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Schwierige Aufarbeitung

300.000 Juden wurden während des Zweiten Weltkrieges unter dem Regime des pro-faschistischen Diktators Antonescu in Rumänien ermordet. Doch erst 2003 begann die Regierung mit der Aufarbeitung der Geschehnisse und initiierte eine Historikerkommission. Die Schulbücher beinhalten inzwischen ein Kapitel zum Thema "Völkermord", was nicht bedeutet, dass das Thema im Unterricht gerne gesehen wird. In der Schule einer südrumänischen Kleinstadt bietet ein Lehrer einen freiwilligen Kurs an - und wird nun als "Agent Israels" abgestempelt. Keno Verseck berichtet:

    "Die Lager" - so lautet das Thema der heutigen Stunde. Der Lehrer Daniel Serafimescu verteilt großformatige Bilder an die Schüler der sechsten Klasse. Es sind die berühmtesten Bilder des Holocaust: die Selektion an der Rampe in Auschwitz, Häftlinge auf Holzpritschen, Kinder auf dem Weg in die Gaskammer. Die Schüler sitzen in Vierergruppen zusammen, sie sprechen zuerst untereinander über die Bilder, dann schildern sie ihre Eindrücke vor der Klasse.

    Die Allgemeinschule in Topoloveni, ein 10.000-Einwohner-Städtchen in Südrumänien. Der Lehrer Daniel Serafimescu unterrichtet die "Geschichte des Holocaust". Eine Sensation, denn die Vernichtung der Juden in Europa ist an rumänischen Schulen kaum Thema. Und schon gar nicht, sagt Serafimescu, wolle man wahrhaben, welchen Beitrag Rumänien leistete.

    "Es gibt einerseits die offizielle Tendenz, die anerkennt, dass es in Rumänien einen Holocaust gab. Man verdammt ihn, aber oft scheint es wie eine Verpflichtung, die man eben gegenüber der EU oder internationalen Foren hat. Andererseits bestreiten sehr viele Menschen den Holocaust oder meinen, die Juden hätten den Rumänen viel Schlechtes angetan und daher ihr Schicksal verdient. Diese Leute sind nicht nur Antisemiten, sondern auch gegen Roma und xenophob. Leider tut das Schulsystem zu wenig, um diese Mentalität zu ändern."

    Nachdem Daniel Serafimescu angefangen hatte, die Geschichte des Holocaust zu unterrichten, bekam er selbst zu spüren, wie groß der Unwillen ist, die Vergangenheit zu thematisieren.

    "Einige Kollegen haben den Eltern gesagt, es sei nicht gut, dass den Kindern Leichenberge gezeigt würden. Andere meinten, der Holocaust wäre nicht unser Problem, es habe ihn bei uns nicht gegeben. Wiederum andere haben verbreitet, ich sei womöglich ein Agent Israels. Wenn ich mit soviel Pathos und Vehemenz hinter meinem Unterricht stünde, hätte ich wohl andere Interessen als die eines Lehrers, der seine Pflicht tut."

    Daniel Serafimescu ist 33 Jahre alt, ein blonder, schlaksiger und zurückhaltend-freundlicher Mann. Bis vor einigen Jahren, erzählt er, hat ihn das Thema Holocaust selbst nicht interessiert. Doch dann erfuhr er im Jahr 2005 durch Zufall von einer Bildungsreise für Lehrer zur Jad-Vashem-Gedenkstätte in Israel, bewarb sich und wurde angenommen. Nach seiner Rückkehr beschloss er, seinen Schülern einen fakultativen Kurs über die Geschichte des Holocaust anzubieten. Zunächst gab es im Schuljahr 2006/2007 einen Pilotkurs für die sechste Klasse, der reguläre Kurs begann im Herbst letzten Jahres. Die 13jährige Mihaela erzählt, warum sie kommt:

    "Ich hatte den Begriff Holocaust schon als Kind gehört, wusste aber nicht, was er bedeutete. In meiner Familie gab es niemanden, der mir dazu etwas sagen konnte. Jetzt habe ich erfahren, zu welchen Taten Leute wie Hitler imstande waren, und es hat mich schockiert. Ich denke, es ist wichtig, Menschen nicht danach zu beurteilen, welche Hautfarbe sie haben, wie sie sich anziehen oder wo sie leben."

    Wie Mihaela machen auch die meisten anderen Schüler einen offenen, wissbegierigen Eindruck. Es ist freilich unklar, wie lange sie noch am Kurs teilnehmen können. Bereits letztes Jahr sollte er gestrichen werden, erst auf Anweisung des Bildungsministeriums und des Kreisschulamtes durfte Serafimescu überhaupt weitermachen. Es könnte sein, sagt er, dass das nur eine Gnadenfrist war.

    "Ich hatte eigentlich vor, den Kurs auch nächstes Jahr anzubieten. Inzwischen habe ich erfahren, dass der Rat der Lehrer andere fakultative Kurse geplant hat, so dass für meinen keine Zeit mehr wäre. Jetzt wählt man also nicht mehr den frontalen Weg mich anzugreifen, sondern einen formal-legalistischen. Noch weiß ich nicht, wie es weitergehen wird, aber ich werde jedenfalls nicht einfach so aufgeben."