Der Bildhauer, so heißt es, beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Masse und Volumen. Bei Antony Gormley muss diese Tätigkeitsbeschreibung um einige Punkte erweitert werden: Es geht immer auch um das Verhältnis des Betrachters zur Skulptur. Was macht die Skulptur mit mir? Das ist Gormleys Hauptfrage. Er konfrontiert den Zuschauer mit humanoiden oder auch abstrakten Plastiken jeder Dimension - bis hin zum gigantischen, 20 Meter hohen und mit einer Spannweite von 54 Metern versehenen "Angel of the North", der an der Autobahn M1 in der Nähe des nordenglischen Gateshead über die Landschaft blickt; andererseits kann auch der Zuschauer selbst, im Sinne von Joseph Beuys‘, zur sozialen Skulptur werden - wie jetzt auf dem Londoner Trafalgar Square: Gormley stellt dort Passanten, Laien jeweils eine Stunde lang einen leeren Sockel zur Verfügung, zur Selbstdarstellung.
Einen theatralen Raum, wenngleich um einiges intensiver, erzeugt Gormley jetzt auch in Bregenz. Peter Zumthors kubisches Kunsthaus ist das Bühnenbild; in vier Akten steigt Gormley aus einem imaginierten wüsten Weltenraum hinan bis ins Endstadium des menschlichen Leids. Im Erdgeschoss scheinen sich zwei tonnenschwere, wenige Zentimeter über dem Boden schwebende Stahlbälle gegenseitig anzuziehen, ein Gravitationsfeld zu bilden wie Himmelskörper. Gormley hat diese Skulpturen aus seinem eigenen Körper heraus entwickelt, rissige, die Produktionsspuren vorzeigende gusseiserne Planeten, die in ihrer totalen Reduktion den Betrachter auf sich selbst zurückwerfen, auf seine simple Existenz in Zeit und Raum.
"Mit dieser Aktivierung von Schwere soll der Betrachter das Gefühl bekommen: Das ist jetzt meine Körpererfahrung, ich bin auch eine Art Raumschiff. Und Sie sind eingeladen, zwischen diesen beiden fruchtartigen Objekten - das ist ja irgendwas zwischen einer Kartoffel und einer Bombe - eine Reise im Raum anzutreten."
Einen Stock höher hat Gormley dann jene 300 streng quadratischen Stahlbeton-Sockel installiert, die in ihren Maßen die Körpergröße und das Volumen von 300 genau vermessenen Individuen repräsentieren, 300 Einwohner des schwedischen Malmö. Eine Stadt aus menschengroßen abstrahierten Hochhaus-Blöcken, die einen hochkant gestellten quaderförmigen Rumpf haben, einen fast quadratischen Kopf und ein paar kleine Öffnungen - Augen, Ohren, Mund, Anus, Geschlechtsteile. Man wandert ein wenig konsterniert in diesem urbanen Labyrinth herum, unter seinesgleichen sozusagen, und spürt diese seltsame geborgene Einsamkeit in der Massenhaftigkeit; wahrscheinlich ein Grundgefühl der Moderne.
Die Arbeit, die die nächste Etage gänzlich ausfüllt, scheint wie für das leere Bregenzer Kunsthaus gemacht: Eine in den Raum aufplatzende Zeichnung, ein zwölf Kilometer langes dünnes Aluminium-Rohr, das in immer neuen spiralhaften Windungen sich durch die Leere fortschreibt, Verdickungen und Durchgänge bildet und den Besucher nötigt, immer wieder gebückt und tastend diese dynamische, flüchtige, verwirrende Struktur zu durchqueren - wie auf der Flucht vor sich selbst.
Im dritten Stock schließlich sind jene genormten 60 Menschenwesen zu sehen, die in unterschiedlichen Haltungen - am Boden liegen, hocken, sitzen, knien, stehen - psychische Grundbefindlichkeiten repräsentieren. Auch hier ist der Ausgangspunkt, wie so oft bei Gormley, der Fötus, und die Stimmung ist eine tief pessimistische, trauernde. Diese Figuren sind Opfer, sie scheinen zu fallen, einige sind kopfüber aufgehängt, andere lehnen an der Wand oder sind in die Ecke gequetscht - und der streng geometrische Raum verstärkt noch den Eindruck der Bedrängtheit. Und das ist fast schöner als im alten Wiener Straßenbahndepot, der Remise, wo die Installation sonst zu sehen ist.
In seiner Konsequenz und Monomanie ist Antony Gormley nur den größten der lebenden Bildhauern vergleichbar, also etwa Richard Serra oder Rachel Whiteread. Wer auf dem Weg nach Süden ist, sollte in Bregenz Halt machen.
Einen theatralen Raum, wenngleich um einiges intensiver, erzeugt Gormley jetzt auch in Bregenz. Peter Zumthors kubisches Kunsthaus ist das Bühnenbild; in vier Akten steigt Gormley aus einem imaginierten wüsten Weltenraum hinan bis ins Endstadium des menschlichen Leids. Im Erdgeschoss scheinen sich zwei tonnenschwere, wenige Zentimeter über dem Boden schwebende Stahlbälle gegenseitig anzuziehen, ein Gravitationsfeld zu bilden wie Himmelskörper. Gormley hat diese Skulpturen aus seinem eigenen Körper heraus entwickelt, rissige, die Produktionsspuren vorzeigende gusseiserne Planeten, die in ihrer totalen Reduktion den Betrachter auf sich selbst zurückwerfen, auf seine simple Existenz in Zeit und Raum.
"Mit dieser Aktivierung von Schwere soll der Betrachter das Gefühl bekommen: Das ist jetzt meine Körpererfahrung, ich bin auch eine Art Raumschiff. Und Sie sind eingeladen, zwischen diesen beiden fruchtartigen Objekten - das ist ja irgendwas zwischen einer Kartoffel und einer Bombe - eine Reise im Raum anzutreten."
Einen Stock höher hat Gormley dann jene 300 streng quadratischen Stahlbeton-Sockel installiert, die in ihren Maßen die Körpergröße und das Volumen von 300 genau vermessenen Individuen repräsentieren, 300 Einwohner des schwedischen Malmö. Eine Stadt aus menschengroßen abstrahierten Hochhaus-Blöcken, die einen hochkant gestellten quaderförmigen Rumpf haben, einen fast quadratischen Kopf und ein paar kleine Öffnungen - Augen, Ohren, Mund, Anus, Geschlechtsteile. Man wandert ein wenig konsterniert in diesem urbanen Labyrinth herum, unter seinesgleichen sozusagen, und spürt diese seltsame geborgene Einsamkeit in der Massenhaftigkeit; wahrscheinlich ein Grundgefühl der Moderne.
Die Arbeit, die die nächste Etage gänzlich ausfüllt, scheint wie für das leere Bregenzer Kunsthaus gemacht: Eine in den Raum aufplatzende Zeichnung, ein zwölf Kilometer langes dünnes Aluminium-Rohr, das in immer neuen spiralhaften Windungen sich durch die Leere fortschreibt, Verdickungen und Durchgänge bildet und den Besucher nötigt, immer wieder gebückt und tastend diese dynamische, flüchtige, verwirrende Struktur zu durchqueren - wie auf der Flucht vor sich selbst.
Im dritten Stock schließlich sind jene genormten 60 Menschenwesen zu sehen, die in unterschiedlichen Haltungen - am Boden liegen, hocken, sitzen, knien, stehen - psychische Grundbefindlichkeiten repräsentieren. Auch hier ist der Ausgangspunkt, wie so oft bei Gormley, der Fötus, und die Stimmung ist eine tief pessimistische, trauernde. Diese Figuren sind Opfer, sie scheinen zu fallen, einige sind kopfüber aufgehängt, andere lehnen an der Wand oder sind in die Ecke gequetscht - und der streng geometrische Raum verstärkt noch den Eindruck der Bedrängtheit. Und das ist fast schöner als im alten Wiener Straßenbahndepot, der Remise, wo die Installation sonst zu sehen ist.
In seiner Konsequenz und Monomanie ist Antony Gormley nur den größten der lebenden Bildhauern vergleichbar, also etwa Richard Serra oder Rachel Whiteread. Wer auf dem Weg nach Süden ist, sollte in Bregenz Halt machen.