Wenn ein neuer Planet entdeckt wird, lässt das die zehn Mitarbeiter im Kölner Science Media Center kalt. Kein public issue, ohne Folgen für die Allgemeinheit. Aber wenn es etwa um die Berichterstattung rund um Feinstaubwerte oder Glyphosat geht, ist die Wissenschaft gefragt. Die Journalisten des Science Media Centers bitten dann ihnen bekannte Experten an den Hochschulen und Forschungsinstituten um deren Expertise. Der Mitgründer der Plattform, der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz, hat weitere Beispiele von Forschungsergebnissen parat, die öffentlich diskutiert werden müssen:
"Embryonen werden für die Forschung eingesetzt oder Genome Editing wird beim Menschen erstmals angewendet in China. Dann ist es so, dass wir als Wissenschaftsjournalisten oft das Paper ein paar Tage vorher bekommen und in dieser Periode praktisch von diesem Autor des Papers unabhängige Experteneinschätzungen liefern. Und das hilft natürlich den Journalisten das einzuordnen."
Vor der Sperrfrist
Eine große Hilfe, die das Science Media Center SMC da seinen mehr als 350 registrierten Journalistenkollegen liefert, festen wie freien, die typischerweise für kleinere Tageszeitungen schreiben. In Köln werden "Nature" und mehr als 150 weitere Journals gelesen, also Wissenschafts-Zeitschriften und -Publikationen, und deren Autoren registriert. Von diesen Journals verhängen einige Embargos: Sie teilen Forschungsergebnisse also vorab mit, allerdings unter der strengen Auflage, sie keinesfalls vor Ende einer Sperrfrist zu veröffentlichen. Wer auch zukünftig als Wissenschaftsjournalist arbeiten möchte, sollte sich tunlichst an diese Sitte der Branche halten.
Auf Deutsch und kostenfrei
Seine Recherchedossiers veröffentlicht das SMC auf Deutsch - damit möglichst viele Journalisten und andere Besucher der Internetseite die ansonsten in Fachenglisch geschriebenen Forschungsergebnisse rezipieren. Geschäftsführer Mirko Meurer:
"Wir sind ja eine gemeinnützige GmbH. Und in der Tat ist es so, dass wir keine Honorare zahlen an diejenigen, die uns Informationen geben. Genauso wenig verlangen wir Geld von denjenigen, die unsere Produkte beziehen. Das ist ein Engagement im gemeinnützigen Sinn. Wir wollen die Stimme der Wissenschaft zu Gehör bringen - in dem Moment, in dem Journalisten zuhören."
Keine fertige Pressemitteilung sondern Einordnung
Nach Meurers Angaben sind 400 Wissenschaftler in der Kontaktdatenbank. Absagequote: 10 Prozent. Der Rest sähe die Vorteile des gemeinwohlorientierten deutschen Science Media Centers und wird idealerweise während der Embargophase kontaktiert, also vor dem Ende der Sperrfrist, wenn es um wichtige Forschungsergebnisse aus dem jeweiligen Fachgebiet geht. Was dann das unparteiisch auftretende und nach britischem Vorbild gegründete SMC zusammenstellt, ist Rohmaterial: Zitierfähige Statements mehrerer Wissenschaftler, die oft auch kritische Einschätzungen für die Debatte um neueste Forschungssensationen liefern. Redakteur Volker Stollorz sieht darin den spezifischen Beitrag für die Wissenschaftskommunikation:
"Wir ersetzen ja nicht Journalisten, sondern wir wollen ihnen helfen. Das heißt, wir liefern keine Endprodukte. Wir machen keine fertige Pressemitteilung. Machen kein Factsheets, die man so einfach reinkopieren kann. Sondern wir wollen die Arbeit der Journalisten erleichtern, indem wir Experten schon kennen, die sie vielleicht erst finden müssen. Oder halt Einordnung liefern bei Dingen, die wirklich kompliziert einzuschätzen sind unter Zeitdruck. Da sah ich halt die Lücke, dass, wenn man das systematisch macht, dass das dann eine Dienstleistung für alle sein kann."
Finanziert durch Stiftung und Förderer
Finanziert durch Stiftungsgelder und Fundraising. Vor der SMC-Gründung hatte die Journalistenvereinigung TELI, die Technisch-Literarische Gesellschaft, gewarnt, es bestehe die Gefahr für nur ein weiteres PR-Portal für Wissenschaft und Technik. In der Tat beschränken sich die zehn Mitarbeiter des SMC auf die Themenbereiche Medizin und Lebenswissenschaften, Klima, Umwelt und IT sowie Technologie und Energie. Ob das Science Media Centers in andere Wissenschaftsfelder expandiert, hängt von der künftigen Finanzierung ab. Angeschoben wurde sie von der Klaus Tschira Stiftung. Doch der SAP-Mitgründer starb in der Zeit, als das SMC seine Arbeit aufnahm. 80 Prozent des Etats kommt zurzeit von dieser Stiftung. Den Rest steuern 27 weitere Förderer bei, etwa Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen wie die Unis in Heidelberg, Freiburg oder Bonn, aber auch Medienunternehmen wie die Süddeutsche, die FAZ oder die dpa. Für den Ruf der Unabhängigkeit ist es Geschäftsführer Meurer wichtig, viele weitere Institutionen als Förderer zu gewinnen. Gerade durch die Vielfalt der eingeholten Expertenstimmen sollen die Aussendungen des Science Media Center weiter dafür sorgen, dass so manch eine vermeintliche wissenschaftliche Sensation nicht mehr ganz so fette Überschriften bekommt.