Auf einem Tisch liegen aufgestapelte große Rollen Ziegen-, Rind und Schweinsleder in verschiedenen Farben. Daneben ein prächtiges Buch mit goldverziertem Rücken und mit Macken: Brandspuren, schwarze Ränder, zusammengeschrumpeltes Leder.
In der hauseigenen Restaurierungswerkstatt der Anna Amalia Bibliothek beugt sich Matthias Hageböck, der Chefrestaurator, über einen ziemlich zerfallenen Ledereinband, bearbeitet ihn mit Skalpell und Zahnarztbohrer.
"Wir haben es hier in der Einbandrestaurierung hauptsächlich mit Wasserschäden zu tun und teilweise eben auch Hitzeschäden; also Strahlungshitze, die Materialien beschädigt hat. Das trifft insbesondere die Pergament- und Ledereinbände, die dann bei Strahlungshitze auch mit Schrumpfung reagieren, zum Beispiel."
Der Restaurator will den Einband dennoch erhalten, und was fehlt, behutsam ersetzen. Mit einem kleinen Schleifer schmirgelt er die Kanten ab.
"So, jetzt haben wir ungefähr drei Zentimeter bearbeitet, das ging relativ schnell. Aber bei einem Buch, wo wir einen Deckel haben, der ungefähr 30 Zentimeter groß ist, können Sie sich vorstellen, sind das teilweise recht langwierige Arbeiten."
Auf dem Schreibtisch liegt ein Heft, in dem alles minutiös dokumentiert wird: welches Buch es ist, in welchem Zustand es sich befindet, welche Schäden es aufweist, aus welchem Material es besteht und wie es nun mit welchen Mitteln behandelt wird. Denn die Anna Amalia Bibliothek ist eine Gedenkstätte der deutschen Klassik, das verpflichtet zu höchstem Niveau, deswegen erhält jedes Buch sozusagen eine detaillierte Krankenakte.
"So ein einzelnes Heft ist ungefähr zwei Millimeter stark. Wir haben davon im Magazin aber bestimmt schon zehn Meter zusammen, nur von diesen begleitenden Dokumentationsheftchen."
Reisebeschreibungen aus dem 18. Jahrhundert, Teile des neuen Testaments aus dem 16. Jahrhundert, französische Romane - das Feuer im September 2004 hatte großen Schaden angerichtet - quer durch den Bestand der Bibliothek. Mehr noch aber setzte das Löschwasser den kostbaren Büchern zu.
Die Werkstatt des Matthias Hageböck wäre vermutlich für mehr als 100 Jahre ausgebucht, um all die Schäden zu reparieren. Nun hat er die Arbeit delegiert. 14 Vertragswerkstätten sind langfristig beschäftigt, hier mitzuhelfen.
Eine Etage höher, im historischen Gebäude, zeigt der Bibliotheksdirektor Michael Knoche das Schmuckstück: den Rokokosaal - Anziehungspunkt für jährlich 100.000 Menschen.
"Ja, hier im Rokokosaal sind immer noch einige Regalbretter frei. Die werden gefüllt, wenn die Bücher nach der Restaurierung zurückkommen."
An den Wänden und in dem großen Bücheroval in der Mitte steht das gesammelte Wissen der Großherzogin Anna Amalia. Alle Kanten bis in die zweite Galerie sind mit Gold verziert. Oben, wo nun der Sonderlesesaal entstanden ist, sah man in den Wochen nach dem Brand in den freien Himmel. Hier hatte das Feuer nicht viel übriggelassen, außer einem schwarzen Gerippe.
"Wir haben 62.000 Bücher beschädigt geborgen, davon sind inzwischen 25.000 restauriert. Wir sind also schon ganz schön vorangekommen, haben aber noch bis 2015 mit dem Rest zu tun."
Der Brand und der Wiederaufbau waren ein mediales Großereignis. Anders als beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs gab es hier über mehrere Tage Live-Fernsehbilder, die um die Welt gingen: Flammen schlagen aus dem Dachstuhl, Menschenketten helfen Bücher bergen, Feuerwehrleute kämpfen, ein Mann, eben Michael Knoche, läuft unter Lebensgefahr in den Rokokosaal und rettet eine Bibel.
Die Anteilnahme war enorm. Allein 20.000 Privatpersonen spendeten, ebenso Firmen, auch Bund und Land. Die Anna Amalia wurde der Popstar des klassischen Erbes. Das machte vieles einfacher. Und Michael Knoche hat Mitgefühl mit den Kölnern. Die hätten es ungleich schwerer, ihre Katastrophe zu bearbeiten. Etwas weniger spektakuläre Bilder, weniger Chance auf eine Spendeneuphorie und vor allem: einen größeren Schaden. Denn Papier, Dokumente - wie im Archiv üblich - sei schwerer zu restaurieren, weil kein dicker Buchdeckel Schutz bietet. Zerrissen, zerschnipselt, vom Regen getroffen und vom Schutt begraben.
"Außerdem hat Köln natürlich die zehnfache Menge des Schadens gehabt, die wir zu beklagen hatten. Und das ist eine Riesenmenge und ein Riesenverlust für Köln gewesen. Und ich kann mir immer noch nicht recht vorstellen, wie die Restaurierungsarbeiten in Köln wirklich zu einem guten Ende führen sollen."
In Weimar dagegen ist Normalität eingekehrt. Das historische Gebäude strahlt in altem und neuem Glanz, das moderne Studienzentrum nebenan bietet höchsten Standard, das Tiefenmagazin beherbergt - feuersicher - die wertvollsten Bestände.
Fünfeinhalb Jahre nach dem Brand ist die Anna Amalia Bibliothek, anders als es vermutlich das Kölner Stadtarchiv je sein wird, nicht nur wieder ein Schmuckstück, sondern gehört zur emotionalen Grundausstattung der Stadt und des Landes.
In der hauseigenen Restaurierungswerkstatt der Anna Amalia Bibliothek beugt sich Matthias Hageböck, der Chefrestaurator, über einen ziemlich zerfallenen Ledereinband, bearbeitet ihn mit Skalpell und Zahnarztbohrer.
"Wir haben es hier in der Einbandrestaurierung hauptsächlich mit Wasserschäden zu tun und teilweise eben auch Hitzeschäden; also Strahlungshitze, die Materialien beschädigt hat. Das trifft insbesondere die Pergament- und Ledereinbände, die dann bei Strahlungshitze auch mit Schrumpfung reagieren, zum Beispiel."
Der Restaurator will den Einband dennoch erhalten, und was fehlt, behutsam ersetzen. Mit einem kleinen Schleifer schmirgelt er die Kanten ab.
"So, jetzt haben wir ungefähr drei Zentimeter bearbeitet, das ging relativ schnell. Aber bei einem Buch, wo wir einen Deckel haben, der ungefähr 30 Zentimeter groß ist, können Sie sich vorstellen, sind das teilweise recht langwierige Arbeiten."
Auf dem Schreibtisch liegt ein Heft, in dem alles minutiös dokumentiert wird: welches Buch es ist, in welchem Zustand es sich befindet, welche Schäden es aufweist, aus welchem Material es besteht und wie es nun mit welchen Mitteln behandelt wird. Denn die Anna Amalia Bibliothek ist eine Gedenkstätte der deutschen Klassik, das verpflichtet zu höchstem Niveau, deswegen erhält jedes Buch sozusagen eine detaillierte Krankenakte.
"So ein einzelnes Heft ist ungefähr zwei Millimeter stark. Wir haben davon im Magazin aber bestimmt schon zehn Meter zusammen, nur von diesen begleitenden Dokumentationsheftchen."
Reisebeschreibungen aus dem 18. Jahrhundert, Teile des neuen Testaments aus dem 16. Jahrhundert, französische Romane - das Feuer im September 2004 hatte großen Schaden angerichtet - quer durch den Bestand der Bibliothek. Mehr noch aber setzte das Löschwasser den kostbaren Büchern zu.
Die Werkstatt des Matthias Hageböck wäre vermutlich für mehr als 100 Jahre ausgebucht, um all die Schäden zu reparieren. Nun hat er die Arbeit delegiert. 14 Vertragswerkstätten sind langfristig beschäftigt, hier mitzuhelfen.
Eine Etage höher, im historischen Gebäude, zeigt der Bibliotheksdirektor Michael Knoche das Schmuckstück: den Rokokosaal - Anziehungspunkt für jährlich 100.000 Menschen.
"Ja, hier im Rokokosaal sind immer noch einige Regalbretter frei. Die werden gefüllt, wenn die Bücher nach der Restaurierung zurückkommen."
An den Wänden und in dem großen Bücheroval in der Mitte steht das gesammelte Wissen der Großherzogin Anna Amalia. Alle Kanten bis in die zweite Galerie sind mit Gold verziert. Oben, wo nun der Sonderlesesaal entstanden ist, sah man in den Wochen nach dem Brand in den freien Himmel. Hier hatte das Feuer nicht viel übriggelassen, außer einem schwarzen Gerippe.
"Wir haben 62.000 Bücher beschädigt geborgen, davon sind inzwischen 25.000 restauriert. Wir sind also schon ganz schön vorangekommen, haben aber noch bis 2015 mit dem Rest zu tun."
Der Brand und der Wiederaufbau waren ein mediales Großereignis. Anders als beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs gab es hier über mehrere Tage Live-Fernsehbilder, die um die Welt gingen: Flammen schlagen aus dem Dachstuhl, Menschenketten helfen Bücher bergen, Feuerwehrleute kämpfen, ein Mann, eben Michael Knoche, läuft unter Lebensgefahr in den Rokokosaal und rettet eine Bibel.
Die Anteilnahme war enorm. Allein 20.000 Privatpersonen spendeten, ebenso Firmen, auch Bund und Land. Die Anna Amalia wurde der Popstar des klassischen Erbes. Das machte vieles einfacher. Und Michael Knoche hat Mitgefühl mit den Kölnern. Die hätten es ungleich schwerer, ihre Katastrophe zu bearbeiten. Etwas weniger spektakuläre Bilder, weniger Chance auf eine Spendeneuphorie und vor allem: einen größeren Schaden. Denn Papier, Dokumente - wie im Archiv üblich - sei schwerer zu restaurieren, weil kein dicker Buchdeckel Schutz bietet. Zerrissen, zerschnipselt, vom Regen getroffen und vom Schutt begraben.
"Außerdem hat Köln natürlich die zehnfache Menge des Schadens gehabt, die wir zu beklagen hatten. Und das ist eine Riesenmenge und ein Riesenverlust für Köln gewesen. Und ich kann mir immer noch nicht recht vorstellen, wie die Restaurierungsarbeiten in Köln wirklich zu einem guten Ende führen sollen."
In Weimar dagegen ist Normalität eingekehrt. Das historische Gebäude strahlt in altem und neuem Glanz, das moderne Studienzentrum nebenan bietet höchsten Standard, das Tiefenmagazin beherbergt - feuersicher - die wertvollsten Bestände.
Fünfeinhalb Jahre nach dem Brand ist die Anna Amalia Bibliothek, anders als es vermutlich das Kölner Stadtarchiv je sein wird, nicht nur wieder ein Schmuckstück, sondern gehört zur emotionalen Grundausstattung der Stadt und des Landes.