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Semperoper-Intendant Wolfgang Rothe
"Pegida hat der Stadt auf jeden Fall geschadet"

Der kommissarische Intendant der Semperoper Wolfgang Rothe hat die Dresdner Bevölkerung aufgerufen gegen die fremdenfeindliche Pegida-Gruppierung Gesicht zu zeigen. Im Deutschlandfunk sagte er, es sei wichtig sich zu mobilisieren und nicht einer kleinen Gruppe die Straße zu überlassen. Zwei Jahre Pegida hätten der Stadt geschadet.

Wolfgang Rothe im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Porträt von Wolfgang Rothe,kommissarischer Intendant der Semperoper in Dresden.
    Wolfgang Rothe (picture-alliance/ dpa/ Arno Burgi)
    Er selber werde von den Pegida-Demontrationen jeden Montag auf dem Theaterplatz der Semperoper "innerlich verdammt tief runtergezogen", sagte Wolfgang Rothe, kommissarischer Intendant der Dresdner Semperoper, im Deutschlandfunk. Auch die Besucher fühlten sich dadurch gestört.
    Zwar gebe es keine akustischen Störungen während der Vorstellungen. Aber ein Teil des Publikums nehme den Gang ins Theater "als einen Spießrutenlauf wahr". Die Besucher müssten durch eine grölende Menge hindurch, die sich sehr abweisend verhalte.
    "Gesicht zeigen"
    Pegida "hat auf jeden Fall der Stadt geschadet", so Rothe weiter. Zwar sei die Mehrheit in Sachsen anderer Meinung, aber diese Mehrheit müsse auch mobilisiert werden und zeigen, dass sie sich wehrt.
    "Es gibt viel bürgerliches Engagement", sagte Rothe. Die Willkommenskultur werde gelebt, um fremden Flüchtlingen ein Zuhause zu geben. Aber es sei schwierig, "eine Menge zu mobilisieren auf Dauer, jede Woche gegen eine verärgerte kleinere Gruppe. Damit muss man umgehen. "
    Nach dem, was in Dresden am 3. Oktober passiert sei, müsse die Gesellschaft nun Gesicht zeigen und der kleinen Gruppe nicht mehr die Straße überlassen.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich ist der Theaterplatz in Dresden montags von der fremden- und islamfeindlichen Pegida-Bewegung okkupiert und eigentlich wollten die Organisatoren heute groß ihren zweiten Geburtstag feiern. Allerdings mussten sie das einen Tag vorverlegen, denn linke und bürgerliche Bündnisse wie "Herz statt Hetze" haben bereits vorher Demonstrationen angemeldet für heute. Die finden heute ab 16 Uhr statt. Außerdem gibt es ein Bürgerfest. Und einer, der sich seit Monaten in der Sache engagiert, ist Wolfgang Rothe, der kommissarische Intendant der Semperoper. Er hat dafür gesorgt, dass die Beleuchtung der Semperoper abgeschaltet wird, wenn Pegida demonstriert, und ein großer Monitor am Eingangsportal installiert wurde, auf dem Statements zu lesen sind wie "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass, Ihre Semperoper". Schönen guten Morgen, Herr Rothe.
    Wolfgang Rothe: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Rothe, wenn Sie sich die Bilder von der Demonstration gestern vor Augen führen, was haben Sie da gesehen, was sehen Sie da?
    Rothe: Na ja. Ich sehe natürlich ein Bild, das uns jetzt schon seit zwei Jahren begleitet, und lassen Sie mich das mal so darstellen: An dem Morgen, gestern Morgen habe ich mich auf den Weg gemacht in das Theater, weil wir da um elf Uhr eine wunderbare Semper Matinee angesetzt hatten und haben Haydns "Die Schöpfung" gespielt. Und wenn Sie dann auf dem Weg in Ihr Haus sind und viele Menschen, die in diese Vorstellung wollen, laufen links und rechts, hinter und vor Ihnen, und man dann sieht, was für ein Polizeiaufgebot schon unterwegs ist, weil Pegida an diesem Tag wieder auf dem Theaterplatz ist, dann wird man innerlich verdammt tiefruntergezogen, obwohl eigentlich ein wunderbares künstlerisches Ereignis auf einen wartet.
    "Es findet keine akustische Störung statt"
    Heckmann: Wie sehr ist die Semperoper denn in ihrer Arbeit beeinträchtigt durch diese Pegida-Bewegung? Eine Zeit lang konnten ja zum Beispiel keine Proben stattfinden im Ballett.
    Rothe: Ja. Ich sage mal, im Grunde ist es so: Wenn Montagabend die Kundgebungen von Pegida stattfinden, ist es so, dass im Theatersaal selbst im Semperbau eine Vorstellung oder eine Veranstaltung nicht gestört wird durch das, was draußen auf dem Theaterplatz stattfindet. Das heißt, es findet keine akustische Störung statt, sodass die städtische Versammlungsbehörde keinen Anlass sieht, auch diese Kundgebungen auf dem Theaterplatz zu verbieten. Was natürlich stattfindet ist, dass ein großer Teil unseres Publikums diesen Gang in das Theater ein Stück weit als einen Spießroutenlauf wahrnimmt, weil sie an einer Menge vorbei muss, die erst mal natürlich polizeilich auch abgesichert wird und vor allen Dingen durch Transparente und Grölen Abweisung zeigt.
    Heckmann: Und vielleicht mag sich auch der eine oder andere Künstler überlegen, ob er nach Dresden kommt oder ob er dort bleibt. - Zwei Jahre Pegida, Herr Rothe, wie sehr hat das der Stadt geschadet? Oder kann man das gar nicht sagen? Hat es vielleicht gar nicht so geschadet, weil das einfach Demonstrationsrecht ist?
    Rothe: Ich denke, dass es auf jeden Fall der Stadt geschadet hat. Das Demonstrationsrecht, das ein besonderer Ausdruck des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ist, das gibt es ja nicht nur in Dresden, sondern das gilt in der gesamten Bundesrepublik. Es ist nur hier so in Dresden, dass es eine ganz besondere Entwicklung hier an der Stelle gegeben hat, die nicht vergleichbar ist mit anderem. Ich selbst komme ja aus dem Rheinland, wie man das vielleicht auch hört, und da geht man mit Dingen, mit Fremdem ganz anders um, und hier muss man doch wahrnehmen, dass hier etwas passiert ist oder etwas vorhanden ist, was es woanders nicht in dieser Art oder in dieser Ausprägung gibt. Aber man darf niemals vergessen, dass die Mehrheit hier in Dresden, in Sachsen ganz anderer Meinung ist, und diese Mehrheit, die muss mobilisiert werden, dass sie sich zeigt und wehrt.
    "Es gibt wahnsinnig viel bürgerliches Engagement hier in dieser Stadt"
    Heckmann: Das ist ein gutes Stichwort. Blicken wir noch mal auf den 3. Oktober vielleicht zurück. Da haben ja fremdenfeindliche Pöbler das Bild bestimmt bei der Einheitsfeier. Der Präsident des Deutschen Bundestags, Norbert Lammert, der hat dann kritisiert, dass die Mehrheit, wie Sie gerade sagten, der bürgerlichen Mitte sozusagen einer kleinen lautstarken Minderheit das Feld überlassen hat. Ist das eigentlich ein Vorwurf, der berechtigt war und generell auch berechtigt ist in Dresden, in Sachsen?
    Rothe: Das kann man so nicht stehen lassen, weil es gibt wahnsinnig viel Engagement, bürgerliches Engagement hier in dieser Stadt, und zwar zum einen, um hier Willkommenskultur tatsächlich auch zu leben, zu zeigen, viel bürgerschaftliches Engagement, um Fremde, Flüchtlinge auch hier in gewisser Weise ein Zuhause zu geben, zu integrieren. Und es gibt auch sehr viele Gruppen, die hier tätig sind, die auch demonstrieren. Es ist nur immer schwieriger, letztlich eine Menge zu mobilisieren, auf Dauer, jede Woche, gegen etwas als sozusagen eine, aus welchem Grunde auch verärgerte kleinere Gruppe zu mobilisieren, jede Woche auf die Straße zu gehen.
    Heckmann: Das ist nachvollziehbar.
    Rothe: Das ist ein Phänomen, das ist aber wissenschaftlich auch untersucht, damit muss man umgehen. Aber nach dem, was hier passiert ist, nicht zuletzt an dem 3. Oktober und danach - ich habe mit so vielen Menschen hier auch in Dresden gesprochen, die von einer Scham gesprochen haben seit diesem 3. Oktober, und diese Scham muss einfach umgesetzt werden dahingehend, dass man jetzt tatsächlich Gesicht zeigt auf der Straße und nicht mehr dieser kleinen Gruppe im Vergleich zu der großen Mehrheit tatsächlich die Straße überlässt.
    "Der Großteil der Gesellschaft muss sein Gesicht zeigen"
    Heckmann: Es ist schwer, die Mehrheit zu mobilisieren, sagten Sie gerade. Kann das möglicherweise auch damit zu tun haben, dass es vielleicht auch Sympathien gibt für die Thesen der Pegida, auch im bürgerlichen Milieu? Ich erinnere mal an die Bundestagsabgeordnete der CDU, Frau Kudla, die ja in einem Twitter-Tweet geschrieben hat, die sogenannte Umvolkung, die sei ja schon längst im Gange.
    Rothe: Ja, es ist sicherlich so, und das gilt nicht nur für Sachsen, sondern im Grunde auch für die Bundesrepublik. Oder schauen Sie nach Frankreich oder Österreich. Dass es natürlich immer einen bestimmten Anteil von Menschen gibt, die, ich sage mal, rechtsradikalem völkischem Denken nahe sind, das gibt es grundsätzlich ja überall. Und die Frage ist ja auch hier an der Stelle: Da möchte ich vielleicht mal darauf hinweisen auf eine neuere Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung. Die haben festgestellt, dass Pegida-Teilnehmer überwiegend männlich, verheiratet und konfessionslos sind, und immerhin ein Viertel der Anhänger sind Akademiker. Ein Stück weit kommen die aus unserer gemeinsamen Mitte. Es ist aber ein kleiner Teil. So etwas ist latent immer in jeder Gesellschaft vorhanden. Nur: Der Großteil der Gesellschaft muss sein Gesicht zeigen und damit dokumentieren, wir sind die Mehrheit und ihr seid die Minderheit.
    Heckmann: Und dazu gibt es ja heute Gelegenheit. Eine Großdemonstration unter dem Motto "Dresden zeig Dich" ist heute angesetzt. - Ganz kurze Frage zum Schluss, Herr Rothe: Gehen Sie mit?
    Rothe: Ich bin auf jeden Fall dabei.
    Heckmann: Wolfgang Rothe war das, der kommissarische Intendant der Semperoper. Danke Ihnen für dieses Gespräch!
    Rothe: Ja, Herr Heckmann, danke auch Ihnen. Tschüss!
    Heckmann: Und schönen Tag noch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.