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Seismische Daten über den Erdmantel
Erdbeben und Vulkanausbrüche verstehen

Der größte Teil des Erdkörpers besteht aus Erdmantel - also aus heißem, festem Gestein. Material, das sich nahe der Oberfläche abgekühlt hat, sinkt ab, während am Erdkern aufgeheiztes wieder aufsteigt. Diese Strömungen liefern die Energie für Erdbeben und Vulkanausbrüche. Um diese Prozesse zu erforschen, setzen die Geophysiker immer ausgefeiltere Verfahren ein.

Von Dagmar Röhrlich | 11.12.2015
    Ein Bildschirm mit gemessenen Daten eines Erdbebens.
    Wie die Computertomografie das Innere des Menschen zeigt, zeigen seismische Bilder das Innere der Erde. (dpa/picture-alliance/Nestor Bachmann)
    Wie ein Computertmograf das Innere des Menschen zeigen, zeigen seismische Bilder das Innere der Erde. Und danach geschieht in etwa 1000 Kilometern Tiefe Seltsames. Irgendetwas bremst dort unten die gewaltigen Meereskrustenplatten, die durch die Kräfte der Plattentektonik zurück in den Erdmantel sinken. Sie tauchen zunächst recht ungehindert ab, stauen sich dann jedoch in dieser Tiefe wie ein Bach hinter einem Damm. Warum, weiß niemand. Also haben sich jetzt zwei Forschergruppen dieses Rätsels mit ganz unterschiedlichen Methoden angenommen. Die erste untersucht, ob sich diesseits und jenseits dieser Zone etwas im Verhalten der Gesteine ändert:
    "Wir haben uns die Viskosität der Mantelgesteine angeschaut, ihr Fließverhalten. Denn im Erdmantel reagiert das feste Gestein durch die enorme Hitze und den extremen Druck plastisch: Es fließt sehr langsam auf Zeitskalen von Millionen Jahren."
    Geophysiker werteten die Daten von Spezialsatelliten der NASA aus
    Maxwell Rudolph von der Portland State University. Direkt bestimmen lässt sich die Viskosität nicht, denn der Erdmantel ist unerreichbar weit weg. Aber es gibt indirekte Methoden, wie etwa die Messung des Schwerefelds der Erde. Deshalb werteten die Geophysiker die Daten von Spezialsatelliten der NASA aus und speisten sie in ihre Simulationen. Das Ergebnis:
    "Anscheinend erhöht sich in rund 1.000 Kilometern Tiefe die Viskosität: Das Gestein wird genau dort zähflüssiger, wo wir in den seismischen Bildern diese seltsamen Veränderungen sehen."
    Danach stauen sich die abgetauchten Krustenplatten, weil sie den Widerstand des plötzlich zäheren Erdmantels überwinden müssen. Erst dann können sie weiter absinken in Richtung Erdkern. Über die Ursache gebe es derzeit jedoch nur Vermutungen, und keine sei so richtig befriedigend, urteilt Maxwell Rudolph von der Portland State.
    Eine ganze Reihe von Simulationen
    Einen ganz anderen Ansatz verfolgen die Geophysiker der University of Maryland. Sie setzen bei der Suche nach einer Erklärung für die seltsame Zone auf die klassische Informationsquelle über den Erdmantel - auf seismische Daten, erklärt Nicholas Schmerr:
    "Wir haben eine ganze Reihe von Simulationen laufen lassen. Sie sollten zeigen, wie sich die absinkenden Meereskrustenplatten verhalten, wenn sich die Bedingungen im Erdmantel ändern. Unsere Berechnungen zeigen, dass die Platten in 1.000 Kilometern Tiefe stoppen, wenn der Erdmantel darunter in Siliziumdioxid angereichert ist."
    Dieses Siliziumdioxid könnte aus den abtauchenden Krustenplatten selbst stammen, denn darin ist es angereichert, etwa in Form von Quarz. Sinkt die Krustenplatte nach der Überwindung dieses "Damms" weiter ab in Richtung Erdkern, schmilzt sie mehr und mehr auf:
    "Da dieser Prozess der Subduktion, des Absinkens der Meereskrustenplatten ins Erdinnere, schon seit zweieinhalb Milliarden Jahren abläuft, dürfte sich im unteren Erdmantel einiges an Siliziumdioxid angereichert haben, wenn die sich die abgesunkenen Platten dort ansammeln. Genug jedenfalls um diese Anreicherung zu produzieren, die die Platten abbremst."
    Die beiden Studien liefern also zwei unterschiedlichen Erklärungen für ein bizarres Phänomen. Die eine erkennt Veränderungen im Fließverhalten. Die andere geht davon aus, dass sich die Zusammensetzung der Gesteine verändert. Widersprechen müsse sich das nicht, betonen die Forscher. Beide Effekte könnten durchaus zusammenspielen, und so ist als Nächstes Zusammenarbeit angesagt.