Tobias Armbrüster: Horst Seehofer will als CSU-Parteichef zurücktreten. Das soll er gestern in einer Sitzung der CSU-Spitze in München angekündigt haben. Der Schritt soll demnach in den kommenden Wochen erfolgen und Nachfolger soll Markus Söder werden. Wie gesagt: Alles Berichte hinter verschlossenen Türen. Wir wollen das besprechen mit Robin Alexander, Journalist bei der Tageszeitung "Die Welt" und ein guter Kenner der Unionsparteien. Schönen guten Morgen, Herr Alexander.
Robin Alexander: Guten Morgen!
Armbrüster: Herr Alexander, wir erreichen Sie in München. Was ist dran an diesen Berichten?
Alexander: Die Berichte stimmen größtenteils, wobei, wenn ich richtig informiert bin, ist noch nicht in der Sitzung entschieden worden, dass Markus Söder der Nachfolger werden soll. Die meisten gehen davon aus, aber ausgesprochen worden ist das gestern Abend nach meinen Informationen nicht.
Armbrüster: Wenn Horst Seehofer jetzt seinen Hut nimmt, was heißt das denn für die CSU?
Alexander: Es geht ja um zwei Hüte. Einerseits geht es um den Parteivorsitz, und dann ist er ja noch Innenminister. Diese Ämter sind verkoppelt und niemand hat sie stärker verkoppelt als Horst Seehofer selbst, weil er ja immer sagte, meine Stärke als Innenminister am Kabinettstisch kommt aus meinem Parteivorsitz. Das ist ja die ganze Idee des CSU-Innenministers. Das kommt ja aus der Idee, dass Thomas de Maiziére sich im letzten Kabinett als Innenminister nicht genug durchsetzen konnte – angeblich aus CSU-Perspektive – und Seehofer das besser machen wollte. In der Logik würde auch der Innenminister wackeln, wenn er nicht mehr CSU-Vorsitzender ist.
"Ob ein Automatismus für den Innenminister entsteht ist offen"
Armbrüster: Das heißt, was müsste dann passieren, wenn Horst Seehofer seinen Hut nimmt?
Alexander: Das ist das Interessante, dass Seehofer das gestern offen gelassen hat. Die Menschen, die in der Sitzung waren, sagen, Seehofer hat von Anfang an klargemacht, dass er sich Veränderungen nicht entgegenstellt, hat dann aber gesagt, gebt mir Zeit, erst mal ein paar Tage für eine Erklärung, und dann soll es im Januar einen Sonderparteitag geben. Dann würde der Parteivorsitz geklärt. Aber ob dann ein Automatismus für den Innenminister entsteht und bis wann der entsteht, das ist alles noch offen.
Armbrüster: Heißt das, wir könnten in den kommenden Wochen eine Art Vakuum erleben in der Union und damit eigentlich auch in der Großen Koalition?
Alexander: Das ist ja das Interessante. Durch diese Konstellation, dass beide Unionsparteien neue Vorsitzende bekommen, werden die Karten tatsächlich komplett neu gemischt, und davon hängt auch für die Große Koalition viel ab. Hier entsteht gerade eine ganz interessante Zeit.
Armbrüster: Lassen Sie uns mal spekulieren. Wenn viele Leute sagen und auch viele CSU-Insider, Markus Söder könnte nachfolgen auf Horst Seehofer, was würde das programmatisch, inhaltlich für die CSU bedeuten?
Alexander: Das wäre vor allen Dingen für Markus Söder selbst ein Problem, weil Markus Söder hat ja gerade in Bayern eine Koalition mit den Freien Wählern gezimmert in sehr erfolgreichen Koalitionsverhandlungen. Er wird heute ein Kabinett vorstellen, das, glaube ich, viele überraschen wird, wo viele junge Leute, viele Frauen drin sein werden. Er versucht, Bayern aufzubauen als ein Gegenmodell zum Bund, seine Bayern-Koalition als Gegenstück zur Großen Koalition. Wenn er aber Parteivorsitzender wird, muss er am Koalitionsausschuss teilnehmen, und der Koalitionsausschuss soll sich in Berlin in nächster Zeit sehr häufig treffen, auch auf Wunsch der SPD. Dann hinge Söder in Berlin mit drin und diesen Eindruck will er eigentlich ja für seine Bayern-Koalition vermeiden.
Armbrüster: Wie gut kann Markus Söder denn mit den Berlinern?
Alexander: Er hat immer selber gesagt, dass Berlin für ihn ein fremdes, ich glaube, manchmal hat er sogar gesagt, feindliches Terrain ist. Seine eigentliche Vernetzung, seine politische Kraft kommt aus der CSU-Landtagsfraktion. Aber mit dem bundespolitischen Anspruch, den die CSU immer hat, ist es natürlich: Wenn er der starke Mann ist, muss er irgendwann auf dieses Terrain auch vorarbeiten.
Armbrüster: Gibt es möglicherweise andere Kandidaten, die sich Chancen ausrechnen können auf diesen Posten als CSU-Parteichef?
Alexander: Ich glaube, die rechnen sich nicht Chancen aus, aber es haben noch nicht alle die Hoffnung aufgegeben, weil Markus Söder ist ja in der CSU kein unumstrittener Mann. Ganz im Gegenteil. In der Vergangenheit richteten sich da viele Sehnsüchte auf Ilse Aigner. Die ist aber eigentlich schon ein bisschen länger aus dem Spiel. Im Moment hoffen viele, die sich vielleicht eine etwas liberalere CSU wünschen, auf Manfred Weber. Nun ist Manfred Weber aber gerade erst zum Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei gewählt worden und soll Kommissionspräsident werden, und das wäre interessant, ob jemand, der auf der europäischen Ebene agiert, dann in Berlin zum Koalitionsausschuss kommen kann und dort eine Berliner Rolle spielen kann. Aber was ich höre, tendieren im Moment die meisten Leute dazu zu glauben, dass es jetzt wirklich auf Söder hinausläuft und man ihm das nicht mehr nehmen kann.
"In Berlin wird alles volatiler"
Armbrüster: Kann sich die Union, vor allen Dingen kann sich die CSU das denn überhaupt leisten, dass solche Debatten jetzt in der Partei tatsächlich wochenlang geführt werden?
Alexander: Na ja, die wichtigsten Wahlen für die CSU sind die bayerischen Landtagswahlen, und die sind gerade erst gewesen. Wenn es eine Neuaufstellung gibt, dann jetzt. Von daher: Wenn man sich das leistet, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt. Nur für die Berliner Große Koalition wird das natürlich alles immer komplizierter, weil man gar nicht planen kann, wer sitzt da eigentlich im nächsten Frühjahr im Koalitionsausschuss, gibt es diese Koalition überhaupt noch, wer hat welche Prokura. In Berlin wird alles volatiler.
Armbrüster: Dann müssen wir noch kurz sprechen über den Innenminister-Posten. Wenn Horst Seehofer den auch räumen sollte, wer würde da nachfolgen? Wer steht da bereit? Gibt es da Namen?
Alexander: Die CSU hat schon profilierte Innenpolitiker, nehmen Sie den Herrn Herrmann, der Innenminister in Bayern ist, aber auch andere. Das Problem ist nur, das ist ja gar nicht nur ein Innenministerium; das ist ja aufgemotzt worden zu diesem Superministerium. Da ist der Bereich Bau reingekommen, da ist der Bereich Heimat reingekommen, also etwas, was über das eigentliche Innenressort, was schon schwer genug ist, zu leiten, deutlich hinausgeht. Die Frage ist, ob dieses Profil dieses Super-Innenministeriums, das doch eigentlich sehr von der Idee gelebt hat, Horst Seehofer eine Berliner Bühne zu zimmern, ob das eine gute Bühne wäre für einen Nachfolger, der sich vielleicht eigentlich lieber auf die klassische Arbeit eines Innenministers konzentrieren wollen würde.
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