Die Sehnsucht nach einem neuen Leben ist in vielen Geschichten die treibende Kraft, was nicht heißt, dass der Aufbruch auch gelingt. Das traurigste Scheitern beschreibt Peter Stamm in seiner Erzählung "Drei Schwestern"; die allerdings auch in seinem neuen Prosaband "Wir fliegen" zu finden ist. Eine junge Frau ringt sich darin zaghaft zu ihrem Traum durch, Künstlerin zu werden. Unterstützt von ihrer Zeichenlehrerin, stellt sie eine Mappe zusammen und besteigt den Nachtzug nach Wien, um dort an der Akademie ihre Aufnahmeprüfung zu machen. Im Abteil zeigt sie einer Mitreisenden ihre Zeichnungen und verliert plötzlich allen Mut. Der Schrecken besteht vor allem in der Entdeckung, dass sie mit ihrer Kunst auch ganz persönlich etwas von sich preisgibt. Sie steigt wieder aus, mitten in der Nacht, in Innsbruck und läuft dort einem Mann in die Arme, der ihr Leben von da an bestimmt und weit weg von der Kunst führt. Jahre später fängt sie heimlich wieder an zu zeichnen, und jetzt sind ihr die Träume, die sich auf den Blättern niederschlagen, auf resignierende Weise bewusst.
Auch andere Autoren lassen die Träume ihrer Reisenden platzen. Mit einer geradezu bösartigen ironischen Wendung Keto von Waberer, mit einer kleinen Gangsterfilmparodie der Journalist und Autor Mark van Huisseling. Oft ist der Nachtzug ein Katalysator: Nächtliche Gespräche lassen schiefe Beziehungen erkennen, wie in Annette Mingels Geschichte, oder flüchtige Begegnungen führen deutlich verpasste Gelegenheiten vor Augen, wie im Text von Alex Capus. Silvio Huonder erzählt eindrücklich von einem eifersüchtigen Ehemann, der seiner Frau heimlich in den "Wiener Walzer" folgt, besessen von der Vorstellung, sie in Wien mit ihrem Liebhaber zu ertappen. Er kann aber an der Grenze schon wieder aussteigen, denn er muss feststellen, dass für sie der Satz gilt: "Der Weg ist das Ziel".
Womit man beim Schlafwagenschaffner angelangt wäre, der in jeder Geschichte einen kleinen oder größeren Auftritt hat, denn das war die Vorgabe des Herausgebers: Sein Schaffner heißt Andreas Berger, ist 46 Jahre alt, geschieden und war früher Drucker. Er hat eine sichelförmige Narbe unter dem linken Auge und eine tätowierte Windrose auf dem linken Unterarm. In seiner Puma-Tasche trägt er unter anderem ein Taschenbuch von Friedrich Glauser bei sich. Mit dieser anskizzierten Figur hat sich Hansjörg Schertenleib an jeder Erzählung der Anthologie ein wenig beteiligt. Manche Autoren machen den Schaffner gleich zum Protagonisten. Michael Stauffer projiziert eine geballte Ladung Erotik in ihn hinein, Perikles Monioudis erzählt die Geschichte seiner gescheiterten Ehe, und Rolf Lappert spaltet ihn in zwei Figuren auf und erzählt eine nicht ganz durchschaubare Vater-Sohn-Geschichte.
Eine Herausforderung ganz anderer Art ist die Fahrt im Nachtzug in der Erzählung "Matto schläft" von Paulus Hochgatterer, dem österreichischen Schriftsteller und Kinderpsychiater. Darin hat Andreas Berger ein unbegleitetes Kind zu betreuen, das natürlich lange nicht einschlafen kann. Der neugierige Bub fragt den Schaffner nach allem Möglichen aus, auch nach seinem Buch, nämlich Glausers "Matto regiert". In den folgenden Stunden bekämpft er seine Angst mit Hilfe dieses regierenden Matto, den er sich sehr phantasievoll zu seinem starken Beschützer ausmalt.
So reisten zwölf Autoren von Zürich nach Wien, nur der Österreicher Franzobel bestand darauf, die Fahrt in umgekehrter Richtung anzutreten. Zur Strafe kommt sein Ich-Erzähler ganz gerädert in Zürich an, geplagt von schlimmen Albträumen. Aber wie Franzobel seinen Gedankenfluss beschreibt, der vom freien, entspannten Assoziieren langsam ins Surreale des Traumes kippt, das ist sehr für die Leser sehr schön zu verfolgen.
Auch andere Autoren lassen die Träume ihrer Reisenden platzen. Mit einer geradezu bösartigen ironischen Wendung Keto von Waberer, mit einer kleinen Gangsterfilmparodie der Journalist und Autor Mark van Huisseling. Oft ist der Nachtzug ein Katalysator: Nächtliche Gespräche lassen schiefe Beziehungen erkennen, wie in Annette Mingels Geschichte, oder flüchtige Begegnungen führen deutlich verpasste Gelegenheiten vor Augen, wie im Text von Alex Capus. Silvio Huonder erzählt eindrücklich von einem eifersüchtigen Ehemann, der seiner Frau heimlich in den "Wiener Walzer" folgt, besessen von der Vorstellung, sie in Wien mit ihrem Liebhaber zu ertappen. Er kann aber an der Grenze schon wieder aussteigen, denn er muss feststellen, dass für sie der Satz gilt: "Der Weg ist das Ziel".
Womit man beim Schlafwagenschaffner angelangt wäre, der in jeder Geschichte einen kleinen oder größeren Auftritt hat, denn das war die Vorgabe des Herausgebers: Sein Schaffner heißt Andreas Berger, ist 46 Jahre alt, geschieden und war früher Drucker. Er hat eine sichelförmige Narbe unter dem linken Auge und eine tätowierte Windrose auf dem linken Unterarm. In seiner Puma-Tasche trägt er unter anderem ein Taschenbuch von Friedrich Glauser bei sich. Mit dieser anskizzierten Figur hat sich Hansjörg Schertenleib an jeder Erzählung der Anthologie ein wenig beteiligt. Manche Autoren machen den Schaffner gleich zum Protagonisten. Michael Stauffer projiziert eine geballte Ladung Erotik in ihn hinein, Perikles Monioudis erzählt die Geschichte seiner gescheiterten Ehe, und Rolf Lappert spaltet ihn in zwei Figuren auf und erzählt eine nicht ganz durchschaubare Vater-Sohn-Geschichte.
Eine Herausforderung ganz anderer Art ist die Fahrt im Nachtzug in der Erzählung "Matto schläft" von Paulus Hochgatterer, dem österreichischen Schriftsteller und Kinderpsychiater. Darin hat Andreas Berger ein unbegleitetes Kind zu betreuen, das natürlich lange nicht einschlafen kann. Der neugierige Bub fragt den Schaffner nach allem Möglichen aus, auch nach seinem Buch, nämlich Glausers "Matto regiert". In den folgenden Stunden bekämpft er seine Angst mit Hilfe dieses regierenden Matto, den er sich sehr phantasievoll zu seinem starken Beschützer ausmalt.
So reisten zwölf Autoren von Zürich nach Wien, nur der Österreicher Franzobel bestand darauf, die Fahrt in umgekehrter Richtung anzutreten. Zur Strafe kommt sein Ich-Erzähler ganz gerädert in Zürich an, geplagt von schlimmen Albträumen. Aber wie Franzobel seinen Gedankenfluss beschreibt, der vom freien, entspannten Assoziieren langsam ins Surreale des Traumes kippt, das ist sehr für die Leser sehr schön zu verfolgen.