Das Gewerkschaftshaus in Cottbus Mitte Juli. Treffen mit dem 29-jährigen Elektrotechniker und Gewerkschafter Lars Kaczmarek. "Mein Herz lebt und schlägt für diese Region, ganz klar." Seine Familie erlebte nach der Wiedervereinigung den großen Einschnitt in der Lausitz. Die Lausitz war einst das Herz der Energieversorgung in der DDR. "Mutti und Vati waren beide im Bergbau gewesen. Mutti hat dann nach der Wende, nach der großen Kündigungswelle die Arbeit verloren, und Vati wird es dann hoffentlich bald irgendwann in die Rente schaffen."
2008 begann Lars Kaczmarek seine Ausbildung beim schwedischen Konzern "Vattenfall", der nun in der Lausitz die Braunkohle abbaute und verstromte und damit ordentlich Geld verdiente. "Für uns war klar, wenn du bei dem einzigen Arbeitgeber in der Region anfängst, der überdurchschnittlich bezahlt und der für dich sorgt, dann wirst du da auch in Rente gehen, gar keine Frage."
Lars Kaczmarek legt sich ins Zeug. Qualifizierte sich weiter, engagierte sich in der Gewerkschaft. Heute weiß er: Irgendwann wird er sich wegen der Klimakrise eine neue Arbeit suchen müssen. Das sei ihm erst spät bewusst geworden, meint er, als die "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" ihre Arbeit aufnahm, ab 2018.
Spätestens 2038 ist Schluss mit Braunkohle
Doch jetzt sei ihm klar: Spätestens 2038 wird die Belegschaft in den Tagebauen der Lausitz und dem Rheinland zum letzten Mal Braunkohle abbauen.
Für Frank Werneke, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft "Verdi", stellt der Ausstieg eine einschneidende Veränderung für die deutsche Wirtschaft dar. Doch das sei erst der Anfang: "Die Veränderungsprozesse in der Energiewirtschaft sind ja erst der Beginn von noch vielen weiteren Veränderungsprozessen, weil sehr stark jetzt bei der Klimawende auf den Energiesektor geschaut wird. Da ist der Entwicklungspfad aber eigentlich vorprogrammiert bis in die 30er-Jahre hinein. Die wirklich großen Veränderungen stehen jetzt in den Sektoren Landwirtschaft bevor: Im Bereich Bauen und Wohnungen und im Bereich Verkehr."
Die Transformation wird viele Arbeitende treffen: Ihre bisherige Tätigkeit wird wegfallen oder sich verändern. Allein in der Automobilindustrie - Deutschlands Leitindustrie - stehen zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe. Ganze Regionen drohen abgehängt zu werden.
Hier kommen die Gewerkschaften ins Spiel: Ihnen kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn der Wandel friedlich und sozialverträglich gelingen soll. Doch die Haltung der Gewerkschaften gegenüber der Klimakrise variiert. In den vergangenen 30 Jahren gab es progressive Vordenker und konservative Bremser. Auch Veränderungen in der Wirtschaft beeinflussten die Positionen bezüglich der Klimafrage. Und: Bis heute gestaltet sich das Verhältnis zu Klimaschützern oft schwierig.
Arbeitsplatz vs. Klimaschutz
Das Dilemma lässt sich erklären: Gewerkschaften kämpfen für den Erhalt guter Arbeitsplätze, sehen das als ihre ureigene Aufgabe. Doch sie wissen heute auch um die Dringlichkeit des Klimaschutzes. Beides zusammenzubringen, stellt eine große Herausforderung dar.
Stefan Körzell aus dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes: "Nun es ist so, dass die Gewerkschaften tatsächlich hier als Gestalter auftreten wollen. Wenn aber Klimapolitik und all das, was da mit Transformation verbunden ist, erstmal als ein Schreckgespenst, also auch um die eigene Beschäftigung um die Ecke kommt, dann wird das schwierig. Von daher wollen wir das Thema auch positiv besetzen, nach vorne gerichtet besetzen."
Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre standen Gewerkschaften häufig auf der Bremse im Kampf gegen die Klimakrise. Die IG Metall betrieb etwa eine Interessenpolitik für den Benzinmotor. Und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie – kurz IG BCE – machte Selbiges für die Braunkohle. "Solange es keine alternative Wertschöpfung oder alternative Arbeitsplätze gibt, dann ist es die Aufgabe von Gewerkschaften, das Alte zu schützen, das muss so sein", sagt Kajsa Borgnäs. Sie leitet die "Stiftung Arbeit und Umwelt" der IG BCE.
"Man schützt ja die unmittelbaren finanziellen Interessen und sozialen Interessen der Mitglieder und das Problem mit der Klimadebatte bislang war ja, dass sie häufig von Ausstiegsdebatten geprägt war, sei es um den Verbrennungsmotor, sei es um den Kohleausstieg."
Noch 2020 forderten Spitzengewerkschafter und einige Ministerpräsidenten eine Abwrackprämie für Autos, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Die Bundesregierung hatte das Instrument in der Finanzkrise 2008 genutzt, mit negativen Folgen für die Umwelt. Gegen eine erneute Abwrackprämie wehrten sich viele, selbst große Teile der den Gewerkschaften nahestehenden SPD. Als die Bundesregierung eine erneute Abwrackprämie ablehnte, reagierten Gewerkschafter scharf.
Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hoffmann sprach von einem "massiven Vertrauensverlust der Beschäftigten der Autoindustrie und angrenzender Branchen in die Sozialdemokratie". Und DGB-Chef Rainer Hoffmann sagte, die Bundesregierung müsse auf die Industrie und die Arbeitnehmer schauen, wenn sie die AfD klein halten wolle.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi positionierte sich im gleichen Jahr jedoch anders, nahm in der Klimafrage eine progressive Haltung ein. Verdi startete eine Kooperation mit den Klimaaktivisten von "Fridays for Future" und dem Bündnis "Unteilbar". Verdi-Chef Frank Werneke: "Damit tun sich drei Organisationen zusammen, die aus unterschiedlichen Ecken kommen, Arbeitnehmerbewegung, ich würde mal sagen Verdi als die bewegungsorientierteste, vielleicht auch politischste Gewerkschaft. Dann die Fridays aus der Umweltbewegung und eben die Demokratiebewegung, weil wir gemeinsame Ziele haben, zum Beispiel, dass dieser Klimawandel ökologisch ambitioniert, aber auch gleichzeitig sozial gerecht vonstattengeht - und das mit den Kolleginnen und Kollegen von Fridays zu diskutieren, ist gut."
Die Kooperation zwischen Verdi und den Klimaaktivisten nahm 2020 ihren Anfang, als es zu Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Personennahverkehr kam. Geboren wurde die Idee ein Jahr zuvor in der Universität Leipzig – bei der Gründungsversammlung von "Students for Future". "Ich durfte selbst als Referent teilnehmen an der Gründungsversammlung der Students for Future", erzählt der Soziologe Klaus Dörre. "Das Audimax war voll. Hunderte von Studierenden drängten sich vor dem Audimax, kamen nicht mehr rein. Eine Stimmung wie zuletzt in den 1968er-Jahren, weil man anpacken wollte, weil allen klar war, wir müssen selbst aktiv werden, um den Klimawandel, den menschengemachten Klimawandel zu stoppen."
Beide Seiten lernen sich langsam näher kennen
Der Betriebsratsvorsitzende der Leipziger Verkehrsbetriebe hätte den jungen Menschen empfohlen, die Gewerkschaften in der bevorstehenden Tarifauseinandersetzung zu unterstützen. Daraufhin hätten Studierende Solidaritäts-Komitees gegründet, in mehr als 25 Städten. "Das hat nicht überall gleich gut geklappt. Es hat geknirscht, teils auch in den Belegschaften geknirscht, aber es ist ein ungeheuer guter Ansatzpunkt, der als Beispiel auch ganz schnell Karriere gemacht hat."
Es gebe gleiche Interessen zwischen Klimaaktivisten und der Gewerkschaft des Öffentlichen Personennahverkehrs, so die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer. "Beim ÖPNV wird es so deutlich: Wir fordern einen Ausbau vom ÖPNV, der soll schneller und günstiger werden und das geht aber natürlich nur, wenn auch die Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ÖPNV, zum Beispiel Busfahrerinnen und Busfahrer, vernünftig gestaltet werden, dass Menschen da ein gutes Arbeitsumfeld haben. Das heißt, wir sehen eine ganz konkrete Interessenlage, die zusammenkommt."
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Gleichzeitig lernten sich beide Seiten näher kennen. "Als wir dann hier in Berlin zusammen gestreikt haben zum Beispiel mit einer Reihe mit Busfahrern war das eine ganz beeindruckende Erfahrung, weil das waren Menschen, von denen man von außen vielleicht nicht erwarten würde, dass sie zu einem Klimastreik kommen und die letztendlich so ehrlich und nachdrücklich erzählt haben, was bei ihnen eigentlich im Arbeitsalltag passiert und warum es auch ihr Interesse ist, dass Klimaschutz gestaltet wird, das aber sozial, das war schon bewegend."
Gewerkschaftsforscher Klaus Dörre betrachtet die Strategie, die Verdi 2020 gefahren hat, als wegweisend. "Verdi hat die Tarifrunde im öffentlichen Personennahverkehr bewusst als eine Tarifrunde angelegt, die die Attraktivität des ÖPNV verbunden hat mit ökologischen Nachhaltigkeitsforderungen. Also es war eine Klima-Tarifrunde, wenn man so will. Das zeigt, wie neue Allianzen entstehen können von Gewerkschaften und ökologischen Bewegungen, Klimabewegungen, die tatsächlich veränderungsmächtig werden."
Die Haltung vieler Gewerkschaften in der Klimafrage sei heute eine andere. Anfangs ist es so gewesen, dass die Gewerkschaften die Klimaziele nicht akzeptiert haben, auch die IG Metall mit versucht hat, gemeinsam mit den Unternehmen als Lobbyist auf die europäischen Entscheider einzuwirken, die Ziele bei der Emissionsreduktion möglichst nicht zu hoch zu schrauben. Das ist vorbei. Dass man die Klima-, die Nachhaltigkeitsziele anerkennen muss, ist inzwischen innergewerkschaftlicher Konsens."
Vorbei also der Zickzackkurs, den viele Gewerkschaften in der Klimafrage immer wieder eingenommen haben. Im Rückblick wird das am Beispiel der IG Metall noch einmal sehr deutlich. Die IG Metall hatte sich vorausschauend Anfang der 1990er-Jahre mit dem Thema beschäftigt - gemeinsam mit Umweltverbänden. Heraus kam das offizielle Programm: "Auto, Umwelt und Verkehr. Umsteuern, bevor es zu spät ist". Darin gab sich die IG Metall umweltbewusst.
"Wir brauchen dringend Fahrzeuge, die abgasarm und leise, äußerst sparsam im Verbrauch fossiler Energieträger und weitgehend wiederverwertbar sind. Wir brauchen dringend einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den überlasteten Ballungsgebieten und für den wachsenden Gütertransport."
Arbeitsplätze gesichert, aber klimaschädlich
In den frühen 90er-Jahren sah es die IG Metall also als ihre besondere Aufgabe, sich frühzeitig mit einer Transformation der Automobilindustrie auseinanderzusetzen, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Gewarnt war sie von dem damaligen Niedergang der Werftindustrie in Norddeutschland oder der Schließung des Stahlwerks in Duisburg Rheinhausen im Ruhrgebiet mit dem Verlust von abertausenden Arbeitsplätzen.
Von den einstmals progressiven Ideen aber war bald nicht mehr viel zu hören. Die IG Metall geriet infolge der Maueröffnung in eine schwierige Situation, weil sich viele wirtschaftliche Vorzeichen änderten: Die deutschen Autohersteller errichteten in Mittel- und Osteuropa Werke, in denen qualifizierte Facharbeiter für deutlich weniger Lohn als hierzulande arbeiteten. Gleichzeitig setzten hiesige Autobauer zunehmend auf Luxuswagen und SUVs, weil die Gewinnmargen deutlich höher sind als bei Kleinwagen. Das sicherte Arbeitsplätze von Beschäftigten, war aber klimaschädlich.
Ein Dutzend Gewerkschafter gründete die Gruppe "Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Klimaschutz" und forderte einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft mit einer Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens: "ausgehend von den menschlichen Bedürfnissen und nicht von den Profiterwartungen einer globalen Minderheit". Um weniger Ressourcen zu verbrauchen und trotzdem genügend Menschen eine Jobperspektive zu bieten, fordern sie eine radikale Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Im Großen und Ganzen aber blieb das Verhältnis von Gewerkschaften und Klimaschützern angespannt.
"Es war ein relativ antagonistisches Verhältnis lange", sagt Kajsa Borgnäs, Leiterin der Stiftung "Arbeit und Umwelt" der IG BCE. "Aber ich bin der Meinung, das hat sich in den letzten Jahren geändert, vor allem nach Paris 2015, weil allen klar geworden ist: es gibt eigentlich nur eine Richtung, und das ist mehr Transformation, mehr Klimapolitik. Aber eben damit es gelingt, damit es schnell gehen kann, muss auch die sozialen Fragen und vielleicht auch Zielkonflikte aufgefangen werden."
Eben die entstünden vor allem, wenn bestehende Wirtschaftsbereiche mit hohem CO2-Ausstoß sehr schnell abgebaut würden - eine neue Wertschöpfung, die Schaffung neuer Arbeitsplätze aber drastisch hinterherhinkten, Unzählige arbeitslos würden. "Das hat auch die grüne Bewegung mittlerweile verstanden. Die Gewerkschaften haben das auch verstanden, es gibt viel mehr Kooperationsprojekte, und man spricht auch viel mehr eine gemeinsame Sprache."
Blieben die sozialen und arbeitsmarktpolitischen Ziele verschwommen, während die klimatologischen Ziele konkret seien, lande man schnell in einer Debatte über Gewinner und Verlierer – die aber gefährde die Transformation. Vorbildlich ist in den Augen von Kajsa Borgnäs der "Kohlekompromiss". Hier sei das Klimaziel mit sozialen und arbeitsmarktpolitischen Zielen verknüpft worden.
Besagten Kompromiss beurteilen Klimaschützer jedoch anders. Sie drängen auf einen frühen Ausstieg aus der Braunkohle, also deutlich vor 2038, um die Klimaziele zu erreichen. Fest steht: Der Spagat, den die Gewerkschaften mit Blick auf die anstehende Transformation machen müssen, bleibt schwierig – trotz allen Wissens um die Notwendigkeit von radikaler Veränderung.
Zurück in der Lausitz, wo die Konfliktlinien noch einmal besonders deutlich werden. Die Menschen in der Region haben wie in allen ostdeutschen Regionen einschneidende Erfahrungen nach der Wende gemacht. Das Verhältnis zwischen Klimaaktivisten und Beschäftigten ist bis heute schlecht. Wie schlecht, erlebte Klaus Dörre bei seinen Befragungen im Rahmen eines Forschungsprojekts zur sozial-ökologischen Transformation. "Man muss ganz klar sagen, dass auf beiden Seiten inzwischen eine Haltung vorherrscht, dass es überhaupt keinen Sinn macht, auch nur miteinander zu reden."
"Ich habe Bergleute mit Tränen in den Augen gesehen"
Manche Aktionen der Klimaaktivisten stießen auf völliges Unverständnis. Wie die Besetzung des Tagebaus Ende 2019. Ute Liebsch, Gewerkschaftssekretärin der "IG BCE" in Cottbus. "Dann sind die in den Tagebau geströmt, haben die Bagger besetzt, haben teilweise auch die Bagger beschädigt. Ich habe Bergleute mit Tränen in den Augen gesehen. Ja, das ist deren Arbeitsplatz, die da kriminalisiert wurden und das geht aus meiner Sicht zu weit. Das hat die Leute hier so aufgebracht und zu Recht aufgebracht."
Die Gewerkschaft hat großen Rückhalt unter den Beschäftigten der "LEAG", die mittlerweile den Tagebau und die Kraftwerke in der Region betreibt, zum zweitgrößten deutschen Stromversorger aufgestiegen ist. Mehr als 80 Prozent der Belegschaft sind gewerkschaftlich organisiert. "Die Gewerkschaft hat sich zu sehr darauf versteift, das Ende der Braunkohle solange wie möglich raus zu schieben", kritisiert Gewerkschaftsforscher Klaus Dörre. "Das nenne ich konservierende Interessenpolitik. Also grundsätzlich erkennt man die Klimaziele an, aber man stellt teils berechtigte, teils eben auch politisch motivierte Fragen, die an der Machbarkeit einer Energiewende, die vor allen Dingen auf erneuerbaren Energien beruht, zweifelt, ja, und das bringt man deutlich zum Ausdruck."
Spätestens als der schwedische Konzern "Vattenfall" 2014 beschloss, sich aus der Lausitz zurückzuziehen und auf erneuerbare Energien umzusatteln, hätte die Gewerkschaft umsteuern müssen. Das sieht Gewerkschafterin Ute Liebsch anders: "Nein, überhaupt nicht, überhaupt nicht. Also wir haben Verantwortung übernommen in dem Prozess, dass wir gesagt haben, dieses Land lebt von der Energiesicherheit für die Wirtschaft und für die Bevölkerung. Und es wäre fatal gewesen, dann zu sagen, jetzt steigen wir aus der Kohle aus ohne eine Alternative zu haben, wo der Strom zukünftig herkommt."
Die Lausitz als Prototyp
Und die Gewerkschaften konnten zufrieden sein. 40 Milliarden Euro sollen in die beiden Kohlereviere fließen, um einen erfolgreichen Strukturwandel zu gewährleisten. Aber wird das die notwendigen Arbeitsplätze schaffen? "Ja, Politik schafft ja erst Mal keine Arbeitsplätze, eine alte Wahrheit. Arbeitsplätze schafft nur die Wirtschaft selber. Was die Politik machen kann, dass sie die Bedingungen dafür, für Investitionen auch schafft, und ich denke da ist Politik auch auf einem guten Weg."
Geplant sei etwa ein Ausbau des Werkes der Deutschen Bahn, sagt ihr jüngerer Gewerkschaftskollege Lars Kaczmarek. "Sie haben gesagt, sie wollen eine zweite Halle bauen, um Dieselloks auf E-Loks umzurüsten und vor allem auch ICE-Wartungen hier durchzuführen." Das solle ungefähr 1000 bis 1200 neue Arbeitsplätze in die Region bringen.
"Das ist wirklich fantastisch. Da kann ich nur den großen Daumen hoch geben. Sie haben gesagt, sie sind damit fertig ungefähr 2025, 2026. Und dann stellt sich ein Landesvater hin, der sagt, aber das Gleis, damit das Werk in Betrieb geht, das haben wir erst 28 oder 29 fertig. Und das sind so Sachen, die verstehe ich eben nicht ganz. Also da kann sich die Politik ruhig mal ein bisschen mehr beeilen, damit eben auch die Dinge so wachsen und wirken können. Sonst wirkt es halt wieder wie ein Versprechen, von dem sie nicht wissen, ob sie es wirklich halten können."
Das Misstrauen in die Politik der Regierenden erklärt nach Ansicht von Gewerkschaftssekretärin Ute Liebsch auch die Wahlentscheidung vieler Arbeiter in der Region. Ein Großteil habe die AfD gewählt. "Das hat eher was damit zu tun, dass man der jetzigen Politik nicht traut." Die Bedingungen in der Lausitz für einen Wandel mögen sich besonders schwierig gestalten. Trotzdem könnte der Konflikt, der sich dort abspielt, einen Vorgeschmack liefern auf das, was vielerorts in Deutschland geschehen könnte, meint Gewerkschafts- und Transformationsforscher Klaus Dörre: "Also ich würde sagen, der Transformationskonflikt in der Lausitz, der steht prototypisch für Konfliktsituationen, die wir in der Automobilzulieferindustrie, im Energiesektor, in der Stahlbranche usw. schon erleben oder in naher Zukunft erleben werden."