Ohne richtige Diagnose - keine erfolgreiche Therapie. Menschen mit einer seltenen Krankheit suchen meist Jahre nach Erklärung für ihre gesundheitlichen Probleme.
"Es ist immer eine Odyssee."
Erst, wenn Hausärzte, Fachärzte nicht mehr weiterwissen, erfolgt die Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum. Und dann heißt es wieder: Warten. "Da ist eine sehr lange Warteliste."
Professor Jürgen Schäfer leitet das Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen an der Universitätsklinik Marburg. Das Prinzip hier, wie an anderen Universitätskliniken auch:
"Wir sind eine Gruppe von mehr als zehn sehr erfahrenen Ärzten, die sich zusammensetzen und dann einzelne Patienten im Team besprechen. Zusätzlich die Möglichkeiten von einer patienten-orientierten Universitätsmedizin in Anspruch nehmen können vom Labor bis hin zur Computerunterstützung. Die Softwareprogramme, die man da zur Verfügung hat, sind eine enorme Hilfe."
Aber selbst, wenn am Ende einer langen Indizienkette eine klare Diagnose steht: Oft können die Ärzte ihren Patienten keine ursächliche Behandlung anbieten. Nur Symptome lindern. Denn zahlreiche der rund 7.000 seltenen Krankheiten sind kaum oder nur im Ansatz verstanden. Es gibt nicht genug Forschung in diesem Bereich.
Dabei kommt die Erforschung seltener – meist vererbter - Krankheiten nicht allein den direkt betroffenen Patienten zugute.
Dabei kommt die Erforschung seltener – meist vererbter - Krankheiten nicht allein den direkt betroffenen Patienten zugute.
"Das ist halt so, dass diese genetisch bedingten Erkrankungen uns eine Unmenge an Informationen geben, die halt auch für die häufigen Erkrankungen wichtig sein können, und ein sehr schönes Beispiel ist die Bedeutung vom Cholesterin – das 'schlechte' LDL-Cholesterin, was zum Herzinfarkt führt."
Bei Menschen mit einem sehr seltenen Gendefekt sind die LDL-Cholesterin-Werte im Blut extrem erhöht. Bei ihnen kommt es schon im Kindesalter erst zu einer ausgeprägten Arteriosklerose und dann zu einem Herzinfarkt. Diese Entdeckung hat zur Entwicklung von ersten Cholesterinsenkern geführt – den Statinen. Sie sind heute ein wichtiger Baustein für die medikamentöse Herzinfarkt-Vorbeugung.
Und eine weitere seltene Krankheit hat die Idee für ganz neuartige, Cholesterin senkende Wirkstoffe geliefert, so der Marburger Herzspezialist Jürgen Schäfer.
Und eine weitere seltene Krankheit hat die Idee für ganz neuartige, Cholesterin senkende Wirkstoffe geliefert, so der Marburger Herzspezialist Jürgen Schäfer.
"Bei diesen Patienten konnte man sehen, dass die kaum schlechtes Cholesterin im Blut haben und vor dem Herzinfarkt komplett geschützt sind."
So vor einem Herzinfarkt schützen sollen auch die neuen gegen ein Eiweiß mit Namen PCSK9 gerichteten Wirkstoffe. Die ersten dieser Wirkstoffe sind kürzlich als Medikament zugelassen worden.
"Auch das ist ein sehr schönes Beispiel, wo wir von sehr seltenen Mutationen enorm viel lernen konnten für die Versorgung der breiten Bevölkerung."