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Schwierige Aufklärung

Im Hafen von Iskenderun in der Türkei liegen seit vergangenen Samstag drei Schiffe der Gaza-Hilfsflotte. Ende Mai wurden die Frachter vom israelischen Militär erstürmt.

Von Ulrich Pick |
    Seit vergangenen Samstag hat der Hafen von Iskenderun am östlichsten Zipfel der türkischen Mittelmeerküste eine gewisse politische Bedeutung erlangt. Denn dort liegen jetzt drei Schiffe der sogenannten Gaza-Hilfflotte, welche das israelische Militär Ende Mai erstürmt hatte. Jerusalem hatte nämlich am Wochenende fünf der insgesamt sechs Boote wieder freigegeben – drei türkische und zwei griechische. Am Montag nahm ein Sicherheitskommando des türkischen Militärs die heimgekehrten Schiffe unter die Lupe, seit gestern sind – quasi parallel zur Untersuchung der Vereinten Nationen in derselben Sache – auch andere Personen auf Deck zugelassen. Einer von ihnen ist Ramazan Aritürk, Anwalt eines der neun Todesopfer, die die Erstürmung forderte:

    "Auf der Mavi-Marmara, dem Hauptschiff, das geentert wurde, gehen wir Beweisspuren nach. Wir gehen unter anderem den Fragen nach, welche Art von Waffen eingesetzt wurden, wie und wo die Opfer getötet wurden. In der Untersuchungskommission wird untersucht, ob es Menschenrechtsverletzungen gegeben hat."

    Auch wenn sich die Aufregung über die Erstürmung der Flotte in der Türkei mittlerweile deutlich gelegt hat, die Entwicklungen sowohl in Iskenderun als auch bei der Untersuchungskommission werden mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Denn man fühlt sich durch die Einrichtung des UN-Gremiums gestärkt, denn immerhin hat sich Israel nach langem Zögern zu einer Mitarbeit bereit erklärt – ein Schritt, der am Bosporus zwar nicht mit allzu lauter, gleichwohl aber mit sehr großer Genugtuung zur Kenntnis genommen wird. Entsprechend sagt Murat Mercan, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Ankaraner Parlament:

    "Wenn ein internationaler Untersuchungsausschuss gerecht und objektiv sein will, muss er jegliche Art von Untersuchung vornehmen können. Das ist ein Muss. So, wie man natürlicherweise auch den Kapitän der Mavi-Marmara befragen wird, oder die Passagiere, so wird man selbstverständlich auch die beteiligten Soldaten vernehmen wollen. Eine alle Details umfassende Untersuchung ist die Voraussetzung für ein gerechtes, objektives, ja, richtiges Ergebnis."

    Das Selbstvertrauen der Türkei in der seit nunmehr fast einem Vierteljahr anhaltenden Angelegenheit ist nicht zu übersehen. Immerhin hat Jerusalem mittlerweile zwei der insgesamt vier Forderungen Ankaras in Sachen Flottenerstürmung erfüllt. Man hat fast alle Schiffe zurückgegeben und trotz heftigem, anfänglichen Widerstand in die Zusammenarbeit einer unabhängigen Untersuchung eingewilligt. Ob auch die beiden anderen Forderungen erfüllt werden – eine Entschädigung und eine offizielle Entschuldigung – ist zur Stunde noch offen. Gleichwohl unterstreicht Murat Mercan:

    "Die Forderungen der Türkei sind sehr eindeutig. Der heutige Stand ist das Ergebnis von massivem, auch internationalem Druck auf Israel. Ergo wird es am Ende so sein, dass diese Kommission Zugang zu sämtlichen Unterlagen und Aussagen bekommen wird. Dafür müssen wir mit fortwährendem diplomatischem Druck sorgen."

    Aus türkischer Sicht jedenfalls – und das kann man auch in den Zeitungskommentaren nachlesen – sieht man sich auf der Straße des Siegers. Wem, so heißt es, ist es bislang sonst gelungen, Israel in einer solch brisanten Angelegenheit die Zustimmung zu einer unabhängigen Untersuchung abzutrotzen. Einer der Gründe für diesen Schritt dürfte vor allem der mittlerweile gemäßigte Ton Ankaras sein. Denn das Geschrei der ersten Tage nach der Flottenerstürmung hat sich deutlich gelegt. Dennoch aber hat sich an der empörten, israelskeptischen Haltung der Bevölkerung kaum etwas geändert:

    "Der Ausschuss kann die Toten nicht mehr zum Leben erwecken. Verspätete Gerechtigkeit, verspäteter Druck, ein terroristischer Staat... was soll man da noch sagen? Gott kann leider nicht ohrfeigen... Es wird sich durch die Kommission nicht viel ändern. Die werden alle die drei Affen spielen, nach dem Motto: Ich höre nichts, ich sage nichts, ich sehe nichts! Denn schließlich haben wir es hier mit Israel zu tun."

    "Meiner Meinung nach kommt da nichts raus. An Israels immerwährender Haltung hat sich ja nichts geändert. Und ich denke, es wird sich auch nichts ändern an den Vereinigten Staaten."