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Seismologie-Kongress
Erdbeben von Menschenhand

Es gibt kaum eine Naturkatastrophe, die Menschen so verunsichert wie ein Erdbeben. Und doch ist es immer öfter der Mensch selbst, der den Albtraum auslöst - zum Beispiel bei Erdwärmebohrungen oder der Erdgasförderung. Seismologen erforschen, wie sich menschengemachte Erdbeben vermeiden lassen könnten.

Von Karl Urban | 05.03.2019
Beschädigtes Gebäude in Pohang, Südkorea nach dem Erdbeben vom 15.11.2017 (171115) -- SEOUL, Nov. 15, 2017 -- A damaged building is seen in Pohang, South Korea, on Nov. 15, 2017. An earthquake of 5.4 magnitude struck an area in southeast South Korea, the country s weather agency said on Wednesday. ) (swt) SOUTH KOREA-POHANG-EARTHQUAKE NEWSIS PUBLICATIONxNOTxINxCHN
Das Erdbeben am 15. November 2017 in Pohang wurde wahrscheinlich durch eine Erdwärmebohrung ausgelöst (imago stock&people)
Am 15. November 2017 bebt in Pohang im Südosten der koreanischen Halbinsel die Erde. Bilder von Überwachungskameras zeigen, wie Menschen in Panik Geschäfte verlassen, während draußen Teile einer Fassade auf die Straße stürzen.
Dieses Erdbeben war menschengemacht: Eine Studie im Wissenschaftsmagazin Science fand im letzten Jahr ausreichend Hinweise dafür, dass das zweitstärkste gemessene Beben der koreanischen Geschichte "höchstwahrscheinlich" durch eine Erdwärmebohrung ausgelöst wurde, bei der unter Hochdruck Wasser in die Tiefe gepresst wurde, um Risse im heißen Untergrund zu erzeugen.
"Man hat jetzt einen Fall, wo ein solches Projekt ein Beben der Magnitude 5,8 ausgelöst hat, bei dem es 80 Verletzte gegeben hat und viele Gebäude beschädigt wurden. Und das ist schon ein Präzedenzfall, der natürlich für jedes zukünftige Geothermie-Projekt eine große Herausforderung ist."
Beben durch Fracking gehen zurück
Stefan Wiemer ist Direktor des Schweizer Erdbebendienstes, der diese Woche Geologen aus aller Welt nach Davos zu einer Tagung über solche menschlich induzierten Erdbeben geladen hat. Manche der dort diskutierten Trends sind positiv: Die menschengemachte Bebenserie in den US-Bundesstaaten Oklahoma und Kansas geht zurück, mit zuvor hunderten leichten und einzelnen mittelschweren Erdbeben jedes Jahr. Ausgelöst wurde die zehn Jahre währende Serie durch die großen Abwassermengen, die bei der Erdgasförderung mit dem Fracking-Verfahren entstehen. Die Aufsichtsbehörden hätten einfach ausprobiert, was passiert, wenn die Pumpen gedrosselt werden, sagt Andrew Barbour vom US Geological Survey.
"Es gab die Vorgabe, dass die Menge des hinab gepumpten Wassers auf das Niveau von 2013 oder 2014 abgesenkt werden sollte, als die Erdbeben zum ersten Mal zum Problem wurden. Es wird dort wohl auch zukünftig nennenswerte induzierte Erdbeben geben, aber wir haben herausgefunden, dass vor allem die Geschwindigkeit, mit der gepumpt wird, die Rate neuer Erdbeben beeinflusst."
Grundlagenforschung im Felsenlabor
Stefan Wiemer verweist auf die Grundlagenforschung zu menschengemachten Erdbeben, die derzeit große Fortschritte mache. Im Schweizerischen Felsenlabor Grimsel wurden in einem dutzende Meter breiten Felswürfel durch eingepresstes Wasser kontrolliert Risse erzeugt – und Forscher konnten sehr genau am Gestein prüfen, wie sich dabei Erschütterungen vermeiden lassen.
"Das Schöne an einem Felslabor ist, dass man seine Injektionsstelle mit Sensoren von allen Richtungen umgeben kann, was man sonst in Tiefenbohrungen nicht machen kann. Man kann also nur zum Abbilden von Prozessen, aber auch zum Verständnis von induzierten Beben viel genauer hinschauen."
Es bleibt das Menetekel aus Südkorea: Die GeoEnergie Suisse, ein Planer neuer Geothermiebohrungen aus der Schweiz, verweist auf den viel zu hohen Wasserdruck, mit dem dort das Gestein geweitet wurde. Zudem hätten die koreanischen Ingenieure nicht schnell genug auf auffällige Vorbeben reagiert, nach denen sie den Druck hätten vermindern müssen. Andrew Barbour sagt dagegen, dass allein das nicht reiche, schwere Erdbeben zu verhindern: Immer kann auch ein zuvor unbekannter, uralter Riss im Gestein, eine geologische Störung, ins Rutschen gebracht werden.