Jürgen Liminski: Im festgefahrenen Streit über die Reform von Hartz IV will eine Spitzenrunde aus Vertretern von Bund und Ländern heute Abend Möglichkeiten für einen Kompromiss ausloten. In der Hamburger Landesvertretung in Berlin soll über die Erhöhung der Regelsätze für Erwachsene, das Bildungspaket für Kinder sowie über die Einführung von Mindestlöhnen für Zeitarbeiter beraten werden. Sollte es nicht zu einer Einigung kommen, will die Opposition das Reformwerk am 11. Februar im Bundesrat blockieren. Über dem Treffen liegt also so etwas wie der Hauch einer letzten Chance.
Heute Abend wird es also spannend und eine Frage ist, ob wir aus dem verfassungswidrigen Zustand herauskommen, oder ob die Politik uns wegen Kompromisslosigkeit weiter in diesem Zustand belässt. Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast. Guten Morgen!
Renate Künast: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Frau Künast, sehen Sie eine Kompromisslinie für heute Abend, mit der nicht nur die Politik, sondern auch die Hartz-IV-Empfänger, insbesondere die Kinder leben können?
Künast: Ja! Ob Erwachsene oder Kinder, alle haben nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichts einen Anspruch auf einen nicht willkürlich, sondern wirklich am Bedarf berechneten Regelsatz, und da muss die Bundesministerin jetzt mal endlich in Vorlage gehen. Sie sperrt sich da. Der grüne Arm bewegt sich aber erst, wenn sich dort was bewegt. Zum Beispiel muss ja auch eines klar sein: Damit es möglichst wenig Aufstocker gibt, müssen die Mindestlöhne für Zeitarbeit und Weiterbildung her. Das entspannt den Haushalt am Ende auch.
Liminski: Dazu kommen wir gleich. Bleiben wir mal beim Regelsatz. Er ist das sichtbarste Zeichen für die mittlerweile 50. oder 51. Hartz IV-Reform in sechs Jahren. Wenn Frau von der Leyen von ihrer fünf Euro Erhöhung nicht herunter will, kann man dann den Kompromiss auch in einer Paketlösung finden?
Künast: Ich sehe kein Paket. Wir sind ja im Augenblick gerade in der Debatte, in der mehrere Dinge verbunden sind: die Hartz-IV-Regelsätze, die Frage der Mindestlöhne, die Frage, dass zusätzlich zu Leistungen an Jugendliche und Kinder eben Sozialarbeiter für regionale Bildungsprojekte, für die Vernetzung von Schulen vor Ort mit dem Sozialen geleistet werden. Insofern bewegen wir uns längst in einem Paket. Aber jedes Paket setzt ja als sinnvoll voraus, dass seine einzelnen Teile verfassungskonform sind, dass seine einzelnen Teile nicht so bürokratisch sind, dass sie mehr Personal kosten als sie Möglichkeiten schaffen.
Liminski: Und den Regelsatz halten Sie nicht für verfassungskonform, ist mit Ihnen also nicht zu machen?
Künast: Nein! So ist der mit uns nicht zu machen, weil sie hat, ohne es zu begründen, einfach Teile rausgerechnet und die Gruppe, die berechnet wird, von den 20 Prozent Armen auf die 15 Prozent Ärmsten gelegt. So geht's nicht!
Liminski: Halten Sie denn das Bildungspaket, so wie es konzipiert ist, in der Praxis überhaupt für machbar?
Künast: Na ja, wir haben immer gesagt – und da ist man ja längst einen Schritt weiter gekommen -, dass man es nicht so macht, dass die Jobcenter jetzt eine aufwendige Bürokratie hochsetzen, kooperieren müssen mit den Kommunen, die dann auch wieder mehr Personal brauchen. Also da gibt es schon mal die Chance, ein Paket zu schnüren, das für die Kommunen dann Bildungs- und Sozialarbeit auch möglich macht. Aber es geht eben auch um zusätzliche Sozialarbeiterstellen.
Liminski: Ist denn diese bürokratische Aufblähung durch das Bildungspaket ein Thema im Vermittlungsausschuss?
Künast: Na ja, grundsätzlich haben ja die Arbeitsgruppen – und deshalb wird es auch im Vermittlungsausschuss besprochen -, sind die Arbeitsgruppen dabei, Modelle zu entwickeln. Ich sage mal ganz klar: Es ist richtig, dass die Ansprüche auf Hilfen, zum Beispiel Nachhilfe, tatsächlich über die Kommunen laufen und nicht über das Jobcenter, und daran werden wir das messen, was da jetzt konkret als letztes diskutiert wird. Es ging immer zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, einmal rechts, einmal links. Es könnte sein, dass wir jetzt ein Paket finden, das den Kommunen pauschal Gelder überweist. Das muss man konkret durchrechnen. Aber wie gesagt, das allein ist es ja nicht.
Hartz IV als Regelsatz soll ein Übergang sein, deshalb muss man auch den Abstand durch gute Mindestlöhne hinkriegen. Und ab Mai haben wir Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die neueren Mitgliedsstaaten der EU. Wer dann nicht Dumping ohne Ende will, muss jetzt bei Zeitarbeit und Weiterbildung den Mindestlohn machen, neben einer ordentlichen Berechnung der Regelsätze.
Liminski: Das heißt, ohne Mindestlohn und ohne Kommunen ist mit Ihnen ein Kompromiss nicht zu machen?
Künast: Nein. Es muss insgesamt auch eine Lösung geben. Es kann nicht sein, dass man nach Verfassungsgerichtssprechung die Situation noch komplizierter macht und noch mehr Personal vor Ort abzieht. Es muss wirklich so sein, dass es einen sozial- und bildungspolitischen großen Schritt nach vorne geht. Das ist unsere Messlatte.
Liminski: Die Sache ist kompliziert, eine Einigung schwierig. Wenn es nun nicht zu einem Kompromiss kommt heute Abend, müssen wir dann weiter im verfassungswidrigen Zustand leben und werden dann die Parteien versuchen, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben? Wie sehen Sie das?
Künast: Na ja, Frau von der Leyen ist diejenige Ministerin, die eine Vorlage machen muss. Der läuft jetzt langsam die Zeit davon. Sie muss wissen, dass sie für ihre bisherigen Vorlagen keine Mehrheit hat. Es gibt in vielen Städten quer durchs Land ganz viele gerade Kinder, die warten, in Berlin an die 200.000 Kinder, die auf bessere Bildungsförderung warten, eher morgen als erst übermorgen. Insofern sage ich mal, jetzt muss die Ministerin sich bewegen. Sie weiß, dass es einen großen Sprung geben muss, und den muss sie umsetzen. Wir hätten im letzten Jahr früher anfangen können, aber da gab es keine Vorlage der Ministerin. Also jetzt muss alles auf Los gestellt werden.
Liminski: Sehen Sie denn Anzeichen dafür, dass die Ministerin auf Los stellt?
Künast: Ich glaube, wir geben ihr eindeutige Zeichen, dass wir das Geschachere nicht mitmachen. Wir geben ihr eindeutige Zeichen, dass bisherige Vorlagen zu wenig sind, es komplizierter machen. Ich hoffe und erwarte, dass sie sich bewegt.
Liminski: Wenn es nun doch nicht zu einer Einigung kommt, wird man mit einer Klagewelle rechnen müssen. Dazu rufen die Gewerkschaften die Hartz IV-Empfänger ja auch schon auf. Würden Sie sich dieser Aufforderung anschließen?
Künast: Die Klagewelle kommt einfach, Herr Liminski. Dazu brauche ich gar nichts auffordern. Sie wird einfach kommen, und zwar zurecht. Warum zurecht, weil seit dem 1. Januar ein Rechtsanspruch besteht auf einen ordentlich berechneten Regelsatz, seit dem 1. Januar besteht bei den Kindern ein Rechtsanspruch auf Nachhilfe als Teilnahme am Sozialleben, ob das Musikschulen oder Sportvereine sind. Eher wundert uns doch, dass die so lange ruhig geblieben sind. Wenn das aber eintritt und Frau von der Leyen sich nicht vorher bewegt, dann haben wir das Vollchaos, nämlich überfüllte Sozialgerichte mit Verfahren, die sich alle gegenseitig überbieten. Also noch ein Grund mehr, jetzt zu sagen, wir machen ein Angebot und verbessern die Situation vor Ort, und zwar so, dass man nicht nur ein auskömmliches Leben hat, sondern dass es auch richtig den Abstand gibt zum Beispiel bei den Löhnen.
Liminski: Allein in Berlin reichten die Hartz-IV-Empfänger im vergangenen Jahr 32.000 neue Klagen ein, das kann niemand bewältigen. Wie soll das denn weitergehen? Das könnte ja Ihnen sogar demnächst auf die Füße fallen.
Künast: Na ja. Deshalb sagen wir ja seit vielen Wochen und haben auch weit vor Weihnachten schon Vorschläge gemacht, wir sagen ja, Frau von der Leyen, machen Sie einen Vorschlag. Und ich sage Ihnen, wenn diese Koalition sich nicht bewegt, wenn sich auch die FDP nicht bewegt bei den Mindestlöhnen, dann fällt uns noch viel mehr auf die Füße. Wir haben im Frühjahr die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Das zeigt doch heute schon, dass Zeitarbeitsfirmen, selbst deutsche offensichtlich signalisieren, Töchter in Polen zu gründen, um von dort dann Dienstleistungen im Rahmen der Zeitarbeit in Deutschland anzubieten und die Löhne noch weiter zu unterbieten. Wissen Sie was das heißt, dass hier noch mehr ihren Arbeitsplatz verlieren, dass hier die Löhne noch weiter gesenkt werden und die dann als Aufstocker zur Kommune gehen und sagen, ich brauche einen Ausgleich über Hartz IV. Das ist doch totaler Wahnsinn!
Deshalb sage ich, sie muss sich jetzt bewegen, und es wäre ein Irrsinn, wenn die schwarz-gelbe Regierung an der Stelle einfach zusieht, statt etwas zu tun. Allein die Regelsatzberechnung würde uns auch nicht weiterhelfen, sondern den Kommunen sozusagen den Stuhl unterm Hintern wegziehen.
Liminski: Ein Kompromiss bei Hartz IV ist schwierig, aber nicht unmöglich. Die Regierung muss sich bewegen, sagt hier im Deutschlandfunk die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. Besten Dank für das Gespräch, Frau Künast.
Künast: Ich danke auch.
Heute Abend wird es also spannend und eine Frage ist, ob wir aus dem verfassungswidrigen Zustand herauskommen, oder ob die Politik uns wegen Kompromisslosigkeit weiter in diesem Zustand belässt. Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast. Guten Morgen!
Renate Künast: Guten Morgen, Herr Liminski.
Liminski: Frau Künast, sehen Sie eine Kompromisslinie für heute Abend, mit der nicht nur die Politik, sondern auch die Hartz-IV-Empfänger, insbesondere die Kinder leben können?
Künast: Ja! Ob Erwachsene oder Kinder, alle haben nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichts einen Anspruch auf einen nicht willkürlich, sondern wirklich am Bedarf berechneten Regelsatz, und da muss die Bundesministerin jetzt mal endlich in Vorlage gehen. Sie sperrt sich da. Der grüne Arm bewegt sich aber erst, wenn sich dort was bewegt. Zum Beispiel muss ja auch eines klar sein: Damit es möglichst wenig Aufstocker gibt, müssen die Mindestlöhne für Zeitarbeit und Weiterbildung her. Das entspannt den Haushalt am Ende auch.
Liminski: Dazu kommen wir gleich. Bleiben wir mal beim Regelsatz. Er ist das sichtbarste Zeichen für die mittlerweile 50. oder 51. Hartz IV-Reform in sechs Jahren. Wenn Frau von der Leyen von ihrer fünf Euro Erhöhung nicht herunter will, kann man dann den Kompromiss auch in einer Paketlösung finden?
Künast: Ich sehe kein Paket. Wir sind ja im Augenblick gerade in der Debatte, in der mehrere Dinge verbunden sind: die Hartz-IV-Regelsätze, die Frage der Mindestlöhne, die Frage, dass zusätzlich zu Leistungen an Jugendliche und Kinder eben Sozialarbeiter für regionale Bildungsprojekte, für die Vernetzung von Schulen vor Ort mit dem Sozialen geleistet werden. Insofern bewegen wir uns längst in einem Paket. Aber jedes Paket setzt ja als sinnvoll voraus, dass seine einzelnen Teile verfassungskonform sind, dass seine einzelnen Teile nicht so bürokratisch sind, dass sie mehr Personal kosten als sie Möglichkeiten schaffen.
Liminski: Und den Regelsatz halten Sie nicht für verfassungskonform, ist mit Ihnen also nicht zu machen?
Künast: Nein! So ist der mit uns nicht zu machen, weil sie hat, ohne es zu begründen, einfach Teile rausgerechnet und die Gruppe, die berechnet wird, von den 20 Prozent Armen auf die 15 Prozent Ärmsten gelegt. So geht's nicht!
Liminski: Halten Sie denn das Bildungspaket, so wie es konzipiert ist, in der Praxis überhaupt für machbar?
Künast: Na ja, wir haben immer gesagt – und da ist man ja längst einen Schritt weiter gekommen -, dass man es nicht so macht, dass die Jobcenter jetzt eine aufwendige Bürokratie hochsetzen, kooperieren müssen mit den Kommunen, die dann auch wieder mehr Personal brauchen. Also da gibt es schon mal die Chance, ein Paket zu schnüren, das für die Kommunen dann Bildungs- und Sozialarbeit auch möglich macht. Aber es geht eben auch um zusätzliche Sozialarbeiterstellen.
Liminski: Ist denn diese bürokratische Aufblähung durch das Bildungspaket ein Thema im Vermittlungsausschuss?
Künast: Na ja, grundsätzlich haben ja die Arbeitsgruppen – und deshalb wird es auch im Vermittlungsausschuss besprochen -, sind die Arbeitsgruppen dabei, Modelle zu entwickeln. Ich sage mal ganz klar: Es ist richtig, dass die Ansprüche auf Hilfen, zum Beispiel Nachhilfe, tatsächlich über die Kommunen laufen und nicht über das Jobcenter, und daran werden wir das messen, was da jetzt konkret als letztes diskutiert wird. Es ging immer zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, einmal rechts, einmal links. Es könnte sein, dass wir jetzt ein Paket finden, das den Kommunen pauschal Gelder überweist. Das muss man konkret durchrechnen. Aber wie gesagt, das allein ist es ja nicht.
Hartz IV als Regelsatz soll ein Übergang sein, deshalb muss man auch den Abstand durch gute Mindestlöhne hinkriegen. Und ab Mai haben wir Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die neueren Mitgliedsstaaten der EU. Wer dann nicht Dumping ohne Ende will, muss jetzt bei Zeitarbeit und Weiterbildung den Mindestlohn machen, neben einer ordentlichen Berechnung der Regelsätze.
Liminski: Das heißt, ohne Mindestlohn und ohne Kommunen ist mit Ihnen ein Kompromiss nicht zu machen?
Künast: Nein. Es muss insgesamt auch eine Lösung geben. Es kann nicht sein, dass man nach Verfassungsgerichtssprechung die Situation noch komplizierter macht und noch mehr Personal vor Ort abzieht. Es muss wirklich so sein, dass es einen sozial- und bildungspolitischen großen Schritt nach vorne geht. Das ist unsere Messlatte.
Liminski: Die Sache ist kompliziert, eine Einigung schwierig. Wenn es nun nicht zu einem Kompromiss kommt heute Abend, müssen wir dann weiter im verfassungswidrigen Zustand leben und werden dann die Parteien versuchen, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben? Wie sehen Sie das?
Künast: Na ja, Frau von der Leyen ist diejenige Ministerin, die eine Vorlage machen muss. Der läuft jetzt langsam die Zeit davon. Sie muss wissen, dass sie für ihre bisherigen Vorlagen keine Mehrheit hat. Es gibt in vielen Städten quer durchs Land ganz viele gerade Kinder, die warten, in Berlin an die 200.000 Kinder, die auf bessere Bildungsförderung warten, eher morgen als erst übermorgen. Insofern sage ich mal, jetzt muss die Ministerin sich bewegen. Sie weiß, dass es einen großen Sprung geben muss, und den muss sie umsetzen. Wir hätten im letzten Jahr früher anfangen können, aber da gab es keine Vorlage der Ministerin. Also jetzt muss alles auf Los gestellt werden.
Liminski: Sehen Sie denn Anzeichen dafür, dass die Ministerin auf Los stellt?
Künast: Ich glaube, wir geben ihr eindeutige Zeichen, dass wir das Geschachere nicht mitmachen. Wir geben ihr eindeutige Zeichen, dass bisherige Vorlagen zu wenig sind, es komplizierter machen. Ich hoffe und erwarte, dass sie sich bewegt.
Liminski: Wenn es nun doch nicht zu einer Einigung kommt, wird man mit einer Klagewelle rechnen müssen. Dazu rufen die Gewerkschaften die Hartz IV-Empfänger ja auch schon auf. Würden Sie sich dieser Aufforderung anschließen?
Künast: Die Klagewelle kommt einfach, Herr Liminski. Dazu brauche ich gar nichts auffordern. Sie wird einfach kommen, und zwar zurecht. Warum zurecht, weil seit dem 1. Januar ein Rechtsanspruch besteht auf einen ordentlich berechneten Regelsatz, seit dem 1. Januar besteht bei den Kindern ein Rechtsanspruch auf Nachhilfe als Teilnahme am Sozialleben, ob das Musikschulen oder Sportvereine sind. Eher wundert uns doch, dass die so lange ruhig geblieben sind. Wenn das aber eintritt und Frau von der Leyen sich nicht vorher bewegt, dann haben wir das Vollchaos, nämlich überfüllte Sozialgerichte mit Verfahren, die sich alle gegenseitig überbieten. Also noch ein Grund mehr, jetzt zu sagen, wir machen ein Angebot und verbessern die Situation vor Ort, und zwar so, dass man nicht nur ein auskömmliches Leben hat, sondern dass es auch richtig den Abstand gibt zum Beispiel bei den Löhnen.
Liminski: Allein in Berlin reichten die Hartz-IV-Empfänger im vergangenen Jahr 32.000 neue Klagen ein, das kann niemand bewältigen. Wie soll das denn weitergehen? Das könnte ja Ihnen sogar demnächst auf die Füße fallen.
Künast: Na ja. Deshalb sagen wir ja seit vielen Wochen und haben auch weit vor Weihnachten schon Vorschläge gemacht, wir sagen ja, Frau von der Leyen, machen Sie einen Vorschlag. Und ich sage Ihnen, wenn diese Koalition sich nicht bewegt, wenn sich auch die FDP nicht bewegt bei den Mindestlöhnen, dann fällt uns noch viel mehr auf die Füße. Wir haben im Frühjahr die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Das zeigt doch heute schon, dass Zeitarbeitsfirmen, selbst deutsche offensichtlich signalisieren, Töchter in Polen zu gründen, um von dort dann Dienstleistungen im Rahmen der Zeitarbeit in Deutschland anzubieten und die Löhne noch weiter zu unterbieten. Wissen Sie was das heißt, dass hier noch mehr ihren Arbeitsplatz verlieren, dass hier die Löhne noch weiter gesenkt werden und die dann als Aufstocker zur Kommune gehen und sagen, ich brauche einen Ausgleich über Hartz IV. Das ist doch totaler Wahnsinn!
Deshalb sage ich, sie muss sich jetzt bewegen, und es wäre ein Irrsinn, wenn die schwarz-gelbe Regierung an der Stelle einfach zusieht, statt etwas zu tun. Allein die Regelsatzberechnung würde uns auch nicht weiterhelfen, sondern den Kommunen sozusagen den Stuhl unterm Hintern wegziehen.
Liminski: Ein Kompromiss bei Hartz IV ist schwierig, aber nicht unmöglich. Die Regierung muss sich bewegen, sagt hier im Deutschlandfunk die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. Besten Dank für das Gespräch, Frau Künast.
Künast: Ich danke auch.