Die Menschen seien an Bord des Rettungsschiffes Sea-Watch 3 und würden medizinisch betreut. Die Rettungsaktionen hätten sich zwischen dem Heilgen Abend und dem 25.12.2021 ereignet, sagte Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski im Deutschlandfunk. Zuerst seien 93 Menschen aus einem doppelstöckigen Holzboot gerettet worden, dann noch einmal etwa weitere 180. Die Menschen an Bord seien zum Teil dehydriert, seekrank und litten vereinzelt unter chemischen Verbrennungen, die durch ein Meersalz-Benzin-Gemisch, das sich in den Booten sammele, verursacht werde. Sie seien unterschiedlicher Herkunft, gemeinsam sei ihnen in der Regel, dass sie zuvor in libyschen Auffanglagern gewesen seien.
Kulikowski sagte, dass alle Länder der EU eine Verantwortung trügen für Menschen, die auf Suche nach Schutz und Sicherheit seien. Dies betreffe auch Deutschland, nicht nur die Mittelmeeranrainer und sei "ein Fingerzeig an die neue Bundesregierung, wo sich die SPD nicht mehr hinter der CDU verstecken kann". Kulikowski sagte, dass es in Deutschland 270 Städte und Kommunen gebe, die bereit seien, Menschen aufzunehmen. Dies müsse politisch möglich gemacht werden.
Sea-Watch: Völkerrechtliche Bindung
Der Sea-Watch-Sprecher führte aus, dass es seiner Organisation völkerrechtlich nicht möglich sei, die Menschen nach Libyen zurückzubringen. Sea-Watch müsse die Menschen in einen sicheren Hafen bringen. Dieser könne im Handlungsbereich von Sea-Watch nur in Europa, konkret in Italien oder Malta, liegen. Dort befänden sich die nächstgelegenen Häfen.
"31.000 Menschen von Küstenwache nach Libyen zurückgeschleppt"
Kulikowski sagte, dass im laufenden Jahr 31.000 Menschen von der libyschen Küstenwache "nach Libyen zurückgeschleppt" worden seien. Das seien fast dreimal so viele wie 2020. Dies sei "nichts anderes als ein Völkerrechstbruch, von Europa legitimiert und finanziert".
"Rettungsschiffe kein zentraler Anreiz für die Flucht"
Kulikowski wies darauf hin, dass es wissenschaftliche Studien gebe, die den Effekt widerlegten, dass Sea-Watch durch seine Päsenz auf dem Mittelmer überhaupt erst Fluchtanreize für die Menschen schaffe. Das Italian Institute for International Political Studies (ISPI) etwa habe gezeigt, dass Rettungsschiffe kein zentraler Anzeiz für die Flucht seien. Anreize seien vielmehr trügerische Wetterverhältnisse und insbesondere die Bedingungen in Libyen. Dort seien nach wie vor "schwerste Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung".