Frankreich gilt nicht gerade als Land der Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Umso überraschender, dass ausgerechnet das Thema Selfpublihing dort eine neue Dimension bekommen hat. Vor vier Jahren wurde in Paris WeLoveWords ins Leben gerufen, die erste Autorenagentur, mithilfe derer Publizisten und solche, die sich dafür halten, für Auftragsarbeiten an Firmen vermittelt werden. Die Idee dafür stammt von Grégory Nicolaidis. Der heute 35-Jährige startete seine Karriere vor zehn Jahren nicht etwa im Verlagswesen, sondern in der Musikindustrie: als Marketing Direktor von Universal Musik.
Auf der Suche nach dem Text für einen neuen Hit rief er Autoren im Internet zum Schreiben auf. 10.000 Vorschläge bekam er und dachte sich, dass funktioniert nicht nur für Songtexte:
"Gregory Nicolaidis sagte sich, es ist doch nicht normal, dass es eine solche Plattform, auf der Autoren für Auftraggeber schreiben noch nicht gibt. Und so beschloss er, WeLoveWords ins Leben zu rufen. Sein Prinzip ist Crowdsourcing, man sucht nach der Originalität in einer Masse aus anonymen Schreibern und stellt das Talent unbekannter Personen in den Dienst von bekannten Firmen oder Personen",
erklärt Hermine Dammame, die heute als Redakteurin und Community Managerin für WeLoveWords arbeitet.
Simple Idee
Die Idee ist einfach: Autoren stellen ihr Talent mit eigenen Texten unter Beweis. Egal ob Krimi, Liebesgedicht, Roman oder Novelle, jede Gattung ist willkommen. Alles wird online gestellt. Heute existiert WeLoveWords in fünf Sprachen, 19.000 Autoren zählt die Community, über 60.000 Texte wurden bisher auf der Seite veröffentlicht. Die Lektorenrolle übernimmt die Community:
"Die Verlegerarbeit wird im Kollektiv erledigt, die Autoren helfen sich untereinander, geben sich Tipps, machen sich Komplimente, oder eben auch nicht, das hilft dem Autor seinen Text zu überarbeiten und wieder zu veröffentlichen."
In Hinblick auf spätere Auftragsarbeiten stellte der geschäftstüchtige Nicolaidis seinen Autoren noch ein dreiköpfiges Redaktionsteam zur Seite: eine Journalistin, eine Verlagsmarketingfrau und Hermine Dammame, die Literatur und Marketing studiert hat, das perfekte Profil also für WeLoveWords:
"Ich habe einen Master in Geisteswissenschaft und Management gemacht, der es literarisch Interessierten ermöglicht, in Firmen zu arbeiten. Das ist gerade total in Mode, weil es dort oft keine Leute gibt, die schreiben können. Ich habe mich mit meinem literarischen Background also in Richtung Kommunikation und Marketing orientiert, um beides miteinander zu verbinden und etwas Schönes damit zu machen."
Vermittlung an Firmen oder Institutionen
Das Team stand, die Autoren waren da, bestens gewappnet also gründete Grégory Nicolaidis 2010 ergänzend zu WeLoveWords seine Agentur mit dem schönen Namen YouLoveWords. Mit deren Hilfe werden die WeloveWords Community-Autoren an Firmen oder Institutionen vermittelt, die geeignete Texter für Werbung oder Präsentationen Anliegen suchen, meist kurze, knackige Formate. AirBnB zum Beispiel beauftragte die WeLoveWord-Autoren damit, ihren schönsten Word-Trip zu veröffentlichen und Renault forderte sie heraus, den neuen Twingo vorzustellen. Die Autoren schwingen die Federn, die besten im Schreibwettbewerb erhalten den Zuschlag der Firma und Nicolaidis kassiert für jeden vermittelten Autor eine Provision.
Inzwischen suchen auch etablierte französische Verleger auf der Plattform nach Talenten für ausgefallene Projekte. Für sie ist WeLoveWord eine Art Versuchtslabor. Der Traditionsverlag Flammarion etwa startet einen Wettbewerb für die trashigste romantische Komödie und der Pariser Belfond-Verlag suchte hier nach Autoren für Novellen rund um das Thema Reitkunst. Am Ende wählte Belfond 8 Autoren für einen Sammelband aus. Beste Zusammenarbeit, ohne dass klassische Verlegerkompetenzen ausgehöhlt wurden, betont Belfond-Verlegerin Magalie Brenon:
"WeLoveWord hat uns bei der Organisation des Wettbewerbs unterstützt und uns geholfen, die Texte zusammenzutragen. Unabhängig davon haben wir dann ganz normale Verlegerarbeit mit den Autoren geleistet. WeLoveWord ist für uns keine Gefahr, sie helfen uns in bestimmten Situationen, in denen wir uns bewusst an sie wenden."
Große Literatur ist dabei nicht herausgekommen, aber die WeLoveWords-Talente haben ja vielleicht noch Entwicklungspotenzial. Und, wie das Beispiel des Hamburger Autors Hans Henny Jahnn zeigt, kann aus einem Pferdenarr durchaus ein berühmter Schriftsteller werden.