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Druck im Spitzensport
Wie Schwimm-Star Dressel mit psychischen Problemen umgeht

Im Spitzensport herrscht traditionell hoher Leistungsdruck. Das kann die Psyche angreifen. So geschehen beim US-amerikanischen Schwimm-Star Caeleb Dressel, der nun über seine psychischen Probleme spricht - und Ratschläge an andere Sportler gibt.

Von Heiko Oldörp |
Caeleb Dressel, US-amerikanischer Schwimmer, blickt konzentriert drein.
Er war ganz früh ganz oben: Caeleb Dressel, US-amerikanischer Star des Schwimmsports. Nachdem er schon alles gewonnen hatte, fiel er in ein Loch, hatte trotz des großen Erfolges psychische Probleme. (IMAGO / Insidefoto / IMAGO / Giorgio Scala / Deepbluemedia / Insidefoto)
Am Freitag (14.07.2023) beginnen im japanischen Fukuoka die Schwimm-Weltmeisterschaften. Der aktuell größte Star dieser Sportart, Caeleb Dressel (USA), wird jedoch fehlen. Der 26-Jährige, der 15-mal WM-Gold gewann und bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio mit fünf Siegen erfolgreichster Athlet war, hat sich diesmal nicht qualifiziert.
Noch vor einem Jahr holte Dressel bei der WM im ungarischen Budapest zweimal die Goldmedaille, doch noch während der Wettkämpfe zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück, ließ das Halbfinale über 100 Meter Freistil sausen. Warum, blieb zunächst unbekannt - später stellte sich heraus, dass Dressel psychische Probleme hatte.

Warnsignal: Dressels Körper und Geist wollten nicht mehr

Lächeln kann er mittlerweile wieder. Das Schwimmen mache ihm endlich wieder Spaß und selbst der Geruch von Chlor störe ihn nicht, sagte der 26-Jährige jüngst bei den US-Schwimm-Meisterschaften in Indianapolis: "Es geht mir gut. Und meine Zeiten sind mir ziemlich egal. ich bin es zwar nicht gewohnt, im C-Finale zu schwimmen, aber ich weiß natürlich, wie diesees Jahr war - und würde nichts ändern."
Mit Blick auf den Umgang mit seinen psychischen Problemen reflektierte Dressel: "Ich habe mich immer dafür gerühmt, Dinge bei Seite schieben zu können, einfach durch zu powern, obwohl Körper und Geist nicht wollten. Und das hat auch lange Zeit funktioniert. Aber dann konnte ich es einfach nicht mehr. Und das war ein riesiges Warnsignal."

Genesungsprozess "wird langfristig meinem Leben guttun"

Was er genau hatte, behielt Dressel für sich. Acht Monate pausierte er nach der WM, nahm im Februar vorsichtig das Training wieder auf, schwamm nun in Indianapolis seinen ersten Wettkampf und sprach erstmals öffentlich über seine Probleme.
Dressel gab einen Einblick: "Ich habe viel über mich gelernt, als ich vom Sport weg war. Ich habe nichts gemacht und war mir nicht mal sicher, ob ich zurückkomme. Es war ein langer Prozess, aber er wird langfristig meiner Karriere und meinem Leben guttun."

Kleinert: "Schwierigkeiten, die völlig menschlich sind"

Dass ein Star seiner Sportart mit diesem immer noch sensiblen Thema an die Öffentlichkeit geht, sei zuallererst bedeutsam für Dressel selbst, unterstrich Jens Kleinert vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln nun im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
Der 59-jährige Professor betonte dabei auch: "In zweiter Linie ist es sicherlich auch wichtig für die Öffentlichkeit. Für den Sport insgesamt, dass es wieder mal ein Athlet ist, der ehrlich zu sich und zu anderen war und offen ausgesprochen hat, dass auch Schwierigkeiten da sind, die völlig menschlich sind. Und dass es bei Athleten, die unter so hohem Druck stehen, die so hohe Belastungen haben, auch nicht verwunderlich ist, dass irgendwann das System mal zusammenbricht."

Mit Siegen steigt auch die Erwartungshaltung

Nach dem Rücktritt von Michael Phelps 2016 suchte Amerika einen neuen Schwimm-Star. Und fand ihn in Dressel, einem damals gerade 20 Jahre alt gewordenen Sprint-Spezialisten aus Florida. Der Neue füllte sofort die Lücke, gewann bei der WM 2017 in Budapest siebenmal Gold. In Südkorea kamen zwei Jahre später sechs weitere Titel hinzu.
Mit jedem Sieg stiegen Erwartungshaltung und somit Druck für das nächste Groß-Event. Dressel wollte die Öffentlichkeit nicht enttäuschen, strebte nach Perfektion. Eine große Herausforderung für Gregg Troy, der in jenem Jahr sein Trainer war: "Normalerweise versuchst du, Sportler zu motivieren, damit sie besser werden, als sie es selbst für möglich halten. Aber Caeleb war bereits der Beste der Welt - und trotzdem dachte er immer, seine Leistungen seien nicht gut genug. Mit dieser Situation musst du ganz vorsichtig umgehen."

Dressel einst mit fünf Goldmedaillen nicht zufrieden

In Tokio wurde Dressel 2021 mit fünf Goldmedaillen zum erfolgreichsten Athleten der Sommerspiele. Drei Titel holte er über Einzelstrecken, schwamm dabei zu zwei Olympischen Rekorden und einem Weltrekord. Glücklich war er trotzdem nicht: "Ich habe in Tokio keine meiner Ziel-Zeiten erreicht. Das war mein erster Gedanke, als ich nach Hause kam - und das ist nicht fair mir gegenüber."
Für Sport-Psychologe Prof. Dr. Jens Kleinert stellt diese Reaktion keine Überraschung dar: "Das ist sicherlich ein grundsätzliches Problem, das nicht weniger Leistungssportler - und Sportlerinnen haben, dass sie an sich extrem hohe Anforderungen und Erwartungen stellen, was ja aber auch irgendwo mit dieser absoluten Elite und Weltspitze einhergeht. Da rutscht man automatisch rein."

Kleinert traut Dressel gesunden Umgang mit Druck zu

Durch die mehrmonatige Pause nach seinem abrupten Verschwinden aus der Öffentlichkeit und die Arbeit mit Spezialisten fühlt sich Dressel nun wieder bereit für die große Bühne. Sein Ziel sind die Sommerspiele nächstes Jahr in Paris. Dressels Geschichte bietet reichlich Stoff für eine Comeback-Story - und sowas liebt das amerikanische Publikum. Doch könnte genau das eine Gefahr für einen Rückfall sein?
Psychologie-Professor Kleinert bezweifelt das. "Er wird viel früher wahrnehmen, wenn etwas nicht funktioniert. Und er wird die Techniken haben, die er sich in den letzten Monaten angeeignet hat, die Strategien, die Verhaltensweisen, um dann recht frühzeitig damit umzugehen. Und deshalb glaube ich auch, dass er es schaffen kann, von diesen äußeren, medialen Stories ein stückweit wegzukommen."
Dressel selbst hat jedenfalls einen Tipp für alle Schwimmerinnen und Schwimmer, die ebenfalls psychische Probleme plagen: "Macht mal 'ne Pause."