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Sehnsucht nach eigener Hymne

Das Vereinigte Königreich besteht aus vier Teilstaaten - England, Schottland, Wales und Nordirland -, die im Sport ihre eigenen Nationalteams aufstellen. Anders als seine drei Partner hat England aber keine eigene Nationalhymne - "God save the Queen" ist Hymne des gesamten Inselreichs. Die Kampagne "Anthem for England" will dem Land eine eigene Hymne geben.

Von Tobias Armbrüster |
    "God Save the Queen" - eigentlich ist es die Nationalhymne für alle Briten - aber gesungen wird das Lied fast nur noch im englischen Teil des britischen Königreichs. Schotten und Waliser haben längst ihre eigenen Gesänge, zum Beispiel die Hymne von Wales: "Land of My Fathers". Die walisische Sopranistin Katherine Jenkins wird das Lied Samstagnachmittag im Londoner Wembley-Stadion singen, beim Finale um den englischen Fußballpokal. Da trifft ein walisisches Team, nämlich Cardiff, auf ein englisches, Portsmouth. Viele Engländer, so wie hier in London, fordern nun eine eigene, rein englische Hymne, um den sportlichen Gegnern aus Wales etwas entgegenzusetzen.

    "England sollte endlich eine separate Hymne haben, genauso wie Schottland und Wales auch. Beim Liedtext könnte es zum Beispiel um unseren Nationalheiligen Sankt Georg gehen. Wir Engländer wollen endlich mal unseren Patriotismus zeigen."

    "Eigentlich bin ich kein Freund von Nationalhymnen, aber diese ganze Entwicklung wird für uns unerträglich. Schotten und Waliser werden immer selbstbewusster, wir hier in England bleiben da zurück. Die englische Hymne wird deshalb kommen - da bin ich mir sicher."

    Die Hymnendebatte macht deutlich, woran es bei der regionalen Selbstbestimmung in Großbritannien hapert. Schottland und Wales haben in den vergangenen zehn Jahren eigene Wahlen, eigene Parlamente und damit eine Art nationales Selbstbewusstsein bekommen. Von Engländern wird dagegen erwartet, dass sie sich weiterhin von einem gesamtbritischen Parlament regieren lassen - und dass sie weiterhin das gute, alte "God Save the Queen" anstimmen. Zahlreiche englische Politiker haben deshalb die Kampagne "Anthem for England" ins Leben gerufen. Sie wollen per Gesetz eine neue englische Nationalhymne festlegen. Unterstützt wird das Ganze von vielen Sportlern, darunter der ehemalige Rugbyprofi Karl Harrison.

    "Nationalhymnen sind für eine Mannschaft emotional sehr wichtig. Sie stehen vor dem Spiel da unten auf dem Rasen, da brauchen sie einfach eine Verbindung zu den Fans. Diese Verbindung haben wir, die englischen Spieler, glaube ich, verloren, ganz einfach weil uns ein eigener Gesang fehlt."

    Eskalieren könnte der Hymnenstreit im kommenden Oktober, bei der Rugby-League-Weltmeisterschaft in Australien. Daran nehmen auch die Nationalmannschaften aus Schottland und aus England teil. Wenn die Schotten dabei mit ihrem Lied empfangen werden, dann wollen auch viele Englandfans die alte gesamtbritische Hymne ersetzen.

    "Man könnte vielleicht einen Gesang mit etwas mehr Blues- oder Jazzelementen nehmen - eine Melodie, die unseren Spielern einen Kick gibt, ein musikalisches Steroid sozusagen."

    "Viele Rugbyfans singen schon jetzt ihre eigenen Englandhymnen, Swing Low Sweet Chariot von UB40 etwa ist sehr populär. Vielleicht sollten wir in England aber auch einen Hymnenwettbewerb starten - das beste selbst gedichtete Lied gewinnt."

    Die britische Labour-Regierung hat allerdings schon häufiger klargemacht, dass sie sich nicht einmischen will in das, was in Sportstadien gesungen wird. Denn streng genommen gibt es in Großbritannien keine verbindlich festgelegte Nationalhymne. Selbst das weltbekannte "God Save the Queen" hat sich lediglich langsam, im Lauf der Jahrhunderte eingebürgert - gut möglich also, dass sich englische Fußball- und Rugbyfans noch einige Zeit fragen müssen, was sie singen sollen, wenn ihr Team ins Stadion läuft.