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Schwimmende Windräder
Neue Anlagen fürs offene Meer

Windenergie auch weitab der Küste nutzbar machen - an diesem Ziel arbeiten derzeit Ingenieure. Anders als bei klassischen Offshore-Anlagen werden die neuartigen schwimmenden Windräder nicht fest mit dem Boden verbunden. Stattdessen sorgen riesige Widerhaken für den nötigen Halt.

Von Frank Grotelüschen | 05.10.2018
    Östlich von Aberdeen im Nordatlantik ist der erste schwimmende Windpark der Welt in Betrieb gegangen
    Neue Konzepte für schwimmende Windräder wie diese im Nordatlantik wurden auf einer Fachmesse in Hamburg vorgestellt (imago )
    "Der Vorteil: Man kann Windräder auch dort betreiben, wo das Wasser tief ist. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten in Gegenden, wo bislang noch nicht an Offshore-Windparks zu denken war."
    Kevin Banister arbeitet beim US-Unternehmen Principle Power, einem der Pioniere in Sachen schwimmende Windräder. Bereits 2011 hatte die Firma einen Prototyp vor Portugal ausgebracht. Der Name: WindFloat, ein Zwei-Megawatt-Rotor montiert auf einem Spezialponton.
    "Er besteht aus drei großen Säulen. Sie sind mit Stahlstreben zu einem Dreieck verbunden und fungieren als Schwimmkörper. Das Windrad sitzt auf einer dieser Säulen. Um den Ponton bei Seegang stabil zu halten, sind unter Wasser an den Füßen der Säulen riesige Metallplatten befestigt. Sie wirken so, als wenn man in einer Badewanne versucht, eine Platte auf und ab zubewegen – sie bieten dem Wasser einen beträchtlichen Widerstand. Und das hält den Ponton auch bei Seegang stabil."
    Verankerung am Meeresboden
    Verankert wird die Anlage mit überdimensionalen Widerhaken, die sich im Meeresgrund festsetzen – eine Technik, die aus der maritimen Öl- und Gasindustrie kommt. So eine Verankerung macht deutlich weniger Lärm als die Rammarbeiten für ein festes Offshore-Windrad – was die Tierwelt schont, insbesondere die Meeressäuger. Fünf Jahre schwamm der Prototyp vor Portugal. Das Ergebnis:
    "Die Anlage lieferte in den fünf Jahren genauso viel Strom wie ein gewöhnliches Offshore-Windrad. Und sie überstand schwere Stürme mit 18 bis 19 Meter hohen Wellen."
    Nun bereiten Banister und seine Leute den nächsten Schritt vor: 20 Kilometer vor der portugiesischen Küste, bei einer Wassertiefe von 100 Metern, installieren sie drei Turbinen – jede mit einer Leistung von mehr als acht Megawatt - wahre Giganten, 190 Meter hoch. Im nächsten Jahr soll das Trio loslegen und damit den zweiten schwimmenden Windpark in Europa bilden. Der erste ging vor einem Jahr vor Schottland in Betrieb – fünf Windräder, die gleich riesigen Bojen relativ tief im Wasser dümpeln, was ihnen die nötige Stabilität verleihen soll. Noch stecken in all diesen Projekten öffentliche Fördermittel. Doch Kevin Banister hofft, dass sich die Technologie schon bald finanziell freischwimmt.
    "Wir glauben, das wird schon sehr bald passieren. Gerade in Asien gibt’s großes Interesse. In fünf bis sechs Jahren könnten wir uns dort die ersten großen schwimmenden Windparks vorstellen."
    Deutschland testet kleinere Anlagen
    Auch in Deutschland tüftelt man an den schwimmenden Windrädern – zum Beispiel in Büdelsdorf bei Rendsburg.
    "An unserem System ist besonders, dass wir auf ein Fundament zwei Anlagen draufsetzen."
    Sagt Sönke Siegfriedsen, Gründer der Firma aerodyn engineering.
    "Das verbessert die Wirtschaftlichkeit deutlich gegenüber den Anlagen, die größer sind."
    Zwei kleine Windräder, montiert auf einem Schwimmkörper, könnten in der Summe leichter gebaut werden als ein großes – so das Kalkül. Beim Konzept aus Büdelsdorf besteht der Schwimmkörper aus hohlen, geschlossenen Betonröhren. Von oben betrachtet bilden sie ein Ypsilon. Von dessen Mitte aus zweigt ein Turm nach oben ab. Entwicklungsleiter Jan-Christoph Hinrichs.
    "Der Turm ist ebenfalls Ypsilon-förmig, sodass ich an den Enden des Ypsilons je eine Turbine platziert habe. Das ganze System dreht sich um den Verankerungspunkt, sodass ich immer optimal im Wind ausgerichtet bin."
    Und noch etwas fällt auf: Die beiden Rotoren haben nicht wie üblich drei Blätter, sondern nur zwei. Das soll Gewicht sparen, und:
    "Wir sind aktiv im asiatischen Bereich, wo wir Probleme mit Taifunen haben. Und Zweiblatt-Anlagen sind wesentlich weniger empfindlich auf diese hohe Windgeschwindigkeiten."
    Seit 2017 läuft vor Japan ein Praxistest mit einem Modell im Maßstab 1:10, allerdings hat es nur einen Rotor statt zwei. Immerhin überstand es bereits einen Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde. Nun will Siegfriedsen einen Prototyp in Originalgröße bauen, Leistung sechs Megawatt. 2020 könnte er, sollte es mit der Finanzierung klappen, fertig sein.