Das Projekt erzählt in Paarungen. Kurt Schwitters und Hans Arp sind das erste Gespann; das Kunstmuseum Basel rekonstruiert eine Künst-lerfreundschaft, die eine Art Urknall für den deutschen Sprachraum bedeutet. Beide sind Doppelbegabungen, sind Poeten und bildende Künstler zugleich, und die Basler lassen uns zu Beginn hören, wie das damals klang, Dada, und wie das war mit Anna Blume, die Kurt Schwitters 1919 besang.
Es ist eine Gegenwelt, die Schwitters aufbaut, auch in seiner Colla-gen-Kunst, ein verrückter Antikosmos, jenseits der etablierten Logik und der Ökonomie, allerdings formal meisterhaft gemacht. Kurz nach dem ersten Weltkrieg beginnt da einer, mit Karton und Wellpappe, Holzleisten, geometrischen Schnipseln, Gaze, Korken und Kalender-blättern, mit Fahrplänen und Eintrittkarten Bilder zu bepflastern und zu collagieren, eine Art künstlerische Kompostierung der Müllhalden, Buchstabensalat, wilde Farbgesten, Formenmelodien. Später werden die Bilder in den Raum wachsen, mit Bürsten und Holzkeilen, "Bün-del des Schiffbrüchigen" heißt ein Bild von 1923, da sind die Schar-mützel der Weimarer Republik als Echo noch drin; es gibt zwar auch konstruktivistische, vor Energie berstende Frühlingsbilder, aber 1939 dann auch ein "Gewitterbild", da weiß einer, was kommt.
Schwitters ironische Gesänge von den geringsten Dingen, von einer zersplitterten Welt werden über diverse Entwicklungs-Phasen immer parallelgeführt mit dem Werk des Hans Arp, und es ist eigentlich im-mer klar, wer hier der Anreger ist, der ältere Bruder. Die Initialzün-dung für Schwitters, so sagt Kurator Hartwig Fischer, kam jedenfalls von Arp.
Und folgerichtig steht auch Arps bereits gänzlich abstrakter Messing-Kopf, seine Kaspar-Skulptur von 1930, im ersten Raum.
Schwitters, das ist der Splitter; Arp, das ist der Mensch als Amöbe, als organische Form. Von den frühen Holzreliefs entwickelt sich das im-mer weiter zu jenem Triumph der abstrakten Gestalt, des Torsos, des verletzten, verstümmelten Menschen ohne Kopf und Glieder, der in seiner Versehrtheit die perfekte, abgeschlossene Form findet und bei Arp von jeder Seite sich anders darstellt.
Im Kunstmuseum sieht man die Brüder Arp und Schwitters, im "Mu-sée Tinguely" dagegen wird Schwitters als Vaterfigur gefeiert. Er sei "total verschwittert", sagte Jean Tinguely über sein Vorbild, und die Ausstellung zeigt in der Konfrontation, dass Tinguely in der Tat das, was bei Schwitters noch statisch blieb, schrottklempnerisch in satiri-sche Bewegung versetzte. Die einzelnen Kabinette belegen Schwitters Spiel mit dem Zufall, es gibt Kultpumpen und Lustmordkästen, Bilder mit Hobelspänen und kleine Grotten.
Zentral aber ist die Rekonstruktion des im zweiten Weltkrieg zerstör-ten Merz-Baus. Nicht Kommerz wollte Schwitters, sondern Merz – wenngleich die Nazis solche Alternativen alsbald ausmerzten. Der Merzbau war für Schwitters innerstes Zentrum, ein kleiner Raum, Atelier und Kunstwerk zugleich, der Versuch einer Versöhnung von Kunst und Leben. Wenn man darinnen steht, fühlt man sich in einer Art Orgon-Kasten oder mitten in einem Hirn, in einem Raum, der mit abstrakten Formen nach innen zuwächst, höhlenartig verengt. Ein chi-nesischer Priapus steht herum und ein Bild der frommen Helene.
Der Ausklang in der Fondation Beyeler ist dann von flirrender Leich-tigkeit. Er beschwört und belegt mit vielen Exponaten die Korrespon-denzen zwischen Juan Mirò und Alexander Calder. Es muß schon ein seltsamer Anblick gewesen sein, als Calder Ende der 20iger Jahre in Pariser Cafés saß und kleine Drahtmännchen zurechtbog. Die Ausstel-lung zeigt, wie diese insektenartigen Männchen, diese Zirkus-Wesen sich im Lauf der Zeit tatsächlich in die Luft erheben, wie sie zu La-mellen und Amöbenformen mutieren und Teile von sanften Windspie-len werden, von Mobiles, die sich mit dem kleinsten Hauch wunder-sam verändern.
Die Spinne, der Strichmann ist auch bei Mirò die Grundfigur seiner abstrakten Arbeit, und man kann an der Formensprache schön nach-vollziehen, wie die eng beiden Freunde kommunizierten: Flecken und Kugeln in einer leeren Welt, sich verzweigende Fäden, Zitate aus Ge-ometrie und Biologie, hier Miròs Aquarien, dort Calders Flugobjekte.
Allerdings wird auch klar, dass Mirò in seiner Frühphase, in den lee-ren blauen Flächen, wirklich Revolutionäres leistet, während er sich später oft nur wiederholt, immer neue Muster und Labels findet und die farbenfrohe scheinnaive Kindermalerei lediglich zu einem leerlau-fenden Markenzeichen perfektioniert.
Auch bei Calder haben es die Kuratoren etwas zu gut gemeint: nach der imponierenden Frühphase, die den Schritt vom Drahtmenschen zur Abstraktion belegt, wird das Spätwerk absolut überinstrumentiert; man bewegt sich durch unendlich viel Calder-Geflügel und Mobiles, die sich nur selbst zitieren und in der Masse eher wenig Eindruck ma-chen.
Von Schwitters zu Calder – ganz Basel ist derzeit ein großes Spiel-zimmer, jedenfalls, was die Museen anbetrifft. Und draußen vor der Fondation Beyeler geht dann ein Artist über das Hochseil – so wie A-lexander Calders frühe Menschen. Der auch finanzielle Drahtseilakt dieser drei Museen – möge er gelingen.
Es ist eine Gegenwelt, die Schwitters aufbaut, auch in seiner Colla-gen-Kunst, ein verrückter Antikosmos, jenseits der etablierten Logik und der Ökonomie, allerdings formal meisterhaft gemacht. Kurz nach dem ersten Weltkrieg beginnt da einer, mit Karton und Wellpappe, Holzleisten, geometrischen Schnipseln, Gaze, Korken und Kalender-blättern, mit Fahrplänen und Eintrittkarten Bilder zu bepflastern und zu collagieren, eine Art künstlerische Kompostierung der Müllhalden, Buchstabensalat, wilde Farbgesten, Formenmelodien. Später werden die Bilder in den Raum wachsen, mit Bürsten und Holzkeilen, "Bün-del des Schiffbrüchigen" heißt ein Bild von 1923, da sind die Schar-mützel der Weimarer Republik als Echo noch drin; es gibt zwar auch konstruktivistische, vor Energie berstende Frühlingsbilder, aber 1939 dann auch ein "Gewitterbild", da weiß einer, was kommt.
Schwitters ironische Gesänge von den geringsten Dingen, von einer zersplitterten Welt werden über diverse Entwicklungs-Phasen immer parallelgeführt mit dem Werk des Hans Arp, und es ist eigentlich im-mer klar, wer hier der Anreger ist, der ältere Bruder. Die Initialzün-dung für Schwitters, so sagt Kurator Hartwig Fischer, kam jedenfalls von Arp.
Und folgerichtig steht auch Arps bereits gänzlich abstrakter Messing-Kopf, seine Kaspar-Skulptur von 1930, im ersten Raum.
Schwitters, das ist der Splitter; Arp, das ist der Mensch als Amöbe, als organische Form. Von den frühen Holzreliefs entwickelt sich das im-mer weiter zu jenem Triumph der abstrakten Gestalt, des Torsos, des verletzten, verstümmelten Menschen ohne Kopf und Glieder, der in seiner Versehrtheit die perfekte, abgeschlossene Form findet und bei Arp von jeder Seite sich anders darstellt.
Im Kunstmuseum sieht man die Brüder Arp und Schwitters, im "Mu-sée Tinguely" dagegen wird Schwitters als Vaterfigur gefeiert. Er sei "total verschwittert", sagte Jean Tinguely über sein Vorbild, und die Ausstellung zeigt in der Konfrontation, dass Tinguely in der Tat das, was bei Schwitters noch statisch blieb, schrottklempnerisch in satiri-sche Bewegung versetzte. Die einzelnen Kabinette belegen Schwitters Spiel mit dem Zufall, es gibt Kultpumpen und Lustmordkästen, Bilder mit Hobelspänen und kleine Grotten.
Zentral aber ist die Rekonstruktion des im zweiten Weltkrieg zerstör-ten Merz-Baus. Nicht Kommerz wollte Schwitters, sondern Merz – wenngleich die Nazis solche Alternativen alsbald ausmerzten. Der Merzbau war für Schwitters innerstes Zentrum, ein kleiner Raum, Atelier und Kunstwerk zugleich, der Versuch einer Versöhnung von Kunst und Leben. Wenn man darinnen steht, fühlt man sich in einer Art Orgon-Kasten oder mitten in einem Hirn, in einem Raum, der mit abstrakten Formen nach innen zuwächst, höhlenartig verengt. Ein chi-nesischer Priapus steht herum und ein Bild der frommen Helene.
Der Ausklang in der Fondation Beyeler ist dann von flirrender Leich-tigkeit. Er beschwört und belegt mit vielen Exponaten die Korrespon-denzen zwischen Juan Mirò und Alexander Calder. Es muß schon ein seltsamer Anblick gewesen sein, als Calder Ende der 20iger Jahre in Pariser Cafés saß und kleine Drahtmännchen zurechtbog. Die Ausstel-lung zeigt, wie diese insektenartigen Männchen, diese Zirkus-Wesen sich im Lauf der Zeit tatsächlich in die Luft erheben, wie sie zu La-mellen und Amöbenformen mutieren und Teile von sanften Windspie-len werden, von Mobiles, die sich mit dem kleinsten Hauch wunder-sam verändern.
Die Spinne, der Strichmann ist auch bei Mirò die Grundfigur seiner abstrakten Arbeit, und man kann an der Formensprache schön nach-vollziehen, wie die eng beiden Freunde kommunizierten: Flecken und Kugeln in einer leeren Welt, sich verzweigende Fäden, Zitate aus Ge-ometrie und Biologie, hier Miròs Aquarien, dort Calders Flugobjekte.
Allerdings wird auch klar, dass Mirò in seiner Frühphase, in den lee-ren blauen Flächen, wirklich Revolutionäres leistet, während er sich später oft nur wiederholt, immer neue Muster und Labels findet und die farbenfrohe scheinnaive Kindermalerei lediglich zu einem leerlau-fenden Markenzeichen perfektioniert.
Auch bei Calder haben es die Kuratoren etwas zu gut gemeint: nach der imponierenden Frühphase, die den Schritt vom Drahtmenschen zur Abstraktion belegt, wird das Spätwerk absolut überinstrumentiert; man bewegt sich durch unendlich viel Calder-Geflügel und Mobiles, die sich nur selbst zitieren und in der Masse eher wenig Eindruck ma-chen.
Von Schwitters zu Calder – ganz Basel ist derzeit ein großes Spiel-zimmer, jedenfalls, was die Museen anbetrifft. Und draußen vor der Fondation Beyeler geht dann ein Artist über das Hochseil – so wie A-lexander Calders frühe Menschen. Der auch finanzielle Drahtseilakt dieser drei Museen – möge er gelingen.