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Selbsthilfe gegen Beleidigungen im Internet

Jeder fünfte Schüler ist schon mal im Internet beleidigt oder belästigt worden oder musste intime Bilder von sich im Netz entdecken, enthüllt eine aktuelle Studie. Frankfurter Medienpädagogen möchten deshalb Schüler mit dem Projekt "Digitale Helden" gegen Onlinemobbing fit machen.

Von Afanasia Zwick |
    In der Pause ist Maximilian Atta umringt von Schülern. Der Neuntklässler weiß nämlich, wie man Fotos auf Facebook nicht für jeden sichtbar macht und welche persönlichen Daten besser nicht von einem im Netz stehen sollten. Sein Wissen ist gefragt - und mehr noch: Mit ihm als Gleichaltrigen sprechen die Schüler viel lieber als mit Eltern oder Lehrern. Maximilian Atta ist ein Held, einer der "Digitalen Helden" seiner Schule, sprich: Er kümmert sich darum, dass gegen Cybermobbing vorgegangen wird oder erst gar nicht entsteht:

    "Ich habe einen Schüler mitbekommen, der auf seine Freundin angesprochen wurde, der immer wieder gemobbt wurde: Ja, die Freundin sieht vielleicht nicht so toll aus oder so. Und er wurde damit wirklich über einen längeren Zeitraum belästigt und hat dementsprechend seinen Account gesperrt auf Facebook mit einem Abschiedsbrief, wo er geschrieben hat, dass er das total bescheuert findet, wie mit ihm und seiner Freundin umgegangen wurde."

    Solche Geschichten von Cybermobbing kennt Maximilian Atta inzwischen zur Genüge. Vertrauensvoll wenden sich Schüler der Unterstufe an ihn oder die beiden anderen "Digitalen Helden" der Schule. Denn Schüler tun sich unter Schülern viel leichter, über Belästigung und Beleidigung zu sprechen. Was aber Cybermobbing überhaupt bedeutet, lernen sie von den Medienpädagogen des Projekts: Eine eindeutige Definition gibt es nicht, erklärt Medienpädagoge Gregory Grund. Aber er sagt, eine langfristige, klar erkennbare Ausgrenzung aus Kommunikationsräumen wie Chatforen, gelte definitiv als Mobbing. Oder zum Beispiel:

    "Dass Profile übernommen werden, weil Passwörter leichtfertig anvertraut werden wieder Freunden und Freundinnen, die es dann mal für eine halbe Stunde eben nicht sind, sondern das Profil dann kapern, unter dem dann falsche Nachrichten verschicken. Meistens sind es aber wirklich verschieden Bausteine, die ineinandergreifen über einen längeren Zeitraum, sodass wir qualitativ von Mobbing sprechen und nicht von einer Auseinandersetzung, einer kleinen Rangelei oder Ähnlichem."

    Zwischen kleinen Konflikten und Mobbing zu unterscheiden. Technisches Know-how zu erlernen. Und sich über respektvollen Umgang im Netz sowohl mit eigenen als auch mit fremden Daten klar zu werden - all das bringen die Medienwissenschaftler den Schülern bei. Die ausgebildeten Schüler, die "Digitalen Helden", präsentieren ihr Wissen dann Fünft- und Sechstklässlern und sind, so wie Maximilian Atta, jederzeit Ansprechpartner. Was er bisher gelernt hat?

    "Man hat immer mehr die Möglichkeit, Fotos, die man zum Beispiel auf Facebook veröffentlicht, nur speziellen Personen zu zeigen. Man kann von Anfang an einstellen: Ich möchte nur, dass X, Y diese Fotos sieht und dementsprechend dann auch kommentieren kann. Man muss natürlich erst mal diese Einstellungen kennen, man muss wissen, wie man damit umgeht, denn es ist nicht unbedingt sehr klar."

    Pro Schule gibt es ca. vier "Digitale Helden" aus den Klassenstufen sieben bis neun. Die ausgewählten Frankfurter Schulen des Pilotprojekts sind eine Haupt-, Real- und Gesamtschule sowie ein Gymnasium und eine Waldorfschule. Ziel des Projekts ist es nämlich auch, Schüler verschiedener Schularten zusammenzubringen. So erhalten sie Einblicke auch in die Probleme anderer Schüler und können sich in Mobbingfällen gegenseitig beratschlagen.

    Die Mobbingattacken würden zwar zunehmen, aber durch die "Digitalen Helden" lernen viele Schüler auch, dass Helfen cool sei, sagt Kommunikationsberater Florian Borns. Damit sind die "Digitalen Helden" nicht nur Ansprechpartner, sondern bilden eine echte Gegenbewegung zum Mobbing an der Schule. Und ein weiterer Vorteil, erzählt Kommunikationsberater Florian Borns:

    "Auf einmal sind die nur Jahre älter, aber sie sind ganz groß, da waren die auf einmal ganz kompetent. Und der Lehrer hat uns gesagt, ich hab meine Schüler noch nie so gesehen, ich war richtig stolz auf sie. Und genau das ist es. Anerkennung, soziale Anerkennung von Lehrern von den anderen Schülern. Wenn man selbst mal was präsentiert. In der Schule wird man immer bewertet, hier kann man mal frei von Noten sich inhaltlich austauschen und was selbst rüberbringen. Und das ist ein großer Mehrwert, den die 'Digitalen Helden' mitbringen."

    Bei den Workshops im Museum für Kommunikation lernen die jungen Onlinekenner aber auch, dass sie nicht alle Mobbingprobleme ihrer Mitschüler lösen können. Wird zum Beispiel jemand über die Toilettenwand gefilmt oder werden Nacktbilder veröffentlicht, sind das extreme Rechteverletzungen, sagt Medienpädagoge Gregory Grund.

    Bei solchen Vorfällen wenden sich die "Digitalen Helden" direkt an ihn oder seine Kollegen. Sie sind bereits dabei, den nächsten Workshop vorzubereiten und hoffen, dass sich das auf drei Jahre angelegte Pilotprojekt hessenweit verbreitet. Denn viele Schüler seien, genau wie Maximilian Atta, hoch motiviert und möchten zeigen,

    "dass Facebook oder andere modernen Medien nichts Schlimmes sind, man muss nur wissen, wie man damit umgeht, wie man darin sich sicher bewegt, und wenn man das kann, dann kann man das letztlich große Potenzial von Facebook sehr schön ausnutzen."