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Schwul in Belgrad

Eine "Gay Pride Parade" ausgerechnet im homophoben Serbien? Wie es dazu kommt und wer dabei mit wem aneinandergerät, das erzählt der Belgrader Regisseur Srdjan Dragojevic in seiner tragikomischen Filmgroteske.

Von Josef Schnelle | 13.09.2012
    "Wisst ihr, wenn wir euch Schwuchteln und Lesben die Menschenrechte geben, kommen ja auf einmal alle bei uns an."

    Limun ist ein harter Kerl und das im Macho-Musterland Serbien, da wo Schwule und Lesben von rechten Schlägertrupps verfolgt und manchmal sogar totgeschlagen werden. Undenkbar also ist eine Gay-Pride-Parade. 2010 mussten tatsächlich 5600 Polizisten eine solche Parade vor 6000 Hooligans schützen. Dennoch wurden über 200 Demonstranten verletzt. Diese wahren Begebenheiten, die Regisseur Dragojevic zur Folie seiner Komödie um Geschlechterrollen und Balkanidentitäten macht, wird am Ende des Films mit einigen dokumentarischen Bildern belegt. Zuvor aber sehen wir ein Kinomärchen, das alte Kämpfer der blutigen jugoslawischen Separationskriege und Aktivisten der Schwulenbewegung miteinander versöhnt. Tierarzt Radmilo möchte eigentlich nur in Ruhe und Verborgenheit mit seinem Lebensgefährten Mirko leben. Doch der will sich mit der homophoben Gesellschaft, in der sie leben, nicht zufrieden geben und plant eine rosarote Parade, die ein Zeichen setzen soll. Als er dem geliebten Pitbull Limuns das Leben rettet, der nach einem gewalttätigen Leben eine sogenannte Sicherheitsfirma mit angeschlossenem Sportstudio führt, ergreift Radmilo die Gelegenheit beim Schopf.

    "Wenn es um Liebe geht, sind Kriminelle und Schwuchteln gleich." – "Sag, was du hast, Tunte." – "Den Traum Ihrer Verlobten gegen den meines Partners. Ich finde das ist ein fairer Deal."

    Radmilos Partner wäre in einem anderen Leben Schriftsteller und Schöngeist. Doch – daher das Angebot – nun schlägt er sich als Eventmanager und Veranstalter kitschiger Hochzeiten durch. Genau eine solche "rosa Hochzeit" möchte – wenn schon geheiratet wird – Limons Freundin Pearl, die durchaus nicht zart besaitet ist. Und so machen sich Limun und Radmilo auf eine Reise durch ganz Jugoslawien, um die besten Kämpfer aller neuen Balkanstaaten zusammenzutrommeln, die die Parade beschützen sollen. Regisseur Dragojevic greift tief in die Klamottenkiste, um in dieser absurd konstruierten Komödie noch die größten Gegensätze miteinander zu versöhnen.

    Eine furchterregende Truppe ehemaliger sogenannter Kriegshelden, Gangster und Verbrecher sammelt sich bald um das rosa gestrichene Auto des friedlichen schwulen Tierarztes. Sie eint allein die Tatsache, dass sie eigentlich die Verlierer dieser Kriege sind und nun für eine Sache eintreten sollen, die ihnen nichts bedeutet. Das aber tough und mit allen Konsequenzen. Ein Hauch der Schlagdraufklamotten von Bud Spencer und Terence Hill weht durch diesen Film. Bis die knallharten Typen endlich ihre Auftraggeber kennenlernen - eine kleine Truppe, die sich "NGO Tolerance" nennt und deren Mitglieder so etwas wie reichlich mutige Angsthasen sind. In vielen komischen Situationen kommen sich die so unterschiedlichen Typen näher und entdecken, dass sie in ihren Lebensträumen gar nicht so unterschiedlich sind. So werden scheinbar natürliche Feinde – das geht so fast nur in einer überdrehten Komödie - immer mehr zu Freunden. Lebensträume, Vorlieben und Marotten verdichten zu etwas, das man Freundschaft oder Solidarität nennen könnte. Da die knallharten Töne Limuns eigentlich Freundschaftsbekundungen sind, spürt man die Gefahr hinter den Sprüchen kaum noch. Im Märchen werden ja schließlich sogar Drachen bekehrt.

    "Der Bengel ist irgendwie schwer in Ordnung. Aber wie der trinkt. Das war mir gleich suspekt. Wenn du nicht gewesen wärst, hätt’ ich ihn gleich umgebracht. So viel ist klar. Ich hab Menschen getötet. Ich hab Serben getötet. Ich hab in Deutschland und in Schweden geraubt. Ich habe im Krieg für drei Seiten gekämpft. Aber ich hab noch nie in meinem Leben Schwuchteln beschützt."