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Schwierige Bergung

Vor eineinhalb Wochen verunglückte an der Loreley ein Tanker mit Schwefelsäure. Wenn die giftige Chemikalie unkontrolliert in den Rhein liefe, wären schwere Umweltschäden die Folge. Doch die Bergung des Schiffes gestaltet sich schwierig.

Von Ludger Fittkau |
    Die Entscheidung, wie man die Schwefelsäure aus dem Rumpf des havarierten Schiffes heraus bekommt, ist noch nicht gefallen. Das Hauptproblem zurzeit: Man weiß nicht, in welchem Zustand sich die Säure befindet. Ist etwa bereits Wasser in die Tanks eingedrungen und hat chemische Reaktionen ausgelöst? Welche Temperaturen herrschen im Schiffsinneren? Antworten sollen Probebohrungen in den nächsten Tagen bringen. Einsatzleiter Günter Kern:

    "Wenn wir dann wissen, wie ist der Zustand der Ladung, wird es die weiteren Entscheidung hinsichtlich der weiteren Bergungsschritte geben, wie und in welcher Weise möglicherweise abgepumpt werden kann. Und da brauchen wir Geduld und da brauchen wir die Messergebnisse der Ladung."

    Geduld – die hat vor allem die Industrie entlang des Rheins nicht mehr, die von einem funktionierenden Schiffsverkehr abhängig ist. Der Chemieriese BASF in Ludwigshafen hat bereits in einigen Bereichen die Produktion gedrosselt, weil Rohstoffe fehlen, die normalerweise per Schiff angeliefert werden. Auch wenn der Schiffsverkehr rheinaufwärts seit einigen Tagen mithilfe von Lotsenschiffen wieder aufgenommen wurde – stromabwärts wird es wohl noch Wochen dauern, bis die Schiffe wieder an der Unglücksstelle vorbeigeschleust werden können. Wellenschlag abwärts fahrender Schiffe könnte das Wrack der Waldhof in Bewegung setzen, befürchten die Fachleute vor Ort. Auch in den vergangenen Tagen mussten die Einsatzkräfte immer wieder flexibel reagieren, um kein Sicherheitsrisiko einzugehen. Martin Mauermann, Chef des Wasser- und Schifffahrtsamtes des Bundes in Bingen beschreibt die Situation, als sich das Schiff noch einmal in Bewegung zu setzen drohte:

    "Und schon kommt ein neuer Peilauftrag heraus, der sagt, wir müssen das jetzt kontinuierlich beobachten. Schon kommt eine Einmessung des Schiffes dabei raus, um die Bewegung zu beobachten und das sind alles Sachen, die dann kontrolliert werden müssen um zu sagen, welche Entscheidungen müssen wir weiter treffen."

    Diese Entscheidungen sollen sich auch in den nächsten Tagen an Sicherheitsinteressen der Menschen am Rhein und wenn möglich der Vermeidung von Umweltschäden orientieren. Und nicht am Druck der wirtschaftlichen Interessen, betont Michael Maurer, Pressereferent der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz:

    "Es gibt sicherlich Druck, vor allem auf die Politik, aber hier geht die Sicherheit vor."

    Auch in den letzten Tagen sei wahrscheinlich keine Schwefelsäure ausgelaufen, betont Einsatzleiter Günter Kern. Dennoch seien die Wasserwerke stromabwärts nach wie vor in Alarmbereitschaft:

    "Wir haben Erkenntnisse hinsichtlich des Austritts der möglichen Ladung keine, weil die PH-Werte seit mehreren Tagen konstant sind. Die MS Burgund ist ständig dabei, in gewissem Rhythmus rund um das Schiff die PH-Werte zu messen. Wir haben dann an einem Steiger eine weitere Messwertstelle. Beide sind schon seit Tagen konstant, liegen bei etwa 7,9, das bedeutet, dass nach den derzeitigen Erkenntnissen die Ladung nicht austritt."

    Da das Hochwasser zurückgeht, würde sich die Schwefelsäure im Rhein nicht mehr so schnell verdünnen wie noch in der vergangenen Woche. Deshalb ist es das Ziel der Einsatzkräfte, die Landung abzupumpen und ein Ablassen in den Strom wenn möglich zu vermeiden. Um die Probebohrungen durchführen zu können, sind umfangreiche Sicherungsmaßnahmen nötig. Denn es besteht Explosionsgefahr, so Günter Kern:

    "Im Rahmen der Bohrmaßnahmen zur Beprobung der Schiffe sollen sich keine Menschen mehr im Umkreis von 500 Metern im Freien aufhalten, das ist einfach als Sicherheit gedacht."

    Das zeigt auch: Die Bergungsspezialisten gehen in den nächsten Tagen ein großes Risiko ein, wenn sie sich am oder auf dem Rumpf der "Waldhof" bewegen. Auch vorübergehende Sperrungen des Schiffsverkehrs stromaufwärts sind nicht ausgeschlossen, wenn es die Sicherheitslage erfordert. Die Bergung der "Waldhof" bleibt also kompliziert und wird mehrere Wochen dauern. Die Umweltgefahr ist längst noch nicht gebannt.