Dirk-Oliver Heckmann: Es war eine Rede, die mit Spannung erwartet worden war: die Rede des französischen Publizisten Alfred Grosser gestern in der Frankfurter Paulskirche. Vertreter des Zentralrats der Juden hatten angekündigt, den Saal zu verlassen, sollte Grosser seine aus ihrer Sicht einseitige Kritik an Israel wiederholen. Allerdings ist der Eklat ausgeblieben, auch wenn Grossers Rede teils als unsäglich bezeichnet wurde. Mit Blick auf die Situation der Palästinenser hatte Grosser gesagt, dass man auch immer an das Leid der anderen denken solle. Das sei eine wichtigere Voraussetzung für den Frieden als die Waffen. – Mein Kollege Christian Bremkamp hat den Publizisten Raphael Seligmann gefragt, ob er dieser Aussage zustimmen könne.
Raphael Seligmann: Selbstverständlich. Wir haben in Deutschland ebenso wie in Israel eine Demokratie und Redefreiheit. Das ist nichts Neues, das besteht seit Jahren so. In Israel wird die Regierung kritisiert, in Deutschland auch, das ist nichts Neues. Ich wundere mich auch, Alfred Grosser sagt, Auschwitz ist die Grundlage, an den anderen zu denken. Die Grundlage ist in meinen Augen mal die Bibel, die sagt, liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Aber jeder mag das so sehen, wie er will.
Christian Bremkamp: Wenn in Deutschland und Israel Meinungsfreiheit herrscht, das haben Sie gerade hervorgehoben, wie erklären Sie sich dann, dass der Zentralrat der Juden so kritisch auf diesen Auftritt reagiert hat schon im Vorfeld?
Seligmann: Erstens mal ist Herr Kramer – Sie beziehen sich auf den Generalsekretär, der meinte, Grosser wäre der falsche Mann – nicht der Zentralrat. Herr Kramer ist lediglich ein Angestellter und nicht die Stimme des Zentralrats. Aber man hat natürlich gerne ein wenig Sensation. Herr Kramer war sehr kritisch gegenüber Herrn Grosser und es gibt auch durchaus Kritikwürdiges an ihm. Wenn er Israel kritisiert, darf man auch ihn kritisieren. Seine Aussage, die er an Martin Walser angelehnt hat, dass die Juden gerne die Holocaustkeule schwingen, die passt mir nicht, weil es gibt durchaus Juden, die das tun, die Mehrzahl der Juden tut das nicht. Diese Pauschalisierung ist die eine Sache; die andere war: Einzelne hatten befürchtet, dass Grosser an diesem Tag besonders kritisch gegenüber Israel auftreten würde, und jetzt finde ich Israelkritik richtig. Die Frage ist nur, ob die genau an diesem Tag geleistet werden muss. In der Bibel heißt es schon, ein jedes Ding unter dem Himmel hat seine Zeit, es gibt eine Zeit der Trauer, und das sollte der 9. November sein, und es gibt eine Zeit der Freude, und in meinen Augen gibt es auch eine Zeit der Kritik. Ob alles unbedingt an dem Gedenktag der Pogromnacht sein muss, mag jeder selbst beurteilen.
Bremkamp: Wie erklären Sie sich denn den jetzt eher ruhigeren Ton, den Herr Grosser gewählt hat?
Seligmann: Ich schätze Herrn Grosser als Politologen, als Mann der Versöhnung. Er ist ja besonders hervorgetreten bei der deutsch-französischen Auseinandersetzung, immerhin ein Mann, bei dem ein Teil seiner Familie von Deutschen ermordet wurde, und ich glaube, auch er hat begriffen, dass dieser Gedenktag nicht unbedingt dazu da ist, ausschließlich Israelkritik zu üben.
Bremkamp: Also waren die Vorbehalte gegen seinen Auftritt heute von welcher Seite nun auch immer überzogen Ihrer Meinung nach?
Seligmann: Sie beziehen sich auf Herrn Kramer und ich meine, es gibt ja diesen Spruch, man soll die Fische nicht vor dem Netz fangen. Herr Kramer liebt es gelegentlich, übereilt zu handeln, sich übereilt zu äußern. In dem Fall hat er wieder einmal bestätigt, dass er ein wenig überhitzt reagiert hat.
Bremkamp: Kritik an Israel muss möglich sein, sagen Sie. Wie weit darf sie denn gehen?
Seligmann: Wie weit? – Kritik darf so weit gehen, solange sie konstruktiv ist, und es gibt ja Grenzen, die das Strafrecht zieht, aber sonst kann man Israel vollkommen offen und ohne Grenzen kritisieren. Nur wenn jemand ausschließlich – es gibt ja einige Herrschaften, die ausschließlich kritisieren -, das ist keine Frage, wie weit man gehen darf, sondern es ist eine Frage des guten Geschmacks. Aber grundsätzlich darf Israel und soll Israel kritisiert werden, weil nur durch Kritik kann man etwas lernen.
Bremkamp: Herr Seligmann, wir erreichen Sie gerade in Tel Aviv. Ist von dieser Auseinandersetzung um diese Gedenkfeier in Israel selbst eigentlich irgendeine Notiz genommen worden?
Seligmann: Nein. Nicht jeder Sturm in einem deutschen Wasserglas wird in Israel ernst genommen und notiert und umgekehrt genauso.
Heckmann: Wie angemessen war die Rede von Alfred Grosser in der Frankfurter Paulskirche? Mein Kollege Christian Bremkamp hat mit dem Publizisten Raphael Seligmann gesprochen.
Raphael Seligmann: Selbstverständlich. Wir haben in Deutschland ebenso wie in Israel eine Demokratie und Redefreiheit. Das ist nichts Neues, das besteht seit Jahren so. In Israel wird die Regierung kritisiert, in Deutschland auch, das ist nichts Neues. Ich wundere mich auch, Alfred Grosser sagt, Auschwitz ist die Grundlage, an den anderen zu denken. Die Grundlage ist in meinen Augen mal die Bibel, die sagt, liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Aber jeder mag das so sehen, wie er will.
Christian Bremkamp: Wenn in Deutschland und Israel Meinungsfreiheit herrscht, das haben Sie gerade hervorgehoben, wie erklären Sie sich dann, dass der Zentralrat der Juden so kritisch auf diesen Auftritt reagiert hat schon im Vorfeld?
Seligmann: Erstens mal ist Herr Kramer – Sie beziehen sich auf den Generalsekretär, der meinte, Grosser wäre der falsche Mann – nicht der Zentralrat. Herr Kramer ist lediglich ein Angestellter und nicht die Stimme des Zentralrats. Aber man hat natürlich gerne ein wenig Sensation. Herr Kramer war sehr kritisch gegenüber Herrn Grosser und es gibt auch durchaus Kritikwürdiges an ihm. Wenn er Israel kritisiert, darf man auch ihn kritisieren. Seine Aussage, die er an Martin Walser angelehnt hat, dass die Juden gerne die Holocaustkeule schwingen, die passt mir nicht, weil es gibt durchaus Juden, die das tun, die Mehrzahl der Juden tut das nicht. Diese Pauschalisierung ist die eine Sache; die andere war: Einzelne hatten befürchtet, dass Grosser an diesem Tag besonders kritisch gegenüber Israel auftreten würde, und jetzt finde ich Israelkritik richtig. Die Frage ist nur, ob die genau an diesem Tag geleistet werden muss. In der Bibel heißt es schon, ein jedes Ding unter dem Himmel hat seine Zeit, es gibt eine Zeit der Trauer, und das sollte der 9. November sein, und es gibt eine Zeit der Freude, und in meinen Augen gibt es auch eine Zeit der Kritik. Ob alles unbedingt an dem Gedenktag der Pogromnacht sein muss, mag jeder selbst beurteilen.
Bremkamp: Wie erklären Sie sich denn den jetzt eher ruhigeren Ton, den Herr Grosser gewählt hat?
Seligmann: Ich schätze Herrn Grosser als Politologen, als Mann der Versöhnung. Er ist ja besonders hervorgetreten bei der deutsch-französischen Auseinandersetzung, immerhin ein Mann, bei dem ein Teil seiner Familie von Deutschen ermordet wurde, und ich glaube, auch er hat begriffen, dass dieser Gedenktag nicht unbedingt dazu da ist, ausschließlich Israelkritik zu üben.
Bremkamp: Also waren die Vorbehalte gegen seinen Auftritt heute von welcher Seite nun auch immer überzogen Ihrer Meinung nach?
Seligmann: Sie beziehen sich auf Herrn Kramer und ich meine, es gibt ja diesen Spruch, man soll die Fische nicht vor dem Netz fangen. Herr Kramer liebt es gelegentlich, übereilt zu handeln, sich übereilt zu äußern. In dem Fall hat er wieder einmal bestätigt, dass er ein wenig überhitzt reagiert hat.
Bremkamp: Kritik an Israel muss möglich sein, sagen Sie. Wie weit darf sie denn gehen?
Seligmann: Wie weit? – Kritik darf so weit gehen, solange sie konstruktiv ist, und es gibt ja Grenzen, die das Strafrecht zieht, aber sonst kann man Israel vollkommen offen und ohne Grenzen kritisieren. Nur wenn jemand ausschließlich – es gibt ja einige Herrschaften, die ausschließlich kritisieren -, das ist keine Frage, wie weit man gehen darf, sondern es ist eine Frage des guten Geschmacks. Aber grundsätzlich darf Israel und soll Israel kritisiert werden, weil nur durch Kritik kann man etwas lernen.
Bremkamp: Herr Seligmann, wir erreichen Sie gerade in Tel Aviv. Ist von dieser Auseinandersetzung um diese Gedenkfeier in Israel selbst eigentlich irgendeine Notiz genommen worden?
Seligmann: Nein. Nicht jeder Sturm in einem deutschen Wasserglas wird in Israel ernst genommen und notiert und umgekehrt genauso.
Heckmann: Wie angemessen war die Rede von Alfred Grosser in der Frankfurter Paulskirche? Mein Kollege Christian Bremkamp hat mit dem Publizisten Raphael Seligmann gesprochen.