Christine Heuer: Auch das noch: Die Werft, auf der die Gorch Fock, das Segelschulschiff der deutschen Marine, saniert werden soll, ist pleite. Vorher waren die Kosten explodiert, es gab Korruptionsvorwürfe, die Verteidigungsministerin wurde schlecht informiert. Ein einziges Desaster! Und nun auch noch die Insolvenz der Elsflether Werft. Die neue Leitung dort hat sie gestern nach Sichtung der Bücher angekündigt. Linke und Grüne fordern nun endgültig das Aus für die Gorch Fock. Aber wie sieht das die FDP? Fragen jetzt an ihre verteidigungspolitische Sprecherin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Guten Morgen!
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Guten Morgen, Frau Heuer.
Heuer: Sie waren selbst vor kurzem auf der Elsflether Werft und haben sich angeguckt, was von dem Schiff noch übrig ist. Wieviel ist denn noch übrig von der Gorch Fock?
Strack-Zimmermann: Ja, ich war vor drei Wochen dort, um mir mal ein eigenes Bild zu machen. Es ist erstaunlich viel übrig. Es ist sogar so viel übrig, dass wir davon ausgehen, dass das Schiff gerade neu gebaut wird. Es sind nicht mehr die Reste da, sondern man hat wohl über Jahre aus der Situation heraus, dass sehr viel kaputt war und man immer mehr Desaster erkannt hat, das Schiff de facto neu gebaut.
Heuer: Das ist interessant, weil die meisten, die dort waren, haben gesagt, sie hätten eigentlich weinen mögen.
Strack-Zimmermann: Ich bin keine Fachfrau für Schiffsbau, aber ich habe mir vom Kapitän beziehungsweise von denen, die dafür verantwortlich sind, zeigen lassen und man hat systematisch das Schiff neu gebaut. Das ist insofern nicht unproblematisch, weil sich heute die Frage, nehmen wir eine Alternative, oder bauen wir neu, gar nicht mehr stellt. Die Alternative heute ist, bauen wir das Schiff zu Ende, denn die Ersatzteile, all das, was dazugehört, Masten, Segel sind schon fertig, müssen eingesetzt werden, gehen wir diesen Weg, oder versenken wir es komplett. Da kann ich für uns als Freie Demokraten nur sagen, wir sind daran interessiert. Wir wollen ein Segelschulschiff. Es macht Sinn, dass Offiziere zur See auch in der Gruppe, in der Mannschaft ein Schiff auch segeln können und nicht nur Maschinen bedienen. Aber Sie sagten es gerade: Die Pleite der Werft macht das Ganze noch gruseliger, als es schon ist.
"Kostenexplosion von zehn auf über 100 Millionen Euro"
Heuer: Darüber sprechen wir sofort. Nur weil Sie für die FDP sagen, Sie halten an der Gorch Fock fest – der Haushaltspolitiker aus Ihrer Partei, Karsten Klein, der hat nun gefordert, die Sanierung erst einmal einzufrieren. Das klingt jetzt nicht nach einem bedingungslosen Ja für die Gorch Fock.
Strack-Zimmermann: Nein! Mein Kollege hat natürlich völlig recht. Es gilt doch jetzt erst mal zu klären, was auf der Werft los ist. Wir haben es hier mit zwei Problemen zu tun. Auf der einen Seite hat das Ministerium über Jahre die Problematik der Gorch Fock nicht sehen wollen, oder ist falsch informiert worden aufgrund einer völlig fehlenden Kontrolle. Das heißt, das Problem Gorch Fock ist ja nicht erst durch die Probleme der Werft entstanden, sondern ist ein jahrzehntelanges Desaster: Nicht hingeguckt – der Bundesrechnungshof hat ja darauf hingewiesen -, Kostenexplosion von zehn auf über 100 Millionen. Das ist die eine Sache.
Jetzt kommt diese Problematik dazu. Das heißt, dass wir natürlich erst mal "Halt!" rufen, das Geld nehmen, was dafür vorgesehen ist, einfrieren, um zu schauen, wie entwickelt sich die Situation in der Werft, weil das Boot können Sie ja nicht irgendwo bauen. Insofern muss das Geld eingefroren werden. Aber das grundsätzliche neudeutsch Commitment für das Schiff ist dadurch nicht aufgegeben.
"Wir haben es mit Korruptionsverdacht zu tun"
Heuer: Macht denn die Insolvenz die Reparatur des Schiffes noch teurer?
Strack-Zimmermann: Es ist die Frage, ob auf dieser Werft überhaupt noch gearbeitet werden kann. Die Elsflether Werft, die dafür verantwortlich ist – das Schiff liegt ja in einer anderen Werft -, ist ja nicht nur, dass dort jetzt Insolvenz angemeldet wurde, sondern wir haben es dort mit hoher krimineller Energie zu tun. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ja. Die ehemaligen Manager sind jetzt erst mal freigesetzt – viel zu spät. Wir haben es mit Korruptionsverdacht zu tun. Da ist wirklich eine hohe kriminelle Energie und das muss natürlich erst geklärt werden, weil wir können natürlich nicht weitermachen, als ob nichts passiert wäre, und nachher dem Geld noch Gutes hinterherwerfen. Das muss die Staatsanwaltschaft klären.
"Die Gefahr, dass es teurer wird, ist groß"
Heuer: Frau Strack-Zimmermann, die Frage war ja, ob die Insolvenz die Reparatur der Gorch Fock noch teurer macht. Ich verstehe Sie so, dass Sie sagen: Ja, wird noch teurer.
Strack-Zimmermann: Wenn ich das wüsste, wäre ich, Frau Heuer, ein glücklicher Mensch. Ich weiß nicht, ob es teurer wird, ob man das Schiff woanders hinlegen muss. Ich glaube, dass es erst mal ins Wasser muss - das ist so; man muss erst mal gucken, ob es schwimmt – und wir dann entscheiden müssen. Aber die Gefahr, dass es teurer wird, ist groß und da bin ich völlig der Meinung meines Kollegen: Wir müssen die Ausgaben deckeln. Es gibt Momente, wo man auch sagen muss, bis hierher und nicht weiter. Das ist für den heutigen Tag allerdings zu früh. Die Bundesregierung hat ja den Geldfluss schon gestoppt. Da hängen viele Mittelständler dran, die schon Leistungen erbracht haben. Das Geld ist nicht bezahlt worden. Das heißt, auch das werden wir im Auge behalten und dann sehen. Aber zum heutigen Tag kann ich nur sagen, erst mal bremsen. Aber ein grundsätzliches Versenken des Schiffes wird mit den Freien Demokraten momentan nicht möglich sein. Das wollen wir nicht. Die einzige Problematik ist, ob die Werft überhaupt noch in der Lage ist, das Schiff weiter zu bauen, und dann müssen wir gucken, wie es weitergeht.
Heuer: Im Moment stehen ja für die Sanierung der Gorch Fock 135 Millionen Euro auf dem Preisschild. Ab welcher Summe, Frau Strack-Zimmermann, wäre für Sie denn Schluss mit der Gorch Fock? Was darf die Sanierung dann auf keinen Fall am Ende kosten?
Strack-Zimmermann: Frau Heuer, ich kann Ihnen jetzt hier keine Zahl sagen. Das wäre auch unseriös. Aber ich kann Ihnen sagen, 135 Millionen Euro für die Renovierung eines Segelschulschiffes ist schon bombastisch viel. Wir haben es ja hier auch mit dem Problem zu tun, dass zum Beispiel Teakholz, was oben auf dem Schiff draufliegt, wo es auch Sinn macht, offensichtlich auch verarbeitet werden sollte in den Kajüten. Irgendwo fragt man sich, ob da noch alle Leute mit Verlaub die Tassen im Schrank haben, oder ob sich das Ganze so verselbständigt hat, dass man nicht auch heute sagen kann, es ist gar nicht nötig, das oder das zu verbauen. Genau das muss geprüft werden, um diese 135 Millionen, die definitiv das Ende der Möglichkeiten sind, ob die nicht doch runterzufahren sind.
Heuer: Hat die Bundesregierung die falsche Werft mit der Sanierung beauftragt?
Strack-Zimmermann: Na ja. Wir haben natürlich im Ausschuss mehrfach darüber gesprochen, auch gestern wieder. Uns wurde gesagt, der Leumund der Werft war sehr gut. Wir vermuten – und das ist natürlich jetzt eine juristische Sache -, dass grundsätzlich die Werft eine gute ist. Die Arbeiter, die dort sind, die dort arbeiten, machen einen hervorragenden Job. Aber das Management, was Korruptionsvorwürfen ausgesetzt ist – da ist Geld geflossen, da sind Kredite gegeben worden für Soziales, für ein soziales Projekt. Die Werft ist in einer Situation, die völlig ungewöhnlich ist für eine Werft, dass damit soziale Dinge bezahlt werden. Das ist alles schon ein sehr seltsames Konstrukt.
"Das Ministerium hat drei Jahre lang geschlafen"
Heuer: In der Tat, Frau Strack-Zimmermann. Hätte die Bundesregierung das nicht alles einpreisen müssen und sagen müssen, denen geben wir den Auftrag nicht?
Strack-Zimmermann: Die Frage ist berechtigt. Ich kann Ihnen nur sagen, das Schiff liegt dort seit drei Jahren. In diesen drei Jahren war nicht ein einziges Mal die Ministerin an Bord. Sie hat sich von ihren eigenen Leuten Vorlagen machen lassen, die offensichtlich nicht stimmen. Schon das ist ein Skandal. Erst jetzt ist ja offensichtlich im Ministerium klar geworden, dass dieses Schiff sich langsam zu einer Geisterbahn entwickelt, in der man sich im Dunkeln bewegt und jeden Moment damit rechnen muss, dass an einer Ecke irgendein Gespenst rauskommt. Das Ministerium hat drei Jahre lang geschlafen, und zwar tief und fest.
Heuer: Frau Strack-Zimmermann, kann die Bundeswehr zur Not auch ohne ein Segelschulschiff leben?
Strack-Zimmermann: Das Wie und Acht der Bundeswehr oder der Marine hängt mit Sicherheit nicht ab von einem Segelschulschiff, und ich möchte da auch gar nicht emotional sein. Aber wir haben eine Marine und wir haben Offiziere und die müssen natürlich auch gelernt haben zu segeln, und da reden wir nicht von einer Jolle auf dem Starnberger See, sondern von einem Schiff, was mit 150 Männern und Frauen bedient werden muss. Ich finde: Ja, das ist es auf alle Fälle wert, dass die Marine ein solches Segelschulschiff hat.
Heuer: Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag. Ich danke fürs Gespräch.
Strack-Zimmermann: Vielen Dank, Frau Heuer.
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