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Segen und Fluch des Welterbetitels

Der Titel "UNESCO Welterbe" ist für Denkmäler und ihre Städte ein Tourismusmagnet. Viele Gemeinden bemühen sich deswegen um die Auszeichnung. Auf der Tagung der deutschen Welterbestätten wird jedoch auch vor einer Inflation des Begriffs gewarnt - man befürchtet eine Abwertung des Titels.

Von Christoph Richter |
    Pufferzonen, Sichtachsen, denkmalverträgliche Neubauten: Schlagworte, die Augen von Denkmalschützern zum Leuchten bringen, während sich bei Wirtschaftsdezernenten, Hotel- oder Restaurantbesitzer strenge Furchen auf der Stirn bilden. Mancherorts ist es durch die UNESCO nicht mal erlaubt Hinweisschilder an Hausfassaden anzubringen, da sie die Sicht verdecken könnten. Strenge, ja zu strenge Auflagen der Denkmalschützer. Sagt Horst Wadehn. Als Vorsitzender der Vereinigung der deutschen UNESCO-Weltkulturerbestätten hat er zur Jahrestagung in ein barockes Palais nach Quedlinburg geladen. Und spricht gleich mal Klartext:

    "Insbesondere schreibe ich den Denkmalschützern ins Stammbuch, dass der Umgang besser und konstruktiver miteinander sein muss. Auffallend ist, dass sehr, sehr häufig Probleme dargestellt werden, wo der Denkmalschutz eine erhebliche Rolle spielt. Ich bin sehr für den Denkmalschutz, das muss ich sagen; aber im Einzelfall muss darüber nachgedacht werden, dass mehr konstruktiv zusammengearbeitet wird. Und dann haben wir alle was davon."

    Dauerthema auf der Konferenz sind die Touristen, die einerseits zwar als Segen, aber von den Kommunen zunehmend auch als Problem gesehen werden. Touristikexperte Horst Wadehn kann es nicht mehr hören.

    "Sie sollten glücklich und froh sein, dass es diese Anzahl von Besuchern gibt. Da wo es zu viele sind, muss nachgedacht werden, wie kriege ich eine intelligente Lösung hin. Um die Besucherzahlen klar zu ordnen. Wir wollen den denkmalverträglichen Tourismus, der gelenkt werden muss."

    Gerade aus Kreisen der örtlichen Industrie – und Handelskammern – kommt zunehmend Kritik an den UNESCO-Titeln. Die finanziellen Effekte seien vage, nicht nachzuweisen, nicht zu beziffern. Touristikexperte Horst Wadehn schüttelt irritiert den Kopf. Und rechnet vor:

    "Sind geschätzte 60 bis 70 Millionen Besucher, die wir in unseren Bereichen zählen. Die natürlich ein großes Geld bringen. Und wenn jeder Tagestourist 30 Euro am Zielort lässt, dann sind das immerhin schlappe 2,1 Milliarden Euro, die in den Geldkreislauf gelangen."

    Jede Aufnahme in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätte ist so was wie die Aufnahme in die Champions League. Das beweist Quedlinburg. Seit 1990 ist die Zahl der Übernachtungen in der mittelalterlichen Vorzeigestadt um mehr als das tausendfache gestiegen. Das will auch Matthias Lißke von der Wirtschaftsförderung Erzgebirge erreichen. Ende April wird er der sächsischen Landesregierung einen dicken tausendseitigen Antrag überreichen, damit auch mal die deutsch-tschechische Bergbauregion Erzgebirge zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Und in einem Atemzug mit den ägyptischen Pyramiden oder dem Kölner Dom genannt wird.

    "Regionen müssen sich bekannt machen nach außen. Und das UNESCO-Welterbe ist eine der besten Marken, mit dem höchsten Markenwert in der Welt. Und das bringt Vorteile, die für uns wichtig sind."

    Aber der durchaus inflationäre Gebrauch des UNESCO-Weltkulturerbe-Titels ist auch ein Thema auf der deutschen Weltkulturerbe – Tagung. Man bekommt geradezu das Gefühl, als ob sich bald ganz Deutschland unter Schutz stellen lassen wolle. Allein in Sachsen-Anhalt will man in naher Zukunft drei weitere Stätten in das Register eintragen lassen: die Franckesche Stiftung in Halle, die Saale-Unstrut-Region und Halberstadt. Vorsicht, sagt Horst Wadehn von der Vereinigung der deutschen UNESCO Weltkulturerbestätten:

    "Ich meine, es gibt wahnsinnig viele interessante Bereiche in good old Germany. Das weiß ich. Und es ist auch so, dass es viele werden möchten. Natürlich mit dem Hintergrund, dass daraus ein touristischer Nutzen gezogen wird. Aber auf der anderen Seite sage ich auch – das ist meine ganz persönliche Meinung – also wenn es mehr als 50 Weltkulturerbestätten in Deutschland werden sollten, dann ist tatsächlich inflationär. Das sollte man sehr wohl abwägen…"

    …derzeit hat Deutschland 37 Weltkulturerbestätten.

    Menschen sollen mit der Geschichte einer Region, einer Stadt in direkten Zusammenhang gebracht werden, das ist das Besondere des Konzepts eines UNESCO-Weltkulturerbe-Titels. Tradition, Gegenwart und Zukunft will man in Einklang bringen. Reine Museumsdörfer, totenstille Regionen sind nicht angedacht. Was jedoch auffällig ist, dass jede UNESCO-Stätte in Deutschland sein eigenes Süppchen kocht. Daher wäre gerade eine bessere Vernetzung durchaus sinnvoll. Ganz nach dem Vorbild von Sachsen-Anhalt, das eine Art Kulturtrip offeriert. Man nennt es UNESCO TO GO. Kristin Ruske vom Touristenbüro Wittenberg erklärt’s:

    "Das heißt, kurz gesagt, in Sachsen-Anhalt, mit dieser Fülle, die wir haben an Kulturerbestätten, die wir zusammenbündeln. Und einfach mal vorstellen. Damit der Gast nicht immer nur hört, es gibt UNESCO, sondern erfährt, was ist denn UNESCO. Und was kann ich konkret dort machen."