerin Katja Enderlein angehören. Er argumentierte, dass eine Auflösung rechtswidrig sei und beauftragte dazu sogar ein Rechtsgutachten.
    Mitte Mai lenkte der Vorstand dann ein und einigte sich mit Ministerpräsidentin Schwesig darauf, voraussichtlich Ende September geschlossen die Ämter niederzulegen. Zuvor soll der wirtschaftliche Geschäftsbereich der Stiftung geordnet abgewickelt werden. Im Anschluss will die Landesregierung das Ziel weiterverfolgen, die Stiftung aufzulösen, hierzu soll ein Auflösungsvorstand berufen werden.
    Selbst die Auflösung in die Wege zu leiten, kommt für Vorstandchef Sellering weiterhin nicht in infrage. Auf einer Pressekonferenz betonte er seinen bisherigen Standpunkt, wonach dies rechtlich nicht möglich ist. Dabei beruft er sich auf ein vom Stiftungsvorstand beauftragtes Gutachten der Bochumer Rechtswissenschaftlerin Katharina Uffmann. Das kam zum Ergebnis, dass eine Auflösung mit den Vorgaben der Satzung und den gesetzlichen Regelungen nicht im Einklang stehe.
    Die Landesregierung zeige sich dennoch optimistisch. Sie beruft sich auf ein eigenes Rechtsgutachten, laut dem die Auflösung rechtskonform möglich ist. Schwesig stellte zudem klar, dass die Landesregierung bei der angestrebten Auflösung die rechtliche Verantwortung übernimmt. Gelingt die Auflösung, sollen die Klimaschutzprojekte der Stiftung von der Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern übernommen werden. Dies will das Land mit fünf Millionen Euro finanzieren.

    Welche Rolle spielt Manuela Schwesig?

    Die Hängepartie um den Fortbestand der Stiftung bringt Schwesig weiter in Bedrängnis. Sie hatte zwar unmittelbar nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine ihren lange Zeit russlandfreundlichen Kurs revidiert und die Unterstützung von Nord Stream 2 sowie die Stiftungsgründung als Fehler bezeichnet. Doch wegen der seither bekannt gewordenen Kontakte der Landesregierung zur Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG steht sie weiter massiv in der Kritik.
    Schwesig hatte seit ihrem Amtsantritt als Regierungschefin 2017 zu den vehementesten Verfechtern der Gasleitung durch die Ostsee gehört. Sie hat auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, warum ihre Landesregierung die Umweltstiftung Anfang 2021 gegründet hat und dass es neben der Förderung von Klima- und Umweltschutzprojekten in Mecklenburg-Vorpommern auch einen zeitweiligen Nebenzweck gab.
    Auch in der Satzung der Stiftung wird erwähnt, dass sich der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb vorrangig an der Vollendung der Pipeline beteiligen solle. Hingegen eher unklar bleibt bislang die Antwort auf die Frage, wie groß der Einfluss der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG auf die Stiftung im Detail gewesen ist. In welchem Ausmaß der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb bei der Fertigstellung der Ostseepipeline wirklich geholfen hat, soll der parlamentarische Untersuchungsausschuss erst klären.
    Der Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Ehlers, warf der Landesregierung in diesem Zusammenhang Intransparenz vor: „Tarnen, täuschen und tricksen standen auf der Tagesordnung“, sagte er im Dlf. Geklärt werden müsse auch, ob Schwesig im Zusammenhang mit der Stiftung im Landtag immer die Wahrheit gesagt habe, so Ehlers.
    Unabhängig vom Ausgang der parlamentarischen Aufarbeitung bleibt für Schwesig ein Problem, das für sich allein schon ein Rücktrittsgrund sein könnte: fehlende Glaubwürdigkeit. Denn mit der Abwicklung, die ebenso plötzlich kommt wie ihre Gründung, bestätigt die Ministerpräsidentin in gewisser Weise nachträglich den Vorwurf, die Klimastiftung sei einzig als Fassade für den Piplinebau gedacht gewesen.
    Quellen: dpa, klimastiftung-mv.de, Silke Hasselmann, nordkurier.de, wikipedia, jma