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Seiteneinstieg mit Hindernissen

Die nordrhein-westfälischen Nachwuchslehrer sind sauer. Denn von den noch vor wenigen Jahren prognostizierten goldenen Aussichten ist genauso wenig übrig geblieben wie von dem Versprechen, dass die Verbeamtungsgrenze von 35 Jahren angehoben wird. Stattdessen wurde mit der Abschaffung des Bundesangestelltentarifs und der Einführung des Tarifvertrags der Länder das Gehalt noch abgesenkt.

Von Armin Himmelrath |
    Sabine Klein ist Diplom-Ingenieurin für Textil- und Bekleidungstechnik. Vor rund drei Jahren hörte die heute 39-Jährige immer wieder von Lücken in den Lehrerzimmern. Nach längerer Überlegung und Beratungen mit ihrer Familie kündigte die Düsseldorferin schließlich ihre Festanstellung, um Lehrerin zu werden, und ging ins Referendariat. Eine Entscheidung, die sie heute so nicht mehr treffen würde, gerade auch angesichts der Tatsache, dass die NRW-Landesregierung derzeit wieder über Reformen in der Lehrerausbildung diskutiert. Denn den Bildungspolitikern traut Sabine Klein nicht mehr über den Weg.

    "Ich fühle mich verarscht von der Landesregierung, weil ich angeworben wurde, meinen Job zu verlassen, um in den Schuldienst einzutreten. Lehrer wurden dringend gesucht. Es heißt immer, es herrscht ein großer Lehrermangel, und gerade Berufstätige, die auch einen gewissen Erfahrungsschatz mit sich bringen, können einen guten Beitrag leisten für den Bildungsauftrag."

    Das Referendariat an einer Realschule machte Sabine Klein viel Spaß, und Ende Januar legt die studierte Ingenieurin das zweite Staatsexamen ab. Doch aus der erhofften Anstellung als Lehrerin wurde nichts.

    "Ich hab jetzt nach meiner Ausbildung nur eine Vertretungstätigkeit bekommen an meiner Ausbildungsschule, die ist befristet bis zu den Sommerferien, und für die Sommerferien werde ich mich arbeitslos melden müssen. In meinem Fall geht es auf jeden Fall bis 'Hartz IV'. Ich hatte vorher einen festen Job und dadurch auch mir ein Anrecht auf Arbeitslosengeld erworben. Durch meine zweijährige Ausbildung als Beamte auf Zeit habe ich meinen Anspruch verloren - das heißt, mir bleibt gar nichts anderes übrig, als 'Hartz IV' zu beantragen."

    Ein befristeter Arbeitsvertrag bis zu den Sommerferien, dann sechseinhalb Wochen 'Hartz IV', dann der nächste Aushilfsvertrag - Sabine Klein und andere Betroffene machen dafür das NRW-Schulministerium verantwortlich. Dort werde zwar, so wie heute bei der Übergabe eines Berichts mit Reformvorschlägen, viel über Qualität im Lehrerberuf geredet, aber die Lebensplanung der Nachwuchslehrer spiele keine Rolle. Im Ministerium ist Thomas Frein für die Kalkulation des Lehrerbedarfs zuständig. Zu den politisch motivierten Anwerbekampagnen für Quereinsteiger in der Vergangenheit kann und will er nichts sagen, wohl aber zum Bedarf der nächsten Jahre.

    "Im Berufskolleg, wo wir ja vormals die größten Mengen an Seiteneinsteigern eingestellt hatten, geht der Bedarf für Seiteneinsteiger mit Sicherheit insgesamt zurück. In der Sekundarstufe I sieht es aber im Augenblick so aus, als könnten wir den Einstellungsbedarf langfristig ohne Seiteneinsteiger nicht decken."

    Ein Problem sei jedoch, dass jede Bedarfsprognose das Verhalten der Bewerber verändere und damit auch die Prognose wieder überarbeitet werden müsse. Doch was aus Sicht des Statistikers logisch klingt, ist für die Betroffenen kein Trost, wo wie für Matthias Ascher aus Köln.

    "Ich bin eigentlich von Haus aus Biologe, bin jetzt Quereinsteiger mit den Fächern Biologie und Chemie, und zu dem Zeitpunkt, als ich mich dafür entschieden habe, mit Bio und Chemie ins Lehramt zu gehen, war es eben noch so, dass Chemie Mangelfach war. Heute hab ich noch mal ganz klar die Zahlen gesagt bekommen, so dass Chemie eben nicht mehr unter den Mangelfächern ist. Physik und so weiter sind es noch, Chemie ist es nicht mehr."

    Matthias Ascher hat die Konsequenzen gezogen: Wenn Bekannte ihn heute fragen, ob sie es ebenfalls als Seiteneinsteiger ins Lehramt versuchen sollen, rät er dringend davon ab.