Der internationale Seemannsclub Duckdalben mitten im Hamburger Hafen ist geschlossen. Keine Seeleute auf Besuch. Seit Ende März sitzen die Seeleute wegen der Corona-Epidemie auf den riesigen Container-Schiffen in den meisten Häfen der Welt fest. Auch in Deutschland. Ihr Schiff hat zwar angelegt und die Ware wird gelöscht, aber die Seeleute dürfen nicht an Land gehen. Ansteckungsgefahr.
"Die haben natürlich Angst, sich anzustecken. Dann wäre der Chef sehr gebeutelt. Wenn da kranke Seeleute an Bord sind, würde das ja am Ende bedeuten, dass die Schiffe gar nicht fahren können. Denn man kriegt ja im Moment gar keinen Ersatz. Es ist ja gar nicht möglich, überhaupt einen Crewwechsel vorzunehmen", sagt Jan Oltmanns, Seemannsdiakon und Chef des Internationalen Seemannclubs Duckdalben in Hamburg.
Corona-Epidemie - das bedeutet nicht nur, dass die Seeleute nach Wochen und Monaten an Bord keinen Landgang haben, so Oltmanns:
"Die Seeleute können nicht in ihre Heimat kommen. Und aus der Heimat kommen keine Seeleute hier an, weil gar keine Flieger fliegen. Insofern ist es eine sehr böse Situation, wenn ich jetzt überlege, dass einer seine neun Monate voll hat und dringend nach Hause möchte und kann nicht. Dann ist es einfach eine sehr, sehr außergewöhnliche Situation."
Telefonkarten und Schokolade
Normalerweise fahren die Seemanns-Diakone und ihre Mitarbeiter täglich rund 100 Seeleute für ein paar Stunden in den Club. Der liegt in Hamburg mitten zwischen den Container- und Logistik-Unternehmen an der Autobahn im Hafen. Hundert Meter weiter rauschen Tausende LKWs vorbei, um die einzelnen Container abzuholen.
In den Einrichtungen der Seemannsmission können sich die Seeleute nach ihrer wochenlangen Schiffstour etwas erholen. Sie telefonieren mit ihren Familien, denn auf See funktioniert das Internet oft nicht. Es gibt Billard, einen kleinen Verkauf von Hygieneartikeln und ganz wichtig: Schokolade.
Die Mitarbeiter der Seemannsmission helfen auch bei Problemen mit der Überweisung der Heuer. Sie sprechen mit den Seeleuten, wenn es Probleme an Bord gibt. Dafür passt das alte Wort Seelsorge ganz gut. Aber jetzt ist alles anders.
"International Seamensclub Duckdalben. Lars! Hallo!? Hello my friend. No sorry, the club is closed. But we have a deliver service. Yes, you can order something."
Die Crewmitglieder können bei der Seemannsmission zumindest noch anrufen und etwas bestellen, das kriegen sie dann aufs Schiff. Meistens wollen sie Telefonkarten.
"Ihr seid nicht alleine"
Aber das ist nur eine Seite der Unterstützung durch die Seemannsmission – wobei Mission eigentlich der falsche Name ist, sagt Diakon Jan Oltmanns. Es geht vor allem um solidarische Hilfe für Menschen aus aller Welt. Die evangelische Kirche ist mit mehr als 30 Einrichtungen in Deutschland und in allen großen Hafenstädten auf der Welt Ansprechpartner für Seeleute – von Bremerhaven bis Hongkong – normalerweise.
Oltmanns: "Ich glaube, dass wir einfach gut daran tun, dass wir versuchen, mit einer Notbesetzung den Seeleuten zu zeigen, ihr seid nicht alleine. Wir haben natürlich auch im Internet Hilfsangebote eingerichtet wie DSM Care, wo dann auch Chats laufen können, wir auch beraten können, was wir sonst nur mit Mundschutz und so weiter machen können. Wo man ja sehr eingeschränkt ist, weil man ja die ganze Mimik des Gegenübers nicht sieht.
Aber das Chat-Angebot ist noch im Aufbau und muss sich noch herumsprechen.
Schiffsbesatzungen leben an Bord in einer abgeschlossenen Welt. Traumschiff geht anders. Es muss alles funktionieren. Das ist lebenswichtig. Es gibt kaum Ablenkung, wenig Freizeit. Heute machen vor allem Philippinos, Inder und andere Asiaten den Job an Deck. Die Offiziere stammen meist aus Europa.
"Schlechte Stimmung an Bord"
Oltmanns: "Es ist beengt und es sind immer die gleichen Leute, die man sieht, und das nervt schon unternormalen Umständen. Aber jetzt ist das noch einmal drastisch verschärft, und wir hören leider auch, dass das auch zu schlechter Stimmung an Bord führt, bis dahin, dass es Missbrauchsfälle gibt."
Per E-Mail kommen weitere Anfragen von den Crews der Schiffe. Seemanns-Diakon Jörn Hille macht sich nun mit dem Auto auf den Weg zur Anlegestelle und bringt Telefonkarten mit. Vor der Gangway, die zum Schiff hinaufführt, bleibt er stehen. Mit Sicherheitsabstand, angelegtem Mundschutz sowie gelber Warnweste fragt er die Seeleute nach der Stimmung an Bord. Einige kennt er schon aus dem letzten Jahr.
Hille: "Ja, jetzt hatten wir noch drei weitere Schiffe, die sich gemeldet haben und das ein oder andere bestellt haben. Wobei jetzt eigentlich im Moment jeder Seemann sich mal freut, wenn da mal jemand kommt und nach seinen Bedürfnissen fragt. Wenn nicht die Ladung und Schiff wichtig sind, sondern der Mensch."
"Eine sehr schlimme Situation"
In einigen ausländischen Häfen sind die Hilfsangebote der Seemannsmission aufgrund der Pandemie hingegen völlig eingestellt, sagt Jan Oltmanns:
"Zum Beispiel auch in Afrika, in Duala. Da haben wir natürlich auch eine sehr schlimme Situation, weil dort in Afrika sowieso schon viele Dinge vorher nicht funktioniert haben. Und jetzt wird es echt dramatisch. Und in anderen Stationen ist es zum Teil überhaupt nicht mehr möglich zu arbeiten. Unser Kollege in Rotterdam sagt: Der Hafen ist sozusagen geschlossen. Auch für die Seemannsmission."
So kommt es, dass viele Seeleute aus dem Schiffsdienst nicht rauskommen und die Touren ihrer Kollegen übernehmen müssen, weil es keine Crewwechsel gibt. Aus Angst vor Ansteckung mit Covid-19. Die Seemannsmissionen weltweit versuchen, den Seeleuten zumindest beizustehen. Für diejenigen Seeleute, die nicht eingesetzt werden können, ist es ein finanzielles Desaster. Sie sind in vielen Häfen der Welt sozusagen gestrandet und ohne Geld.