Olympische Sommerspiele 2004: Die US-Amerikanerin Maritza Correia schwimmt in Athen mit der Staffel zu Silber. Nur die Australier sind schneller. So enttäuscht der amerikanische Kommentator damals klingt: Silber für Correia, ein historisches Ergebnis: Als erste afro-amerikanische Schwimmerin gewinnt sie eine Medaille bei den olympischen Spielen. "Die erste "Person of Color" zu sein, die das gewinnt, ist eine Ehre. Es war mein Traum," gibt Maritza Correira heute zu.
Wenige Schwarze Medaillen-Gewinner kamen in den vergangenen 17 Jahren dazu. Der Schwimmsport war und ist ein weißer. Bis heute hat zum Beispiel noch kein Schwarzer Athlet die Schwimmnation Südafrika bei Olympia repräsentiert. Ähnlich sieht es in Deutschland aus – auch in diesem Jahr stehen keine Schwarzen Schwimmer im deutschen Kader. Ein strukturelles Thema, weiß Correia: "Es ist definitiv ein größeres Problem – es ist ein globales Problem. Es gibt nicht viele Menschen of Color im Schwimmsport."
Neu angeregt hat diese Diskussion das vermutlich unglamouröseste Kleidungsstück, das der Schneider zu bieten hat: die Badekappe. Im Sport ist es ein Mittel zum Zweck. Um schneller zu schwimmen und besser durchs Wasser zu gleiten.
Jetzt, kurz vor Olympia, hat diese Kopfbedeckung eine feurige Diskussion im Wasser entfacht – um Rassismus und Diskriminierung. Ex-Schwimmerin Correia: "Wenn wir weiterhin Eintrittsbarrieren haben und diese aufrechterhalten, dann wird das zu einem Problem."
Badekappen für Afros
Der Hintergrund: Das britische Unternehmen "Soul Cap" stellt Badekappen in Übergrößen her. Für dickes, lockiges Haar, für Dreadlocks und Afros. Sie würden das Leben einiger Sportler vereinfachen, sagt die Silbermedaillen-Gewinnerin Correira: "Wenn man eine Person of Color hat, die darüber nachdenkt zu schwimmen, und diese dann sagt, dass die Kappe zu klein ist, ist das schlecht. Nach dem Motto: Diese Locken, diese Dreads werden da nicht reinpassen. Jetzt aber können wir sagen: Es gibt Optionen."
Ein Problem, das banal klingt, ist eine große Sache. Denn die FINA hat den Antrag zur Zulassung dieser Badekappen nun verboten. Der Grund: Die Schwimmkappen seien ungeeignet und würden "nicht der natürlichen Kopfform entsprechen". So zitiert "Metro" den Verband. Außerdem haben die Athleten, die an den internationalen Wettkämpfen teilnehmen, niemals Kappen dieser Größe und Konfiguration verwendet. Und seien auch nicht dazu verpflichtet.
Ein Paradebeispiel für strukturellen Rassismus, findet Correira: "Diese Kappe ist vor allem für schwarze Menschen gemacht, die natürliche Haare haben. Und eine Entscheidung zu treffen, eine Kappe wie diese aus den genannten Gründen zu verbieten – ich denke, sie diskriminieren damit eine bestimmte Gruppe."
Schreckt die FINA mit ihrer Entscheidung also Schwarze Menschen vom Sport ab? Geschichts-Professor Kevin Dawson von der University of California hat einen historischen Blick auf den Fall: "Die Badekappen haben Schwarze Amerikaner lange Zeit vom Schwimmen abgehalten. Denn es ist schwer, eine Badekappe zu finden, die auf den Kopf passt."
"Ein Willkommensgruß an die Schwarzen"
Diskriminierung sei im Schwimmsport tief verwurzelt. Genauso wie Vorurteile gegenüber Schwarzen Schwimmern: Sie seien wegen ihrer schweren Knochen langsamer, wären wegen extra Muskelschichten behäbiger. Rassistische und herabsetzende Aussagen. Denn das Problem ist kein biologisches, sondern ein soziales – sagt Dawson: "Während des 20. Jahrhunderts manifestierte sich die Wahrnehmung, dass Schwimmen unschwarz ist. Und so begannen sich Mythen und Stereotypen zu entwickeln."
Das Wasser wurde weiß und der Sport auch. Sklaverei und Kolonialismus haben die afrikanische Schwimmtradition zerstört. Und heute? Folgeschäden, meint Correira: "Es gibt Eltern und Großeltern da draußen, die nicht schwimmen durften. Warum sollten sie also ihre Kinder zum Schwimmen bringen?"
Trotz Besserungen in den vergangenen Jahren fühlen sich Schwarze nach wie vor ausgegrenzt. Unter anderem wegen ihren Haaren. Die Badekappe von "Soul Cap" könnte etwas verändern, so Dawson: "Die weiße Gesellschaft würde anerkennen, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt – in der Frisur der Menschen. Es wäre ein Willkommensgruß an die Schwarzen. Denn die Kappe schafft keinen Vorteil. Sie sagt nur: "Du bist im Wasser willkommen".
Entscheidung soll überprüft werden
Die FINA schrieb in einem Statement, dass der Verband die Kommentare und Reaktionen zum Verbot der Kappen zur Kenntnis nehme. Man habe die Bedeutung von Inklusion und Repräsentation verstanden. Der Verband begutachte die Situation in Bezug auf Soul Cap und ähnliche Produkte nun erneut.
Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) erklärte dem Deutschlandfunk in einem schriftlichen Statement, dass man die angekündigte Überprüfung der bisherigen Zulassungsentscheidung durch die FINA begrüße. Man wünsche sich dabei eine Lösung, die für Gleichbehandlung stehe und bei der jede Form von Diskriminierung auszuschließen sei.
Klar ist: Maritza Correira will etwas verändern. Die Badekappen wären ein Schritt in die richtige Richtung. "Das kleine Mädchen, das geboren wird und genauso aussieht wie ich: Ich hoffe, dass ich ihr eine Inspiration bieten kann, über das Schwimmen nachzudenken. Ich will versuchen, ihr zu helfen, dass ihre Reise ein bisschen einfacher wird, als es meine war."