Jasper Barenberg: Fortschritt, für die SPD lange Zeit ein rund herum positiv besetzter Begriff. Wirtschaftlicher und technischer Fortschritt versprachen einen höheren Lebensstandard für alle, er versprach auch soziale Sicherheit. Das sehen die Sozialdemokraten heute nicht mehr so ungetrübt und haben sich auf ihrer Vorstandsklausur in Potsdam daran gemacht, ihn an die Wirklichkeit anzupassen. Neue Pläne schmiedet die Partei auch in der Steuerpolitik. Am Telefon begrüße ich jetzt Nicolette Kressl, die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Schönen guten Tag.
Nicolette Kressl: Ich grüße Sie!
Barenberg: Frau Kressl, die Pläne zum Ehegattensplitting, zur Abschaffung, ist das schon ein durchgerechnetes Konzept, oder vorerst nur eine Idee?
Kressl: Es ist eine Idee, die jetzt im Laufe des ersten Halbjahres dann in konkrete Vorschläge auch umgestaltet werden soll, aber es geht uns darum zu sagen, wir müssen die Unterstützung und die materielle Förderung bei Familien ansiedeln und es nicht von der Frage des Trauscheins alleine abhängig machen, und so funktioniert das Ehegattensplitting ja.
Barenberg: Nun ist es in manchen Familien ja so, dass man sich untereinander einig ist, dass der eine Partner arbeitet und der andere wegen der Kinderbetreuung nicht arbeitet.Das Ehegattensplitting ist doch insofern auch eine sinnvolle Familienförderung, oder nicht?
Kressl: Das ist richtig, aber das Ehegattensplitting setzt ja nicht daran an, dass Kinder vorhanden sind, sondern nur an der Frage, wie hoch ist der Einkommensunterschied, und zum zweiten übrigens auch an der Frage, wie hoch ist das Einkommen insgesamt? Je höher ein Paar verdient, desto höher kann der Vorteil durch das Ehegattensplitting sein. Aber ich mache Ihnen mal ein Beispiel: Ein Paar, zwei Lehrer beispielsweise, die zwei oder drei Kinder haben, beide berufstätig sind, die haben fast keinen oder gar keinen Vorteil durch das Ehegattensplitting, und das ist ja dann keine Familienförderung.
Barenberg: Nun müssen sich also die Menschen einstellen, dass sie Geld verlieren, wenn das Ehegattensplitting abgeschafft wird. Richtig?
Kressl: Sehr viele Menschen werden kein Geld verlieren, weil anders als sie manchmal glauben haben sie auch bisher beispielsweise – ich habe es gerade gesagt -, wenn sie beide erwerbstätig sind, überhaupt keinen Splittingvorteil haben. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist mehr eine gefühlte Frage als eine gerechnete Frage. Aber wir sagen natürlich, wir wollen es an den Kindern ansetzen. Wenn sehr hoch verdienende Paare keine Kinder haben, dann glauben wir durchaus, dass da eine Umverteilung in Richtung Familien sinnvoll wäre.
Barenberg: Das heißt, das Modell ist zugeschnitten oder die Vorstellungen sind zugeschnitten auf ein Modell, wo beide erwerbstätig sind?
Kressl: Im Moment ist es ja so, dass das Ehegattensplitting in seiner bisherigen Funktion ja Eltern nicht die freie Wahl lässt, anders als die CSU im Moment behauptet, sondern im Prinzip sagt, wenn einer von euch nicht arbeitet, dann erhaltet ihr viele finanzielle Vorteile, die erwerbstätige Eltern, beiderseits erwerbstätige Eltern nicht haben. Das heißt, das ist eine Lenkung in eine bestimmte Richtung, und die wollen wir ein Stück zurücknehmen. Und wir haben als Sozialdemokraten überhaupt kein Problem damit, wenn Familien sich entscheiden, eine Arbeitsteilung zu machen, aber das ist dann zum Beispiel eine Frage, warum wir auch das Elterngeld unterstützen. Da unterstützen wir ja für das erste Jahr auch das zu Hause bleiben.
Barenberg: Sie haben die CSU schon angesprochen. Generalsekretär Alexander Dobrindt rechnet vor, die Abschaffung des Ehegattensplittings würde Ehen und Familien insgesamt mit 20 Milliarden Euro im Jahr belasten. Wie sieht Ihre Rechnung aus?
Kressl: Zum einen muss ich der CSU sagen, das ist die Partei, die gerade den Langzeitarbeitslosen das Elterngeld weggenommen hat. Ich finde, das sind seltsame Krokodilstränen. Zu den Zahlen: Das Ehegattensplitting insgesamt kostet den Staat jährlich 20 Milliarden Euro, aber wir haben ja nicht beschlossen, dass wir das Ehegattensplitting ersatzlos abschaffen. Wir sagen, wir wollen es stärker auf die Familienförderung konzentrieren, aber das bedeutet ausdrücklich eben nicht, dass 20 Milliarden Euro eingesammelt werden und dann irgendwo in den Haushaltstopf fließen. Darum geht es uns nicht. Es geht uns um ein modernes, zeitgerechtes und der Realität, so wie die Menschen heute leben, angepasstes Steuermodell.
Barenberg: Das heißt dann zum Beispiel, dass Sie Kita-Gebühren fördern wollen?
Kressl: Die Frage des kostenfreien Zugangs zur Bildung auch für die kleinen ist eine wichtige Möglichkeit, aber da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, auch sozusagen im Rahmen der materiellen Unterstützung Familien stärker in den Blick zu nehmen. Das ist ja das, wo wir sagen, wir haben uns die Linie gegeben, die Eckpunkte, und wollen das auch mit Einzelmaßnahmen ausgestalten.
Barenberg: Und was, wenn dann die Kinder aus dem Haus sind? Dann kommt es auf Kita-Gebühren nicht mehr so sehr an.
Kressl: Das ist richtig, aber es geht uns ja um Chancen auch für die kleinen und da ist es, glaube ich, ganz, ganz wichtig – und ich bin ganz sicher, die meisten Menschen wissen das -, dass wir in Deutschland noch zu wenig Unterstützung für Bildungschancen für die ganz kleinen geben. Da spielt auch die Debatte um Integration beispielsweise eine Rolle. Bei der Frage, wie ist es, wenn die Kinder aus dem Haus sind, da, glaube ich, macht es schon Sinn, auch beim Modell der Veränderung des Ehegattensplittings sich mal Gedanken zu machen, gibt es eine Übergangsregelung, weil wir natürlich auch wissen, dass 60-Jährige sich jetzt nicht mehr umstellen können. Aber ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass sich Politik mal anschaut, wie leben Familien und wie können wir sie am besten unterstützen.
Barenberg: ... , sagt Nicolette Kressl, die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Frau Kressl, danke schön für das Gespräch.
Kressl: Aber sehr gerne!
Nicolette Kressl: Ich grüße Sie!
Barenberg: Frau Kressl, die Pläne zum Ehegattensplitting, zur Abschaffung, ist das schon ein durchgerechnetes Konzept, oder vorerst nur eine Idee?
Kressl: Es ist eine Idee, die jetzt im Laufe des ersten Halbjahres dann in konkrete Vorschläge auch umgestaltet werden soll, aber es geht uns darum zu sagen, wir müssen die Unterstützung und die materielle Förderung bei Familien ansiedeln und es nicht von der Frage des Trauscheins alleine abhängig machen, und so funktioniert das Ehegattensplitting ja.
Barenberg: Nun ist es in manchen Familien ja so, dass man sich untereinander einig ist, dass der eine Partner arbeitet und der andere wegen der Kinderbetreuung nicht arbeitet.Das Ehegattensplitting ist doch insofern auch eine sinnvolle Familienförderung, oder nicht?
Kressl: Das ist richtig, aber das Ehegattensplitting setzt ja nicht daran an, dass Kinder vorhanden sind, sondern nur an der Frage, wie hoch ist der Einkommensunterschied, und zum zweiten übrigens auch an der Frage, wie hoch ist das Einkommen insgesamt? Je höher ein Paar verdient, desto höher kann der Vorteil durch das Ehegattensplitting sein. Aber ich mache Ihnen mal ein Beispiel: Ein Paar, zwei Lehrer beispielsweise, die zwei oder drei Kinder haben, beide berufstätig sind, die haben fast keinen oder gar keinen Vorteil durch das Ehegattensplitting, und das ist ja dann keine Familienförderung.
Barenberg: Nun müssen sich also die Menschen einstellen, dass sie Geld verlieren, wenn das Ehegattensplitting abgeschafft wird. Richtig?
Kressl: Sehr viele Menschen werden kein Geld verlieren, weil anders als sie manchmal glauben haben sie auch bisher beispielsweise – ich habe es gerade gesagt -, wenn sie beide erwerbstätig sind, überhaupt keinen Splittingvorteil haben. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist mehr eine gefühlte Frage als eine gerechnete Frage. Aber wir sagen natürlich, wir wollen es an den Kindern ansetzen. Wenn sehr hoch verdienende Paare keine Kinder haben, dann glauben wir durchaus, dass da eine Umverteilung in Richtung Familien sinnvoll wäre.
Barenberg: Das heißt, das Modell ist zugeschnitten oder die Vorstellungen sind zugeschnitten auf ein Modell, wo beide erwerbstätig sind?
Kressl: Im Moment ist es ja so, dass das Ehegattensplitting in seiner bisherigen Funktion ja Eltern nicht die freie Wahl lässt, anders als die CSU im Moment behauptet, sondern im Prinzip sagt, wenn einer von euch nicht arbeitet, dann erhaltet ihr viele finanzielle Vorteile, die erwerbstätige Eltern, beiderseits erwerbstätige Eltern nicht haben. Das heißt, das ist eine Lenkung in eine bestimmte Richtung, und die wollen wir ein Stück zurücknehmen. Und wir haben als Sozialdemokraten überhaupt kein Problem damit, wenn Familien sich entscheiden, eine Arbeitsteilung zu machen, aber das ist dann zum Beispiel eine Frage, warum wir auch das Elterngeld unterstützen. Da unterstützen wir ja für das erste Jahr auch das zu Hause bleiben.
Barenberg: Sie haben die CSU schon angesprochen. Generalsekretär Alexander Dobrindt rechnet vor, die Abschaffung des Ehegattensplittings würde Ehen und Familien insgesamt mit 20 Milliarden Euro im Jahr belasten. Wie sieht Ihre Rechnung aus?
Kressl: Zum einen muss ich der CSU sagen, das ist die Partei, die gerade den Langzeitarbeitslosen das Elterngeld weggenommen hat. Ich finde, das sind seltsame Krokodilstränen. Zu den Zahlen: Das Ehegattensplitting insgesamt kostet den Staat jährlich 20 Milliarden Euro, aber wir haben ja nicht beschlossen, dass wir das Ehegattensplitting ersatzlos abschaffen. Wir sagen, wir wollen es stärker auf die Familienförderung konzentrieren, aber das bedeutet ausdrücklich eben nicht, dass 20 Milliarden Euro eingesammelt werden und dann irgendwo in den Haushaltstopf fließen. Darum geht es uns nicht. Es geht uns um ein modernes, zeitgerechtes und der Realität, so wie die Menschen heute leben, angepasstes Steuermodell.
Barenberg: Das heißt dann zum Beispiel, dass Sie Kita-Gebühren fördern wollen?
Kressl: Die Frage des kostenfreien Zugangs zur Bildung auch für die kleinen ist eine wichtige Möglichkeit, aber da gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, auch sozusagen im Rahmen der materiellen Unterstützung Familien stärker in den Blick zu nehmen. Das ist ja das, wo wir sagen, wir haben uns die Linie gegeben, die Eckpunkte, und wollen das auch mit Einzelmaßnahmen ausgestalten.
Barenberg: Und was, wenn dann die Kinder aus dem Haus sind? Dann kommt es auf Kita-Gebühren nicht mehr so sehr an.
Kressl: Das ist richtig, aber es geht uns ja um Chancen auch für die kleinen und da ist es, glaube ich, ganz, ganz wichtig – und ich bin ganz sicher, die meisten Menschen wissen das -, dass wir in Deutschland noch zu wenig Unterstützung für Bildungschancen für die ganz kleinen geben. Da spielt auch die Debatte um Integration beispielsweise eine Rolle. Bei der Frage, wie ist es, wenn die Kinder aus dem Haus sind, da, glaube ich, macht es schon Sinn, auch beim Modell der Veränderung des Ehegattensplittings sich mal Gedanken zu machen, gibt es eine Übergangsregelung, weil wir natürlich auch wissen, dass 60-Jährige sich jetzt nicht mehr umstellen können. Aber ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass sich Politik mal anschaut, wie leben Familien und wie können wir sie am besten unterstützen.
Barenberg: ... , sagt Nicolette Kressl, die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Frau Kressl, danke schön für das Gespräch.
Kressl: Aber sehr gerne!