Joachim Paulus: "So, ich schalte 'mal die Kabine ein."
Carsten Becker-Willinger: "Das ist eine Lackierkabine, in der man ein Auto lackieren kann, von der Größe her."
Paulus: "Jetzt starten wir 'mal! Jetzt hört man auch: Das ist wie beim Flugzeug die Triebwerke. Jetzt schließen wir 'mal die Druckluft an. Hört sich gut an. Und los legen wir."
Carsten Becker-Willinger: "Das ist eine Lackierkabine, in der man ein Auto lackieren kann, von der Größe her."
Paulus: "Jetzt starten wir 'mal! Jetzt hört man auch: Das ist wie beim Flugzeug die Triebwerke. Jetzt schließen wir 'mal die Druckluft an. Hört sich gut an. Und los legen wir."
Uni-Campus Saarbrücken. Die Technikumshalle des Leibniz-Instituts für neue Materialien INM. Joachim Paulus arbeitet hier als Lackierer. Auf einem Tisch vor ihm bierdeckelgroße Kacheln aus Glas und Metall. Die besprüht er mit einem Klarlack aus der Spritzpistole. Einem ganz besonderen. Der Lack enthält Bestandteile, die in der Lage sein sollen, Kratzer in der Karosserie wieder verschwinden zu lassen, ganz von allein.
"Die Teile sehen gut aus. Die müssen wir jetzt ein bisschen ablüften lassen. Und die kommen dann nachher in den Ofen, werden eingebrannt, und dann ist der Versuch fertig."
Nissan stellte selbstheilende Autolacke vor Jahren vor
Selbstheilende Autolacke - viele glauben, dass es sie bereits gibt. Hat der japanische Konzern Nissan das nicht vor Jahren verlauten lassen? Ja! Hat er! Bestätigt auch Gerhard Wenz, Professor für Organische Chemie an der Universität Saarbrücken:
"Es gab auch diverse Presseschauen, wo die Produkte vorgestellt wurden. Es wurden auch an Reporter Handys verteilt, die mit diesem selbstheilenden Lack beschichtet waren. Da konnte man dann Kratzer reinmachen, und am nächsten Tag war der wieder weg."
Doch so weit, dass sie Autos mit solchen Lacken ausrüsten können, seien die Japaner auch nach rund zehnjährigen Forschungsbemühungen noch nicht:
"Bis zum Auto haben die es eben nicht gebracht, weil sie a) die Kosten nicht in den Griff bekommen haben und b) nicht die Witterungsbeständigkeit."
Ad acta gelegt ist die Idee aber noch nicht. Im mechanischen Prüflabor des INM arbeitet Carsten Becker-Willinger am automatischen Wundverschluss für zerkratzte Kotflügel.
"Das ist hier so ein Bürstentest."
Bürstentest für lackierte Kacheln
Der Chemiker steht vor einem druckergroßen Gerät. Hier landen die Kacheln aus der Lackierkabine nach dem Aushärten und Abkühlen - und werden mutwillig zerkratzt.
"Die Bürste liegt dann also mit einem gewissen Gewicht auf und wird dann einfach zyklisch hin und her bewegt mit diesem Seilzug. Machen wir's 'mal an!"
Carsten Becker-Willinger und Gerhard Wenz starten jetzt einen neuen Versuch, um selbstheilenden Lacken doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. In einem dreijährigen Projekt, mit Fördermitteln des Bundesforschungsministeriums. Und mit einer neuen Rezeptur, die bereits patentiert wurde. Die selbstheilenden Wirkstoffe nennen sich Polyrotaxane. Man kann sie sich wie Perlenketten vorstellen. Auf mikroskopisch kleine Kunststoff- oder "Polymerschnüre" werden ringförmige Moleküle aufgefädelt und das Ganze vernetzt - wobei die Perlen auf den Schnüren frei beweglich sind.
"So ähnlich, als wenn Sie einen Pullover haben und da eine Kraft ausüben. Dann ziehen Sie die Maschen auseinander. Und wenn Sie dann ein bisschen schütteln, dann rutschen die einfach wieder zusammen. Eigentlich hab' ich die ganze Geschichte mal begründet. 1992 war ich der Erste, der diese Ringmoleküle auf Polymerketten aufgefädelt hat."
Die Idee für einen selbstheilenden Lack auf Basis der Perlenschnüre hatten dann aber die Japaner.
"Also, ich war nicht so schlau, um auf die Idee zu kommen."
Keine giftigen Lösungsmittel mehr nötig
Jetzt sehen sich die Saarbrücker Forscher aber näher am Ziel. Sie gewinnen ihre Ringmoleküle neuerdings aus Maisstärke, also aus einem Pflanzenmaterial, das nicht viel kostet. Außerdem läuft jetzt alles gleichzeitig: die Synthese der Polymerfäden und das Auffädeln der Perlen. Dadurch sind keine giftigen Lösungsmittel mehr nötig wie bisher. Denn das Ganze funktioniert in wässriger Lösung.
"Noch einen? OK! Also, der Lack reicht noch. Jetzt machen wir noch einen mehr drauf."
Doch ein vermarktungsfähiger Autolack, der Kratzer selbst repariert, sei immer noch ein gutes Stück entfernt, sagt Carsten Becker-Willinger:
"Es gibt die Polyrotaxane. Die kann man herstellen. Das ist in dem Patent auch beschrieben. Und jetzt geht es darum zu zeigen: Unter welchen Bedingungen ist die Selbstheilung erzielbar? Und als weiterer Schritt: Kann man denn eben auch das Material im Kilogramm-Maßstab herstellen, dass es dann für die Industrie interessant wird?"
Nicht zu vergessen: Der Wunderlack muss auch ganz schön was aushalten können:
"Da scheint die Sonne drauf. Da gibt's Temperaturwechsel, Winter-Streusalz. All das muss natürlich auch letztlich getestet werden."
Lack könnte in drei Jahren auf den Markt kommen
Am Projektende in drei Jahren will man aber so weit sein, dass die Industrie anbeißt und am Ende einen Autolack auf den Markt bringt.
"Ich denke, das kann schon noch fünf Jahre dauern - realistisch. Bis jetzt haben wir auch noch nicht das ideale Produkt, muss man ehrlich sagen."
Ob die Tolle Idee also doch noch umgesetzt wird, kann auch Gerhard Wenz nicht voraussehen. Doch offenbar hat der Chemie-Professor einen Plan B, sollte es mit dem Kurieren von Kratzern am Auto nicht klappen:
"Wir haben auch überlegt, ob man zum Beispiel einen Nagellack auf Basis der Erfindung machen kann. Also, meine Frau, die meint eh, dass man damit mehr Geld verdienen kann als mit 'nem Autolack."