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Sea-Watch 3
Carola Rackete sieht sich im Recht

Die Kapitänin der Sea-Watch 3, Carola Rackete, sieht sich laut einem NDR-Interview im Hinblick auf ihre unerlaubte Einfahrt in den Hafen von Lampedusa im Recht. Einer möglichen Anklage werde sie sich stellen. Gegen den italienischen Innenminister Matteo Salvini strebt sie eine Klage an.

Von Peter Hornung |
Carola Rackete (M), deutsche Kapitänin der "Sea Watch 3" im Hafen von Porto Empedocle
"Wir haben auf dieser Mission alles richtig gemacht", meint Kapitänin Carola Rackete (Pasquale Claudio Montana Lampo/ANSA/dpa)
Carola Rackete ist der Ansicht, richtig gehandelt zu haben. In den Hafen von Lampedusa einzufahren, ohne Genehmigung der italienischen Behörden, das sei das letzte Mittel gewesen. Sie habe einen sicheren Hafen gesucht: Malta, Frankreich, Italien und die Niederlande, unter deren Flagge die Sea-Watch 3 fährt, angefragt. Aber niemand habe helfen wollen.
"Ich war vor allem unglaublich frustriert, weil wir wirklich zwei Wochen lang versucht haben, diese Situation zu lösen, mit allen legalen und politischen Mitteln und wir einfach dort sitzen gelassen wurden, niemand uns geholfen hatte. Und es blieb uns letztlich keine andere Wahl. Weil nachdem wir diese Leute erst mühevoll gerettet hatten aus diesem Seenotfall, sie dann sicher waren, hat sich die Lage wieder so verändert, dass die Leute praktisch ein zweites Mal letztlich in Lebensgefahr waren. Und das wäre überhaupt niemals nötig gewesen, wenn die Behörden vorher auf unserer Anfragen eben reagiert hätten."
Warum nicht nach Tunesien oder Marokko?
Dem NDR gab sie nun das erste Fernsehinterview, nachdem der Hausarrest gegen sie am Dienstag aufgehoben worden war. Panorama-Reporterin Nadia Kailouli führte das Gespräch an einem geheim gehaltenen Ort auf Sizilien, wo sich Rackete derzeit aufhält. Reporterin Kailouli selbst war zuvor zwei Wochen auf der Sea-Watch 3 und hatte von dort berichtet. Nadia Kailouli:
"Es stellt sich die Frage, warum Sie darauf gewartet haben, dass sich zum Beispiel Italien meldet, dass Sie die Menschen dorthin bringen, warum Sie nicht an einen anderen Hafen gefahren sind, zum Beispiel Tunesien oder Marokko. Das sind immerhin Länder, wo andere Menschen auch Urlaub machen. Warum sind Sie nicht dorthin gefahren?"
"Also Menschen, die da Urlaub machen, sind ja Touristen. Wir haben Menschen mit sehr speziellen Lebensgeschichten an Bord und es gibt in Tunesien kein Asylsystem, zum Beispiel. Es gibt kein geordnetes Asylsystem. Amnesty Internation befindet, dass es dort kein sicherer Hafen ist, aufgrund der Umstände, die Flüchtlinge dort erleben."
Auch Libyen habe sie ausgeschlossen. Die libysche Küstenwache habe zwar die Koordinierung übernommen, dann aber nur mit großer Verzögerung reagiert. Die Geretteten dorthin zu bringen, das habe sie nicht verantworten können.
"Es verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, und auch die EU-Kommission hat ganz klar gesagt, dass Libyen, das ganze Land Libyen keine sicheren Häfen hat. Es handelt sich ja schließlich auch um ein Bürgerkriegsland."
Zusammenstoß mit Patrouillenboot ein "Unfall"
Rackete wehrt sich in dem Interview auch gegen Vorwürfe, sie habe bei der Einfahrt nach Lampedusa absichtlich ein italienisches Patrouillenboot gerammt. Carola Rackete:
"Die Situation war ein Unfall. Das ergibt sich auch ganz klar aus den Videoaufnahmen. Es gab natürlich zu keinem Zeitpunkt irgendeine Absicht zu dieser Kollision, die hat sich aus der Situation ergeben und aus dem Fall, dass dieses Boot der Guardia di Finanza sich uns aktiv in den Weg gestellt hat, uns aktiv praktisch in den Weg gefahren ist, als wir an diesem Pier anlegen wollten."
Kritik an Seehofer, Klage gegen Salvini
Den Vorwürfen gegen sie und ihre Hilfsorganisation in Italien will sich Carola Rackete auch in einem Prozess stellen:
"Für den Fall, den wir nicht erwarten, dass eine Anklage zustande kommt, werde ich mich der selbstverständlich stellen, weil ich dann spätestens beim Gerichtsverfahren mit einem Freispruch rechne. Ich denke, dass wir auf dieser Mission alles richtig gemacht haben. Am Ende ist es das Richtige, dass wir diese insgesamt 53 Personen gerettet und in einen sicheren Hafen gebracht haben."
Im Interview mit dem "Spiegel" übte Rackete Kritik an Bundesinnenminister Seehofer. Er habe kein Interesse daran gezeigt, auf die deutschen Kommunen einzugehen, die sich bereiterklärt hatten, Flüchtlinge der Sea-Watch 3 aufzunehmen. Racketes italienischer Anwalt kündigte unterdessen eine Klage gegen Italiens Innenminister Salvini an. Rackete sehe sich durch die Äußerungen des Rechtspopulisten vor allem in sozialen Medien diffamiert.