Eine junge privilegierte Frau sieht es als ihre Pflicht an, Flüchtlinge vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten. Sie nimmt dafür einiges in Kauf, sogar eine Gefängnisstrafe – und: Sie bietet dem italienischen Innenminister Salvini selbstbewusst die Stirn. 'Ich muss mich hier um über 60 Menschen kümmern – da könne sich Mr. Salvini gefälligst hinten anstellen', so Carola Rackete in einer Pressekonferenz via Skype. Die Frankfurter Rundschau nennt sie in ihrer heutigen Ausgabe eine "wahre Europäerin".
Zeiten des moralischen Verfalls
Auch die Publizistin Jagoda Marinić, Autorin des Buches "Sheroes", in dem es um weibliches Heldentum geht, sagt: "Die Reaktion auf Carola Rackete beweist vor allem, dass wir nicht ganz im postheroischen Zeitalter angekommen sind und selbst wenn, dass wir tatsächlich wieder dorthin gehen, dass wir Heldenbilder brauchen in Zeiten des moralischen Verfalls."
Carola Rackete stehe für einen Menschen, der "seinem moralischen Kompass folgt". Frauen hätten jenseits der traditionellen Codes die Chance, das Heldentum neu zu definieren. Die Kapitänin sei zierlich, ließe sich nicht beirren und habe Gewissenstärke – in Zeiten, in denen Politiker gerade dies nicht hätten, wie Marinić feststellt.
Funktionieren die Werte der Aufklärung noch?
Wir lebten in Zeiten, so Marinić, in denen sich viele Menschen fragten, ob die Werte der Aufklärung noch funktionierten. Rackete habe mit ihrem Handeln einen symbolischen Akt vollzogen und Europa den Spiegel vorgehalten, nämlich "was Europa selbst und die Staaten Europas zu leisten hätten."
"Wir haben im Moment eine andere Form der Kriegsführung. Salvini würde gern diesen Akt der Humanität als Kriegsführung umdeuten. Was aber Rackete tatsächlich lebt, ist Humanität", sagt Jagoda Marinić. An Umweltaktivistin Greta Thunberg oder der US-demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez sehe man zurzeit, dass Frauen Emotionen mit Stärke verbinden könnten. "Das Heldentum verschiebt sich jetzt."