Weil es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann, dass Ram Mohammed Thomas vor laufender Kamera den Namen des kleinsten Planeten im Sonnensystem kannte und wusste, in welcher Tonart Beethoven seine Hammerklaviersonate komponiert hatte, wird er verhaftet. Und als, wie ein rettender Engel, eine junge Anwältin aufkreuzt, um ihn aus den Folterkellern der Polizei zu befreien, erfahren wir in einer Reihe von Rückblenden, wie es zu all dem kam.
"Rupien! Rupien!" ist ein Buch aus Indien, und es ist in mancherlei Hinsicht sehr indisch, sehr bunt, sehr pikant und ziemlich laut. Die tragische Variante des magischen Realismus à la Arundhati Roy ist Vikas Swarups Sache nicht. So wie die Anwältin unseres unglücklichen Milliardengewinners immer wieder die Play-Taste des Videorecorders drückt, damit sie und ihr Mandant sich die fatale Quizshow häppchenweise vergegenwärtigen können, so wie er seinerseits darauf mit großem Fabuliertalent einsteigt und die Kapitel seiner Lebensgeschichte nacherzählt, die ihn zu den erstaunlichen Rateleistungen befähigt haben, so will der Roman den ganzen gesellschaftlichen Kosmos des Subkontinents ausleuchten und die komplette Skala menschlicher Schicksale und Empfindungen dazu.
Das Findelkind, das von einem britischen Priester aufgezogen und mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle von Hindus und Moslems auf Vornamen aus beiden Religionsgemeinschaften getauft wird, das immer wieder, kaum hat es ein Zuhause gewonnen, alles verliert, fortlaufen muss oder hinausgeworfen wird, das auf diese Weise seine Leser mitzerrt auf Lebensstationen in Delhi, Agra und Bombay, zum Taj Mahal, in die Villen der Diplomaten und die Lasterhöhlen übler Verbrecher, erlebt deutlich mehr Höhen und Tiefen, als normalerweise in ein achtzehnjähriges Leben hineinpassen. Aber was ist schon normal? Was ist normal für einen Helden, dessen Entwurf unübersehbar viel stärker als von der Realität von deren Abglanz auf der Filmleinwand geprägt ist?
Dass Ram Mohammed Thomas zwischenzeitlich als Hausdiener bei einer alternden Filmdiva landet, passt nicht nur wunderbar in die überaus verschlungene und dabei virtous verknüpfte Handlung. Damit betritt unser Held jene Welt, aus deren Koordinaten die seine vollständig besteht. Der Roman werde demnächst verfilmt, teilt uns der Verlag im Klappentext des Buches mit. Freunde des auch hierzulande immer beliebter werdenden Bollywood-Kinos können sich schon freuen; ein kritischer Problemfilm wird aus diesem Buch mit Sicherheit nicht.
Freilich ist Vikas Swarups "Rupien! Rupien!" reich an Milieuschilderungen, die einem Tränen des Mitgefühls in die Augen zu treiben geeignet sind. Und freilich hat Ram Mohammed Thomas in den wuchernden Megalopolen viel zu leiden unter dem Geiz der Reichen, der Doppelmoral der Ehrbaren und den Verbrechen, die in einem Klima großer sozialer Gegensätze und einer nicht mehr zu steuernden Modernisierung gedeihen. Indes, er begegnet auch der romantischen Leidenschaft, die sich gegen alle Widerstände - die Erwählte geht der Zwangsprostitution nach - sogleich zur lang unerfüllt bleibenden großen Liebe entwickelt. Staunenswerte Frauenspersonen und schutzbedürftige Freunde kreuzen seinen Weg, bis hin zu seiner Anwältin, deren geheimnisvolle Verbindung zu ihm, wie der Sinn von allem anderen, sich schließlich enthüllt.
Ein ordentlicher Bollywood-Film braucht ein ordentliches Happy End. Dennoch hätte Vikas Swarup gegen Ende seines durchaus fesselnden Unterhaltungsromans nicht ganz so deutlich darauf schielen müssen, dass auch alle losen Fäden aufgenommen, alle Bösen bestraft, alle Guten belohnt und alle Liebenden vereint werden. Sonst wäre "Rupien! Rupien!" eine durchaus empfehlenswerte Urlaubslektüre, die leider erst jetzt in die Buchläden kommt, da fast überall die Ferien vorbei sind. Shahrukh Khan, übernehmen Sie!
Vikas Swarup: Rupien, Rupien.
Verlag Kiepenheuer & Witsch
"Rupien! Rupien!" ist ein Buch aus Indien, und es ist in mancherlei Hinsicht sehr indisch, sehr bunt, sehr pikant und ziemlich laut. Die tragische Variante des magischen Realismus à la Arundhati Roy ist Vikas Swarups Sache nicht. So wie die Anwältin unseres unglücklichen Milliardengewinners immer wieder die Play-Taste des Videorecorders drückt, damit sie und ihr Mandant sich die fatale Quizshow häppchenweise vergegenwärtigen können, so wie er seinerseits darauf mit großem Fabuliertalent einsteigt und die Kapitel seiner Lebensgeschichte nacherzählt, die ihn zu den erstaunlichen Rateleistungen befähigt haben, so will der Roman den ganzen gesellschaftlichen Kosmos des Subkontinents ausleuchten und die komplette Skala menschlicher Schicksale und Empfindungen dazu.
Das Findelkind, das von einem britischen Priester aufgezogen und mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle von Hindus und Moslems auf Vornamen aus beiden Religionsgemeinschaften getauft wird, das immer wieder, kaum hat es ein Zuhause gewonnen, alles verliert, fortlaufen muss oder hinausgeworfen wird, das auf diese Weise seine Leser mitzerrt auf Lebensstationen in Delhi, Agra und Bombay, zum Taj Mahal, in die Villen der Diplomaten und die Lasterhöhlen übler Verbrecher, erlebt deutlich mehr Höhen und Tiefen, als normalerweise in ein achtzehnjähriges Leben hineinpassen. Aber was ist schon normal? Was ist normal für einen Helden, dessen Entwurf unübersehbar viel stärker als von der Realität von deren Abglanz auf der Filmleinwand geprägt ist?
Dass Ram Mohammed Thomas zwischenzeitlich als Hausdiener bei einer alternden Filmdiva landet, passt nicht nur wunderbar in die überaus verschlungene und dabei virtous verknüpfte Handlung. Damit betritt unser Held jene Welt, aus deren Koordinaten die seine vollständig besteht. Der Roman werde demnächst verfilmt, teilt uns der Verlag im Klappentext des Buches mit. Freunde des auch hierzulande immer beliebter werdenden Bollywood-Kinos können sich schon freuen; ein kritischer Problemfilm wird aus diesem Buch mit Sicherheit nicht.
Freilich ist Vikas Swarups "Rupien! Rupien!" reich an Milieuschilderungen, die einem Tränen des Mitgefühls in die Augen zu treiben geeignet sind. Und freilich hat Ram Mohammed Thomas in den wuchernden Megalopolen viel zu leiden unter dem Geiz der Reichen, der Doppelmoral der Ehrbaren und den Verbrechen, die in einem Klima großer sozialer Gegensätze und einer nicht mehr zu steuernden Modernisierung gedeihen. Indes, er begegnet auch der romantischen Leidenschaft, die sich gegen alle Widerstände - die Erwählte geht der Zwangsprostitution nach - sogleich zur lang unerfüllt bleibenden großen Liebe entwickelt. Staunenswerte Frauenspersonen und schutzbedürftige Freunde kreuzen seinen Weg, bis hin zu seiner Anwältin, deren geheimnisvolle Verbindung zu ihm, wie der Sinn von allem anderen, sich schließlich enthüllt.
Ein ordentlicher Bollywood-Film braucht ein ordentliches Happy End. Dennoch hätte Vikas Swarup gegen Ende seines durchaus fesselnden Unterhaltungsromans nicht ganz so deutlich darauf schielen müssen, dass auch alle losen Fäden aufgenommen, alle Bösen bestraft, alle Guten belohnt und alle Liebenden vereint werden. Sonst wäre "Rupien! Rupien!" eine durchaus empfehlenswerte Urlaubslektüre, die leider erst jetzt in die Buchläden kommt, da fast überall die Ferien vorbei sind. Shahrukh Khan, übernehmen Sie!
Vikas Swarup: Rupien, Rupien.
Verlag Kiepenheuer & Witsch