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Schwierige Nothilfe für Karibik
"Das reicht für Dörfer, Regionen, aber nicht für Millionen"

Nach Hurrikan "Irma" brauchen Länder wie Haiti Hilfsgüter. Man komme aber ohne Hafen nicht damit ins Land und könne sich ohne Handymasten auch kaum koordinieren, sagte der Nothilfekoordinator von CARE Wolfgang Tyderle im Dlf. Zudem würden die organisierten Hilfsgüter nicht für Millionen Menschen reichen. Er forderte mehr Geld für Katastrophenvorsorge.

Wolfgang Tyderle im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Wolfgang Tyderle, Nothilfekoordinator bei CARE
    Wolfgang Tyderle von CARE will helfen, steht aber in der sturmverwüsteten Karibik vor zahlreichen Problemen: Man komme kaum ins Land, und genug Hilfsgüter für alle gebe es auch nicht. (Deutschlandradio/Charlotte Voß)
    Sandra Schulz: Bei mir im Studio ist jetzt Wolfgang Tyderle, Nothilfekoordinator bei der Hilfsorganisation "CARE". Schönen guten Morgen und danke, dass Sie zu uns gekommen sind.
    Wolfgang Tyderle: Guten Morgen.
    Schulz: Lässt sich das schon ermessen? Was bedeutet diese Naturkatastrophe oder diese Naturkatastrophen möglicherweise, wenn wir schauen, dass da noch mehr im Anzug ist, für diese Region, für diese Inseln?
    Tyderle: Viele Menschen haben ihre Existenz verloren, haben alles verloren, was sie haben, haben vielleicht auch keine Möglichkeit, woandershin auszuwandern oder zu gehen. Für die reicheren Inseln ist es katastrophal, aber natürlich für die ärmeren Regionen umso schlimmer, weil dort die Menschen noch viel weniger an Ressourcen haben, um wiederaufzubauen, um sich selber zu helfen.
    "Man kommt nicht rein ins Land"
    Schulz: Wir haben es gehört: Teilweise gibt es auch gar keine Zugänge im Moment zu den Inseln. Wie gehen Sie da vor?
    Tyderle: Kommunikation und Logistik ist immer das ganz große Problem. Das hatten wir schon in Haiti beim Erdbeben 2010. Die Handy-Masten sind zerstört, der Hafen ist zerstört, man kommt nicht rein ins Land. Das heißt, da müssen erst mal größere Anstrengungen gemacht werden, den Hafen wieder befahrbar zu machen, für Kommunikation zu sorgen. Wir Hilfsorganisationen und Medien haben in der Regel Satellitentelefone, aber damit können Sie natürlich nicht eine ganze Hilfsaktion steuern. Das heißt, Kommunikation wiederherstellen, Zugang herstellen und dann Hilfsgüter reinbringen.
    Schulz: Jetzt gab es große Sorge ja auch in Haiti, in den ärmeren Regionen auch der Dominikanischen Republik. Das ist jetzt noch gar nicht so ganz klar, welche Schäden Irma dort angerichtet hat. Das lässt sich jetzt im Moment noch gar nicht sagen. Wie gehen Sie da als Hilfsorganisation vor? Bereiten Sie das vor, sind Sie dann auf Abruf, wie begleiten Sie das?
    Tyderle: CARE ist ja seit Jahren in Haiti vertreten und wir haben Katastrophenschutz-Programme in unseren Projekten. Wir haben Frühwarnsysteme in unseren Projekten. Das heißt, die Menschen rechtzeitig zu warnen. Wir haben Hilfsgüter auf Vorrat, um die verteilen zu können, sobald der Sturm nachlässt. Aber Hilfsorganisationen können natürlich nie eine staatliche Infrastruktur ersetzen. Das heißt, das ist alles punktuell oder auf die Region bezogen, kann aber nicht Millionen Menschen helfen.
    Hilfsgüter reichen nicht für Millionen
    Schulz: Wie konkret läuft das jetzt alles vor Ort ab? Sind dort die Menschen schon in den Startlöchern? Können Sie über die Situation was sagen? Sind da jetzt schon Dinge verteilt worden?
    Tyderle: Die Warnungen sind rausgegangen. Das ging über Radio, das ging aber auch über Leute, die im Dorf von Tür zu Tür gegangen sind. Wir haben Personalverstärkung nach Norden geschickt. Wir haben Hilfsgüter beschafft. Aber das reicht dann für Dörfer, für Regionen, aber natürlich nicht für eine gesamte Region wie den Norden Haitis mit ihren Millionen Bewohnern.
    Schulz: Was steht jetzt konkret an? Werden Sie vorstoßen können auf diese kleinen Inseln?
    Tyderle: Das ist nicht die Aufgabe von CARE. Auf die kleinen Inseln, da werden jetzt staatliche Organisationen, die Niederlande, Frankreich gehen. Da steckt sehr viel Kraft dahinter, um da jetzt Hilfe zu leisten. Die ganz kleinen Inseln müssen wir uns überlegen, aber wir werden uns wahrscheinlich erst mal auf Haiti und dann auch auf Kuba, wenn es dort Schäden gibt, konzentrieren, weil wir auch unsere Kräfte natürlich fokussieren müssen und da immer zu den Ärmsten der Armen gehen.
    Nicht viel Geld für Katastrophenvorsorge
    Schulz: Jetzt haben wir in Haiti die Situation, Sie haben es gerade schon gesagt, dass die Region, dass das Land so extrem gebeutelt ist nach dem schweren Erdbeben 2010, auch mit Hunderttausenden von Toten, mit dem wirklich auch schweren Hurrikan Matthew im vergangenen Jahr mit auch rund tausend Toten. Woher nehmen die Menschen dort die Kraft, immer wieder neu anzupacken?
    Tyderle: Es ist vielleicht eine Mentalitätssache. Aber das ist schwer, die Menschen brauchen Unterstützung. Und was auch ganz wichtig ist, ist die Vorsorge, und die wird leider zu wenig beachtet. Über Katastrophenvorsorge redet jeder, findet auch jeder gut, aber es wird dafür nicht so viel gespendet oder es gibt relativ wenige öffentliche Gelder. Das würde den Menschen auch schon helfen, wenn sie wissen, da kommt ein Sturm, nun gut, ich habe Leute, die mich unterstützen, und ich bin ein bisschen vorbereitet. Das würde ich fast als höchste Priorität ansehen.
    Schulz: Was wünschen Sie sich für das Land?
    Tyderle: Ja, dass in unmittelbarer Zukunft die Auswirkungen von Irma jetzt nicht so schlimm sind, der nächste Wirbelsturm Haiti verschont und wir dort weiter versuchen können, den Menschen zu helfen in Vorbereitung auf diese Katastrophen, die zunehmen werden.
    Schulz: Wolfgang Tyderle, Nothilfekoordinator der Hilfsorganisation "CARE", heute Morgen hier bei uns im Studio. Ganz herzlichen Dank für die Einschätzungen und Ihren Besuch.
    Tyderle: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.