Wellen gibt es nicht nur im Meer. Auch in der Atmosphäre können sich Wellen bilden. Wenn beispielsweise Wind kräftig gegen ein hohes Gebirge bläst, werden auch weit darüber liegende Luftschichten nach oben ausgelenkt. Der US-amerikanische Segelflug-Weltrekordler Jim Payne nutzt regelmäßig die Aufwindbereiche sogenannter Lee-Wellen an Gebirgen, um ohne Motor weit aufzusteigen.
"Alles, was man braucht, ist die passende Form des Gebirges quer zum Wind. Dazu noch sehr starken Wind in der Höhe, so dass dessen Strömung nach oben abgelenkt wird. Solche Wellen können mehr als 30 Kilometer hoch reichen."
Ohne Motorantrieb bis in die Stratosphäre
30 Kilometer – Dieser Wert stammt aus Modellrechnungen von Meteorologen. Sie können simulieren, wo und wann solche Wellen entstehen. Neben dem Gebirge und viel Wind, der dagegen bläst, ist auch noch eine bestimmte Luftschichtung nötig, eine sogenannte Inversion. Dabei hält wärmere Luft in der Höhe kältere wie unter einem Tischtuch gefangen. Durch den Wind, der über die Berge strömt, wird die Inversion in Schwingungen versetzt. So bilden sich parallel zum Gebirge stehende Wellen in der Atmosphäre, die bis in große Höhen reichen.
Normalerweise nutzen Segelflieger solchen Wellen bis auf etwa 7000 Meter. In diesem Sommer soll es aber mal viel höher hinaus gehen. Perlan, das ist Isländisch für "Perle", heißt ein vom Flugzeughersteller Airbus gesponsertes Privatprojekt. Es geht darum, ohne Motorantrieb auf solchen Lee-Wellen sogar bis in die Stratosphäre zu steigen. Dafür wurde eigens ein spezielles Segelflugzeug aus Karbonfasern konstruiert. Die "Perlan 2" hat 27 Meter Spannweite und rund 800 Kilogramm Startgewicht.
Wenig Gewicht, wenig Sicht
Die Maschine besitzt eine Druckkabine. Das ist einzigartig für ein Segelflugzeug. Nur so können wir sicher in solche Höhen aufsteigen. Der größte sichtbare Unterschied zwischen der " Perlan 2" und anderen Segelfliegern ist, dass wir, um Gewicht zu sparen, nur kleine Bullaugen als Fenster besitzen. Die Sicht ist dadurch eingeschränkt. Aber ansonsten fliegt sich die Perlan wie ein großes Segelflugzeug der offenen Klasse.
Mit dem einfacheren Vorgängermodell, der " Perlan 1, erreichten der später verunglückte Abenteurer Steve Fossett und Pilot Einar Enevoldson am 30. August 2006 beim Wellenflug über Südargentinien die Rekordhöhe von 15.460 Metern. Damals hätten sie auch noch weiter steigen können, doch ihre Druckanzüge blähten sich so stark auf, dass ein Steuern kaum noch möglich war. So entstand die Idee, die "Perlan 2" mit einer Druckkabine auszustatten.
Höher als jedes klassische Flugzeug
Kürzlich haben Jim Payne und Co-Pilot Norman Sandercock mit der Maschine erste Wellenflüge über der Sierra Nevada realisiert. Bis auf eine kleine Undichtigkeit des Atemsystems funktionierte alles wie geplant. Im Juni soll die " Perlan 2" nach Argentinien verlegt werden. Der polare Jetstream bläst dann im südlichen Winter stark genug, um in der Lee-Welle der Anden auf neue Rekordhöhen zu hoffen. Das Aufstiegsziel heißt: 90.000 Fuß, umgerechnet rund 27 Kilometer. Höher als jedes andere klassische Flugzeug jemals zuvor.
"Die größte Schwierigkeit wird sein, die passende Lee-Welle zu finden. Denn die gibt es nicht so häufig. Wenn man aber einmal in der Welle ist, geht es stetig nach oben. An guten Tagen erwarten wir Steigwerte um die 2,5 Meter pro Sekunde. Der Aufstieg bis auf 27 Kilometer wird dann rund drei bis vier Stunden dauern. Absteigen können wir in weniger als einer Stunde."
Beim Perlan-Projekt geht es nicht nur um Rekorde und ihre technische Machbarkeit. Hinter den Pilotensitzen ist Platz, um kleinere Experimente als Nutzlast mit in die Stratosphäre zu nehmen. Beim Aufstieg sollen unter anderem Luftproben aus allen Höhenschichten gezogen werden. So lässt sich untersuchen, wie stark es durch die Lee-Wellen zu Austauschprozessen zwischen der bodennahen Troposphäre und der höheren Stratosphäre kommt. Das wäre unter anderem für die Klimaforschung sehr interessant. Denn bisher gibt es aus diesen Bereichen der Atmosphäre nur wenige, nutzbare Messungen.