"Bei uns in den USA sind Termiten ja eher dafür bekannt, dass sie Gebäude zerstören. Doch die Termiten, die in Afrika oder Australien leben, bauen Gebäude, und zwar erstaunlich komplexe: Manche sehen aus wie Kathedralen, andere wie Pilze oder wie riesige Nadeln. Der höchste bekannte Termitenbau ist fast 13 Meter hoch."
Eigentlich ist Justin Werfel Informatiker und kein Biologe. Dass sich der Harvard-Forscher trotzdem für die Welt der Termiten interessiert, liegt an deren Baukünsten: Ohne einen Plan zu haben oder von jemandem instruiert zu werden, können die Insekten hochkomplexe Gebilde errichten. Es genügt, wenn jedes Tier ein paar simple Regeln befolgt.
"Termiten kommunizieren nicht direkt miteinander, sondern indirekt, indem sie Zeichen in ihrer Umgebung hinterlassen. Legt eine Termite irgendwo einen Krümel Erde ab und markiert ihn mit einem Lockstoff, weiß eine andere Termite, die später auf diesen Krümel trifft, dass sie an dieser Stelle ebenfalls einen Krümel ablegen soll."
Ließe sich dieses Prinzip einer planlosen, aber hocheffektiven Bautätigkeit nicht auch auf die Maschinenwelt übertragen? Um das herauszufinden, konstruierten Werfel und seine Kollegen kleine Spezialroboter. Wenn sie auf ihren greifhakenbesetzten Rädern durchs Labor ruckeln, erinnern sie mit ihrer Länge von 20 Zentimetern an zu groß geratene, sich in Zeitlupe bewegende Käfer. Mit Sensoren erfassen sie ihre unmittelbare Umgebung. Per Greifarm können sie plattenförmige Bausteine aufheben und an anderer Stelle wieder ablegen.
"Die Roboter agieren völlig unabhängig voneinander. Jeder kann nur begrenzt Informationen aufnehmen und registriert nur, was in seiner unmittelbaren Umgebung passiert. Dennoch können sie ihre Aktionen koordinieren, und zwar so, wie es die Termiten tun."
Grundsätzlich halten sich die Roboter an ein Gittermuster, das man ihnen vorher einprogrammiert hat. Stößt ein Roboter auf seinem Weg durchs Labor auf einen Baustein, legt er seinen daneben oder darauf – abhängig davon, was für eine Art von Gebäude entstehen soll. Wichtig dafür sind die Regeln, die man den Robotern mit auf den Weg gibt, sagt Justin Werfel.
"Würden die Roboter ihre Bauelemente einfach irgendwo ablegen, würden sie womöglich in Situationen geraten, in denen sie sich selber den Weg blockieren. Zum Beispiel können unsere Roboter immer nur eine Stufe auf einmal nehmen. Also müssen die Regeln gewährleisten, dass sich die Roboter niemals selber einbauen und dass die Bauarbeiten bis zum Ende weitergehen können."
Gibt man die richtigen Regeln vor, bringen die kleinen Bauarbeiter Erstaunliches zustande: ein Dreieck zum Beispiel, den Grundriss einer Hütte und sogar einen mehrstöckigen Stapel. Die Idee dahinter: Man zeigt den Robotern ein Bild des Gebäudes, das man haben will, und schon ziehen die mechanischen Heinzelmännchen los und montieren es zusammen.
"Eine ferne Vision ist, dass solche Roboter dort etwas bauen, wo es für Menschen zu schwierig ist, etwa auf dem Mars. Man könnte also einen Roboter-Bautrupp vorausschicken. Und wenn später die Astronauten ankommen, wäre die Marsstation schon fertig. Das ist natürlich Zukunftsmusik. Doch schon in ein paar Jahren wäre aber denkbar, dass solche Roboter bei einer Flutkatastrophe Sandsäcke stapeln."
Unter Laborbedingungen funktioniert der mechanische Bautrupp zwar schon ganz gut, sagt Werfel. Aber für den rauen Einsatz in freier Wildbahn müsse man deutlich komplexere und vor allem robustere Roboter haben. Sicher eine Aufgabe, die die Forscher in Harvard noch viele Jahre beschäftigen dürfte.