Gestern Abend im Zieglerbräu in Dachau. Der CSU-Ortsvorsitzende Tobias Stephan prostet fünf Mitgliedern zu.
"Also, ich darf euch ganz herzlich zu unserem monatlichen Stammtisch begrüßen. Es sind spannende Zeiten, ich freu mich, dass Ihr da seid und wir a bissel diskutieren über die aktuelle Lage."
Die aktuelle Lage hat dem Ältesten am Tisch, Alt-Landrat Hansjörg Christmann, den Schrecken in die Glieder gejagt:
"So belastend wie die letzten Tage habe ich es eigentlich noch nicht erlebt. Ich habe spannende, heiße Phasen in der Politik erlebt. Aber dass man so durcheinandergewirbelt wird, das war neu."
Christmann erinnert sich gut an 1976 – an den berühmt-berüchtigten Beschluss von Kreuth.
Gewisse Reaktionen nicht nachvollziehbar
"Ich war Kreisvorsitzender der Jungen Union, als Franz Josef Strauß damals – wenn auch in völlig anderem Zusammenhang – die Trennung wollte."
Die Trennung von der CDU unter Helmut Kohl. Sie dauerte nur vier Wochen. Christmann fürchtet, dass das Zerwürfnis zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer trotz vorläufiger Einigung noch tiefer geht.
"Ich kann manche Reaktionen, die unser Parteivorsitzender hier gezeigt hat, emotional einfach nicht nachvollziehen."
Andere am Stammtisch, etwa Uwe Goldstein aus dem erweiterten CSU-Ortsvorstand, werden noch deutlicher:
"Wie es ins Erpresserische ging, ist es mir zu viel geworden. Vor allem, als er mit Rücktritt gedroht hat."
Das ist jetzt gerade mal zwei Tage her – und für Horst Seehofer Schnee von gestern. Er bleibt CSU-Vorsitzender und Innenminister. Geht das gut? fragen wir den jungen CSU-Stadtrat Florian Schiller:
"Vertrauen ist die wichtigste Währung in der Politik. Da ist jetzt viel kaputtgegangen. In alle Richtungen. Und das muss sukzessive wieder erarbeitet werden."
"Und kann das ein CSU-Vorsitzender Seehofer noch?"
Fünf Sekunden völlige Stille im Zieglerbräu. Die Männer blicken sich vielsagend an.
Neue Töne von Markus Söder
"Das kann ich nicht beantworten. Ich sehe das schwierig, was da jetzt geschehen ist. Es geht jetzt darum, wer in Bayern zur Wahl steht. Das ist Markus Söder. Wenn der das schafft, Vertrauen auszustrahlen und die richtigen Probleme zu adressieren, dann kann er das vielleicht noch mal rumbiegen. Aber eine Prognose ist schwierig heute."
Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, schlägt nach dem großen Schwesternkrach ganz neue Töne an.
"Wir müssen jetzt auch ein bisschen auf Form und Stil achten. Wir müssen auch an unseren Umgangsformen arbeiten, weil ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Menschen spüren: Wir diskutieren in der Sache, wollen uns in der Sache durchsetzen. Wir haben klare Überzeugungen. Aber es ist auch wichtig, dass man das in vernünftiger Form macht", sagt Markus Söder.
Die vernünftige Form in Stil und Wortwahl war bisher nicht als seine Parade-Disziplin bekannt. Aber derzeit wirkt der freche Franke geradezu fromm im Vergleich zu Horst Seehofer. Die CSU hat mit dem Testosteron-Trio Seehofer/Söder/Dobrindt vor allem ein Problem bei den bayerischen Wählerinnen. Da muss man nur mal ein paar Frauen in einer bayerischen Fußgängerzone auf den Horst und seine Verhandlungstaktik ansprechen.
"Also wenn Sie mich fragen, finde ich die ganze Sache von Herrn Seehofer – selbst wenn er recht hat – eine Unverschämtheit. So behandelt man die Kanzlerin nicht. Das ist eine Respektlosigkeit, die einfach zu weit geht."
"Ich find’s unmöglich. Der Mann ist für mich un-mög-lich. Die Art, wie er die Frau Merkel angeht, ist kein Benehmen. Das ist ne Frechheit."
Die Probleme der Menschen angehen
Im Zieglerbräu in Dachau, beim Stammtisch des CSU-Ortsverbands, will Stadtrat Florian Schiller nach vorne blicken.
"Schauen, was wirklich die Probleme der Menschen sind, und diese lösen. Ja, da sind Ängste. Wir haben im Großraum München eine echte soziale Frage, wenn’s um Wohnraum geht. Verkehrsthemen gibt es. Manche machen sich Sorgen um ihre Rente, Pflege. Das sind die Themen, wo gerade die CSU wieder Verlässlichkeit und Vertrauen ausstrahlen muss. Wir hier vor Ort tun, was wir können. Das ist nicht einfach momentan."
Dreieinhalb Monate noch bis zur bayerischen Landtagswahl. Nicht viel, um den großen Schwesternstreit vergessen zu machen. Wobei man den Krach der Unionsparteien auch mal positiv sehen sollte, findet Ortsvorstands-Mitglied Uwe Goldstein:
"Also ich würde sagen, dass jetzt über die CSU wieder mal geredet wird. Und dass sich die CSU dadurch aus dem Einheitsbrei der Parteien deutlich abhebt."
Und wie sie das tut. Langweilig wird’s einem wahrlich nicht mit den Christsozialen.