Seit mehr als zehn Jahren sind Nordmazedonien und Albanien Beitrittskandidaten für die Europäische Union. Doch immer wieder stockt das Vorhaben. In den Ländern löste das zum Teil schwere Krisen aus. Kanzlerin Angela Merkel will die Gespräche nun voranbringen: "Während unserer Präsidentschaft sollten wir alles daransetzen, auch auf drei weiteren außenpolitischen Feldern Fortschritte zu erzielen. Zum einen bei der Beitrittskonferenz zumindest mit Nordmazedonien, gegebenenfalls auch Albanien, einem wichtigen Schritt auf dem Weg, den Staaten des Westbalkan eine Beitrittsperspektive zu geben."
Kleine Schritte in Richtung EU
Eine Konferenz, eine Perspektive, ein kleiner Schritt nach vorn: So klingt es stets, wenn auf höherer Ebene von Südosteuropa die Rede ist. Tatsächlich hat wenigstens das kleine Nordmazedonien eine weitere Stufe erklommen, wenn es, wie Kanzlerin Angela Merkel es in Aussicht stellt, noch in diesem Jahr endlich Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union aufnehmen kann. 15 Jahre nachdem das Land als Kandidat anerkannt wurde. Das mag langsam erscheinen, unerträglich langsam zuweilen, aber der Weg ist immerhin klar: Erst müssen die Kandidaten Reformen durchsetzen, dann gibt es Verhandlungen, dann weitere Reformen. Am Ende steht die Mitgliedschaft: Das ist die Logik des Beitrittsprozesses.
Allerdings zeigen Länder wie Serbien, dass es auch Rückschritte gibt. Schon seit sechs Jahren wird über den Beitritt verhandelt, doch das Land ist heute praktisch eines ohne Opposition – und seit Monaten sogar ohne Regierung. Alles wird hier im Büro des Präsidenten entschieden. Bis vor vier Jahren war von einem Willen zur Reform auch in Mazedonien, wie das Land damals noch hieß, nichts zu sehen, im Gegenteil: Ein autoritärer Regierungschef manipulierte Wahlen, sicherte sich die Kontrolle über die Medien, ließ Gegner einsperren. Dass ein Land Beitrittsverhandlungen führt, heißt nicht, dass es nicht auch in undemokratische Verhältnisse abkippen könnte – und selbst die Mitgliedschaft in der EU feit nicht gegen Autoritarismus, wie man am Beispiel Ungarn sehen kann.
Allerdings zeigen Länder wie Serbien, dass es auch Rückschritte gibt. Schon seit sechs Jahren wird über den Beitritt verhandelt, doch das Land ist heute praktisch eines ohne Opposition – und seit Monaten sogar ohne Regierung. Alles wird hier im Büro des Präsidenten entschieden. Bis vor vier Jahren war von einem Willen zur Reform auch in Mazedonien, wie das Land damals noch hieß, nichts zu sehen, im Gegenteil: Ein autoritärer Regierungschef manipulierte Wahlen, sicherte sich die Kontrolle über die Medien, ließ Gegner einsperren. Dass ein Land Beitrittsverhandlungen führt, heißt nicht, dass es nicht auch in undemokratische Verhältnisse abkippen könnte – und selbst die Mitgliedschaft in der EU feit nicht gegen Autoritarismus, wie man am Beispiel Ungarn sehen kann.
Wechselseitige Schuldzuweisungen
So konnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gute Gründe ins Feld führen, als er vor knapp einem Jahr sein Veto gegen Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien einlegte: "Die Agenda der Osterweiterung ist nicht passend. Sie ist nicht differenziert genug. Der Prozess ist mir auch nicht politisch genug. Und er muss ganz klar umkehrbar sein. Sonst ist er nicht glaubwürdig." An Glaubwürdigkeit allerdings mangelte es aus Sicht vieler Nordmazedonier auch bei Macron. Viele fragten sich: Steht der französische Präsident tatsächlich hinter dem Grundsatz: Die Beitrittskandidaten reformieren sich, dafür nimmt sie die EU als neue Mitglieder in ihre Mitte auf? Und: Ging es ihm wirklich um bessere Regeln im Beitrittsprozess?
Nikola Dimitrov, der nordmazedonische Vize-Premierminister sieht Unehrlichkeit auf beiden Seiten: "Wegen der Verzögerungen beim Beitritt haben wir beide, sowohl die Beitrittskandidaten als auch die Mitgliedsländer, Scharade gespielt: Die Länder der Region gaben vor, sie wollten sich reformieren, und die EU-Staaten taten so, als hätten sie ein Interesse an der Erweiterung." Die EU habe gerade viele andere Sorgen, meint Nikola Dimitrov. Da lässt sich schlussfolgern: Manchen EU-Staaten kommt es geradezu gelegen, wenn die Balkanstaaten wegen fehlender Reformen sich noch nicht beitrittsreif erweisen.
Eine Situation, die beiden Seiten nütze, sagt Florian Bieber vom Zentrum für Südosteuropa-Studien an der Universität Graz: "Das heißt, es ist eine Symbiose oftmals zwischen den Autokraten der Region, denen es guttut, wenn sie die Schuld in die Schuhe der Mitgliedsstaaten schieben können, und es tut den Mitgliedsstaaten, die keinen Beitritt wollen, ganz gut, wenn sie die Schuld für die fehlende Erweiterung den Autokraten der Region in die Schuhe schieben können."
Macrons Veto kostet nordmazedonische Reformer fast das Amt
Nordmazedoniens Vize-Premier Nikola Dimitrov hätte wohl Grund, sich ebenso drastisch auszudrücken wie Balkanexperte Bieber. Denn Dimitrov kennt das Spiel aus eigener Erfahrung. Zusammen mit dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev löste er vor fast vier Jahren den autoritären Kurs des damaligen Regierungschefs Nikola Gruevski ab. Dimitrov schaffte es in den dann folgenden Jahren sogar, das größte Hindernis seines Zwei-Millionen-Einwohner-Landes auf dem Weg in die EU zu überwinden: Er handelte mit Griechenland das historische Prespa-Abkommen aus und setzte durch, dass sein Land gegen den Widerstand nationalistischer Parteien seinen Namen änderte.
Im Januar 2019 wurde Mazedonien zu Nordmazedonien. Bitter für die neue, reformwillige Regierung um Zoran Zaev und Nikola Dimitrov war, dass ausgerechnet sie das Veto aus Paris traf. Fast hätte sie das dauerhaft ihr Amt gekostet, erzählt die nordmazedonische Wissenschaftlerin und Politik-Beobachterin Katerina Kolozova in Skopje: "Das war schon eine ziemlich traumatische Erfahrung für die gesamte Gesellschaft, besonders für die Regierung um Zoran Zaev und Nikola Dimitrov, die für das Abkommen mit Griechenland ihre Popularität riskiert haben."
Zaev und Dimitrov hatten die Namensänderung nur durchgesetzt, weil Belohnung aus Europa winkte: der Beginn von Beitrittsverhandlungen. Nach dem Veto Frankreichs blieb diese Belohnung aus. Wider Erwarten schafften es die pro-europäischen Reformer dann aber doch, bei der Parlamentswahl diesen Juli ihre Mehrheit knapp zu verteidigen. Dass das große Rollback ausblieb, verdankten die Nordmazedonier zum einen dem Umstand, dass Emmanuel Macron inzwischen doch eingelenkt und sein Veto zurückgenommen hat.
Zum anderen lag es aber auch am Coronavirus, erzählt Katerina Kolozova: "Der zweite glückliche Umstand war, dass wir während der Coronakrise eine Allparteien-Übergangsregierung hatten. Es gab eine Tendenz, den Notstand zu missbrauchen, mit unnötiger Polizeigewalt, mit überhöhten Strafen, mit einem übertriebenen Lockdown, wo neunzig Tage lang niemand vor die Tür durfte, nicht einmal eine Sekunde lang." Eine böse Erinnerung an die Zeit, in der die antieuropäischen Autokraten große Teile der Behörden und der Gesellschaft kontrollierten.
Wie sich mangelnder Wille zu Reformen und die Erweiterungsskepsis auf Seiten westlicher EU-Länder unheilvoll ergänzen, lässt sich vor allem in Serbien und Montenegro studieren, den beiden Balkanländern, die schon seit Jahren über den Beitritt verhandeln, ohne dass dort von einem Reformschub etwas zu bemerken wäre. Dass etwa Serbien zunehmend autoritär regiert wird, schlägt sich in den Verhandlungen nicht nieder.
Albanien blockiert sich beim EU-Kurs selbst
Schwächer lässt sich die stille Allianz zwischen östlicher Reformverweigerung und westlicher Erweiterungsmüdigkeit auch in Albanien beobachten, dem zweiten Beitrittskandidaten, dem Kanzlerin Angela Merkel den Beginn von Verhandlungen in Aussicht gestellt hat. Der sozialistische Premierminister Edi Rama, seit sieben Jahren im Amt, baut seine Macht nach Ansicht vieler westlicher Beobachter weiter aus, als es dem Land guttut: "In Albanien gibt es halt eben in der Regierung von Edi Rama zwar einerseits Reformen wie die kontroverse, aber von der EU doch eingeforderte Justizreform, aber gleichzeitig gibt es doch immer wieder so eher Schritte, die eher autoritär klingen und das Gefühl geben, dass es da auch diese Gefahr gibt, die man in Serbien oder Montenegro sieht."
Anders als in Serbien, wo Regierung und weite Teile der Gesellschaft immer wieder mit einer stärkeren Orientierung nach Russland liebäugeln, steht in Albanien das Ziel des EU-Beitritts außer Frage. Das gemeinsame Ziel, könnte man meinen, müsste die Parteien in Albanien eigentlich einen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Während sich in früheren Beitrittsländern, etwa in Kroatien oder in Rumänien, die großen Parteien für die Aufnahme in die EU zu einer Art Burgfrieden verbündet hatten, sind in Albanien Regierung und Opposition, obwohl beide stramm auf Europa-Kurs, schwer miteinander zerstritten. So sehr, dass die Opposition auch Reformen blockiert, ohne die das Land auf dem Weg in die EU nicht weiterkommt.
"Es gibt da einen Widerspruch, ein Paradoxon in der politischen Elite. Beide Parteien wollen so schnell wie möglich in die EU, aber wenn gemeinsames Handeln gefragt ist, versagen sie. Jede Partei will diejenige sein, die das Land an die EU herangeführt hat", sagt der albanische Politologe Lutfi Dervishi. Nicht am Willen, in die EU zu kommen, mangelt es, sondern am Glauben, dass man den Beitritt bei der Zerstrittenheit der politischen Führungsfiguren tatsächlich noch erlebt. Dass es in naher Zukunft auf dem Weg nach Europa einen richtigen Durchbruch gibt, können sich die meisten jungen Menschen in Albanien nicht vorstellen. Viele wandern deshalb in EU-Länder wie Deutschland oder Italien aus – und vollziehen damit gewissermaßen ihren eigenen, individuellen EU-Beitritt.
Europa als Ziel aber nicht als Erretter
"Schon in den letzten drei Jahrzehnten hat jeder Dritte Albanien verlassen."- Wer von den 2,8 Millionen Bürgern nicht dauerhaft im Ausland lebt, hat seinem Land oft zumindest für ein paar Jahre den Rücken gekehrt – und ging zum Studieren nach Deutschland oder als Erntehelfer nach Griechenland. Dreißig Jahre nach dem Ende des Kommunismus und der Abschottung ist in Albanien eine Generation herangewachsen, für die Europa Teil ihrer sozialen Realität ist, erläutert die 28-jährige Gresa Hasa in gepflegtem Englisch:
"Die meisten jungen Leute in Albanien sprechen mehrere Fremdsprachen, europäische Sprachen, fließend, auch wenn sie nicht auf der Uni waren. Das liegt einfach daran, dass Albanien seit dem Umbruch vor 30 Jahren enorme Probleme zu meistern hat und das Sprachenlernen überlebenswichtig war."
Anders als die meisten ihrer Altersgenossen will Gresa Hasa in Albanien bleiben. Sie ist eine bekannte Reformaktivistin im Land, und setzt bei ihren Erwartungen für die Zukunft nicht mehr an erster Stelle auf die Europäische Union. So wie es die ältere Generation noch tat, die erst das brutale kommunistische Regime und dann das Chaos der 90er-Jahre erlebt hat. "Diese Generation sieht in der EU eine Art Retter, der Albanien und die Albaner auf dem richtigen Weg voranbringen wird", sagt Hasa.
"Die meisten jungen Leute in Albanien sprechen mehrere Fremdsprachen, europäische Sprachen, fließend, auch wenn sie nicht auf der Uni waren. Das liegt einfach daran, dass Albanien seit dem Umbruch vor 30 Jahren enorme Probleme zu meistern hat und das Sprachenlernen überlebenswichtig war."
Anders als die meisten ihrer Altersgenossen will Gresa Hasa in Albanien bleiben. Sie ist eine bekannte Reformaktivistin im Land, und setzt bei ihren Erwartungen für die Zukunft nicht mehr an erster Stelle auf die Europäische Union. So wie es die ältere Generation noch tat, die erst das brutale kommunistische Regime und dann das Chaos der 90er-Jahre erlebt hat. "Diese Generation sieht in der EU eine Art Retter, der Albanien und die Albaner auf dem richtigen Weg voranbringen wird", sagt Hasa.
Nicht so die Jüngeren. Das gelobte Land sei die EU jedenfalls nicht mehr: "Wir glauben, dass die großen Veränderungen von innerhalb der Gesellschaft kommen, nicht von außen, und dass wir sie auf die staatliche Ebene bringen können. Dabei behalten wir die Europäische Union als Ziel im Auge, aber eben nicht als Erretter." Demokratische und rechtsstaatliche Reformen sind nach dem Bild, das die junge Aktivistin zeichnet, keine Bedingungen, die eine Gesellschaft erfüllen müsse, um in den Klub der Reichen zu kommen, keine Forderungen von außen, aus Brüssel, Berlin oder Paris.
"Wunsch, als europäische Nation anerkannt zu werden"
Das gelte auch für Nordmazedonien, sagt Katarina Kolozova: "Es ist nicht nur wirtschaftliche Sicherheit, nicht nur Geld. Es geht nicht immer nur ums Geld. Es ist falsch zu glauben, hinter allem stecke immer nur diese Motivation, und weiter gehe es nicht. Es ist etwas dahinter, und zwar die Selbstwahrnehmung als Europäer, der Wunsch, als europäische Nation anerkannt zu werden. Europa wird als Kultur betrachtet, die ein Modell für die Gesellschaft darstellt."
In der nordmazedonischen Regierung scheint man das ähnlich zu sehen, was unter den Regierungen auf dem Balkan zurzeit allerdings die Ausnahme ist. Vize-Premier Nikola Dimitrov wird emphatisch, wenn er davon spricht: "Ich denke, die EU verfügt über zwei starke Magnete. Der eine ist der riesige gemeinsame wirtschaftliche Markt, und der zweite ist das Narrativ, die Erzählung von Werten, von Standards, von Normalität, Demokratie, von einer Gesellschaft, die von Recht und Gesetz geleitet wird, einer Gesellschaft, wo man Politiker für ihr Tun verantwortlich machen kann und wo die Medien berichten können, worüber sie wollen."
In der nordmazedonischen Regierung scheint man das ähnlich zu sehen, was unter den Regierungen auf dem Balkan zurzeit allerdings die Ausnahme ist. Vize-Premier Nikola Dimitrov wird emphatisch, wenn er davon spricht: "Ich denke, die EU verfügt über zwei starke Magnete. Der eine ist der riesige gemeinsame wirtschaftliche Markt, und der zweite ist das Narrativ, die Erzählung von Werten, von Standards, von Normalität, Demokratie, von einer Gesellschaft, die von Recht und Gesetz geleitet wird, einer Gesellschaft, wo man Politiker für ihr Tun verantwortlich machen kann und wo die Medien berichten können, worüber sie wollen."
EU für Reformer kein zuverlässiger Verbündeter mehr
Überzeugte Reformer auf dem Balkan, die so denken und fühlen wie Dimitrov, haben in der bei Erweiterungen so skeptischen EU keinen zuverlässigen Verbündeten mehr. Nicht nur, dass großer Reformeifer auf dem Balkan westliche Regierungen unter unerwünschten Zugzwang setzt. Auch ist die Union nach Flüchtlingskrise, Brexit, den anhaltenden Debatten über Migration und Grenzschutz nicht mehr die, der 2007 Rumänien und Bulgarien und 2013 Kroatien beigetreten sind.
Zwar kontrolliert die EU-Kommission nach wie vor in ihren jährlichen Berichten für jedes Kandidatenland die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die wichtigsten Anforderungen für den Beitritt. Gleichzeitig aber werden eben solche Anforderungen von zwei Regierungen innerhalb der EU, der ungarischen und der polnischen, offen und aus Überzeugung verletzt. Um dieses Thema macht der nordmazedonische Vizepremier Dimitrov aber lieber einen Bogen: "Es wäre nicht ratsam und nicht klug für mich, über Mitgliedsstaaten zu sprechen."
Zwar kontrolliert die EU-Kommission nach wie vor in ihren jährlichen Berichten für jedes Kandidatenland die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die wichtigsten Anforderungen für den Beitritt. Gleichzeitig aber werden eben solche Anforderungen von zwei Regierungen innerhalb der EU, der ungarischen und der polnischen, offen und aus Überzeugung verletzt. Um dieses Thema macht der nordmazedonische Vizepremier Dimitrov aber lieber einen Bogen: "Es wäre nicht ratsam und nicht klug für mich, über Mitgliedsstaaten zu sprechen."
Nordmazedonien drohen neue Blockaden
Grundsätzlich kann jedes EU-Mitglied ein Veto gegen jeden noch so kleinen Erweiterungsschritt eines neuen Landes einlegen, egal, in welchem Stadium sich der Beitrittsprozess dann befindet und egal, ob die Gründe für die anderen Mitgliedsländer nachvollziehbar sind oder nicht. Nord-mazedonien hat damit leidvolle Erfahrung gemacht.
15 Jahre lang war das Land blockiert, weil der südliche Nachbar Griechenland seinen Staatsnamen nicht anerkennen wollte. Jetzt droht eine ähnliche Gefahr vom Nachbarn im Osten: Eine nationalistische Regierungspartei in Bulgarien will verhindern, dass die EU im Falle eines Beitritts Nordmazedoniens die mazedonische Sprache zur Amtssprache macht – die gebe es nämlich gar nicht, so die Behauptung, sie sei bloß ein bulgarischer Dialekt. Doch da wollen Vize-Premier Dimitrov und die Regierung nicht nachgeben: Dimitrov: "Das ist unmöglich, sich in der eigenen Sprache auszudrücken bedeutet Selbstbestimmung. Die mazedonische Sprache ist das Zentrum dessen, was uns ausmacht. Sie ist ein Grundpfeiler unserer Identität."
Auch über andere EU-Staaten gäbe es für einen nordmazedonischen Premierminister einiges zu sagen. Der Autokrat, den Dimitrovs Reformregierung vor vier Jahren endlich ablösen konnte, Ex-Premier Nikola Gruevski, der nach seinem unrühmlichen Abgang wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, entzog sich der Justiz und flüchtete – nicht nach Moskau, sondern nach Ungarn, wo sein persönlicher Freund Viktor Orbán ihm Asyl gewährte. Und ausgerechnet ein Parteifreund Orbáns, der Ungar Oliver Várhely, wurde mit Beginn dieses Jahres neuer Erweiterungskommissar in Brüssel und damit dafür zuständig, die demokratischen Fortschritte Nordmazedoniens zu beurteilen.
15 Jahre lang war das Land blockiert, weil der südliche Nachbar Griechenland seinen Staatsnamen nicht anerkennen wollte. Jetzt droht eine ähnliche Gefahr vom Nachbarn im Osten: Eine nationalistische Regierungspartei in Bulgarien will verhindern, dass die EU im Falle eines Beitritts Nordmazedoniens die mazedonische Sprache zur Amtssprache macht – die gebe es nämlich gar nicht, so die Behauptung, sie sei bloß ein bulgarischer Dialekt. Doch da wollen Vize-Premier Dimitrov und die Regierung nicht nachgeben: Dimitrov: "Das ist unmöglich, sich in der eigenen Sprache auszudrücken bedeutet Selbstbestimmung. Die mazedonische Sprache ist das Zentrum dessen, was uns ausmacht. Sie ist ein Grundpfeiler unserer Identität."
Auch über andere EU-Staaten gäbe es für einen nordmazedonischen Premierminister einiges zu sagen. Der Autokrat, den Dimitrovs Reformregierung vor vier Jahren endlich ablösen konnte, Ex-Premier Nikola Gruevski, der nach seinem unrühmlichen Abgang wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, entzog sich der Justiz und flüchtete – nicht nach Moskau, sondern nach Ungarn, wo sein persönlicher Freund Viktor Orbán ihm Asyl gewährte. Und ausgerechnet ein Parteifreund Orbáns, der Ungar Oliver Várhely, wurde mit Beginn dieses Jahres neuer Erweiterungskommissar in Brüssel und damit dafür zuständig, die demokratischen Fortschritte Nordmazedoniens zu beurteilen.
Problem der Erweiterung liegt in der EU selbst
Für Florian Bieber ist die Wahl des Orbán-Mannes Várhely nicht nachvollziehbar: "Er kann in den Ländern selber sehr schwer sagen: Ihr müsst euch rechtsstaatlich verhalten, ohne dass das etwas lächerlich wirkt. Und gleichzeitig: Wie kann er auch nach Frankreich gehen und dort sagen: Unterstützt die Erweiterung, und wir stellen sicher, dass dort die Rechtsstaatlichkeit geschützt wird? Er ist sozusagen die Verkörperung des Problems, und damit ist er eine ständige Erinnerung an die Schwierigkeit, wie man diesen Prozess wieder glaubhaft machen könnte."
Deutlicher als mit der Wahl Várhelys ließe sich nicht ausdrücken, wo das Problem mit der Erweiterung liegt: in der Union selbst. Zurechtkommen mit dem Problem müssen an erster Stelle aber reformorientierte Politiker in den kleinen Ländern Südosteuropas.
"Blind zu sein gegenüber den Debatten innerhalb der EU können wir uns nicht leisten, denke ich – Debatten über Rechtsstaat, über Werte. Diese Debatten sind sehr wichtig. Ich meine, die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass der Kampf, das Bemühen um eine offene Gesellschaft, um Demokratie und Rechtsstaat niemals vorbei, niemals erledigt ist", sagt Nikola Dimitrov - eine vornehme Aufforderung an die EU, erst einmal den Autokraten in den eigenen Reihen die Grenzen aufzuzeigen.
Deutlicher als mit der Wahl Várhelys ließe sich nicht ausdrücken, wo das Problem mit der Erweiterung liegt: in der Union selbst. Zurechtkommen mit dem Problem müssen an erster Stelle aber reformorientierte Politiker in den kleinen Ländern Südosteuropas.
"Blind zu sein gegenüber den Debatten innerhalb der EU können wir uns nicht leisten, denke ich – Debatten über Rechtsstaat, über Werte. Diese Debatten sind sehr wichtig. Ich meine, die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass der Kampf, das Bemühen um eine offene Gesellschaft, um Demokratie und Rechtsstaat niemals vorbei, niemals erledigt ist", sagt Nikola Dimitrov - eine vornehme Aufforderung an die EU, erst einmal den Autokraten in den eigenen Reihen die Grenzen aufzuzeigen.
Auch Deutschland in der Pflicht
Aber nur immer eifrig die Trommel für Erweiterung zu rühren, wie Deutschland das tue, schaffe die Hürden nicht aus der Welt, meint der Südosteuropa-Experte Florian Bieber: "Und auch Deutschland sollte autoritäre Tendenzen auf dem Balkan klarer ansprechen. Es ist immer wieder das Problem, und das sehen wir auch gegenüber Ungarn, dass gerade Merkel und die CDU/CSU immer wieder sehr unkritisch mit den Autokraten in der EU und außerhalb der EU umgehen und eben nicht entsprechend sagen, dass es da Probleme gibt und dass ihre Partnerparteien sich da sehr undemokratisch verhalten. Und solange das der Fall ist, ist diese rhetorische Unterstützung für die Erweiterung nicht wirklich in der Lage, das Problem zu lösen."
Noch in diesem Jahr, so Angela Merkel, sollen die Beitrittsverhandlungen wenigstens mit Nordmazedonien endlich beginnen. Wie lange sie dauern werden, kann niemand sagen; mit Montenegro laufen sie schon acht Jahre. Welche Probleme auf dem langen Weg noch auftauchen werden, ist nicht absehbar. Nikola Dimitrov, der nordmazedonische Vize-Premier drückt es so positiv aus, wie es eben geht: "Als wir unsere Probleme mit unserem südlichen Nachbarn, mit Griechenland, gelöst haben, da haben wir in schwierigen Momenten das Gefühl entwickelt: Je größer die Schwierigkeiten, desto großartiger ist am Ende das Ergebnis."
Noch in diesem Jahr, so Angela Merkel, sollen die Beitrittsverhandlungen wenigstens mit Nordmazedonien endlich beginnen. Wie lange sie dauern werden, kann niemand sagen; mit Montenegro laufen sie schon acht Jahre. Welche Probleme auf dem langen Weg noch auftauchen werden, ist nicht absehbar. Nikola Dimitrov, der nordmazedonische Vize-Premier drückt es so positiv aus, wie es eben geht: "Als wir unsere Probleme mit unserem südlichen Nachbarn, mit Griechenland, gelöst haben, da haben wir in schwierigen Momenten das Gefühl entwickelt: Je größer die Schwierigkeiten, desto großartiger ist am Ende das Ergebnis."