Zu alldem gesellen sich irritierende und widersprüchliche Schlagzeilen: Großen Erfolgen der Akutmedizin stehen kritische Anmerkungen zu Häufigkeiten bestimmter Operationen mit verdächtig(t)em Ertrags-, Aufwands- und manchmal auch Nutzenprofil gegenüber, die geeignet erscheinen, die ökonomische Unabhängigkeit von Therapieempfehlungen in Zweifel zu ziehen.
Eine durchschnittliche Auslastung von 77 Prozent im Jahre 2012 interpretiert Bundesgesundheitsminister Gröhe dahingehend, dass von über 500.000 Krankenhausbetten in Deutschland 110.000 leer stünden und sich deshalb die Frage der Verringerung dieser Bettenzahl stelle. Geht damit das bisherige "Krankenhaussterben" weiter – oder erst richtig los?
Die nach den leitenden Gesichtspunkten von Bedarfsgerechtigkeit und Leistungsfähigkeit in die Krankenhauspläne der einzelnen Bundesländer aufgenommenen Kliniken haben Anspruch auf wirtschaftliche Sicherung im Sinne öffentlicher Investitionsförderung und leistungsgerechter Entgelte. Diese Entgelte bestehen seit 2003 im sogenannten DRG- Fallpauschalensystem, das im Prinzip rückblickend ermittelte Diagnose bezogene Durchschnittsfestpreise vorsieht: und das – bis auf wenige ausgleichende Anpassungen – unabhängig vom Alter und dem Einzelfall mit Komplikationen und daraus resultierendem tatsächlichen Aufwand.
Auf Seiten der Politik wird hierin vielfach ein begrüßens- und erhaltenswertes Instrument des Wettbewerbs gesehen; andere erkennen in dieser Pauschalvergütung das ökonomisch begründete Einfallstor für selektiv-optimierte Leistungsprofile von Kliniken und das Verweisen von multimorbiden Patienten mindestens bei nicht lebensnotwendigen Akutmaßnahmen in Krankenhäuser der Maximalversorgung.
Immerhin schrieb 2012 bereits jedes zweite Krankenhaus Verluste, und hinsichtlich Trägerschaft verändert sich die Landschaft immer mehr in Richtung Privatisierung: kurzsichtige Haushaltsbefreiungsschläge von Kommunen oder verdeckter Teilrückzugsversuch aus der Daseinsvorsorgepflicht? Nur noch 30 Prozent der Kliniken sind in staatlicher Trägerschaft, je rund 35 Prozent liegen in frei gemeinnütziger beziehungsweise privater Hand. Und obwohl es deutliche Meinungen gibt, dass sich ein Krankenhaus nicht als Ertragsquelle von und für Investoren eigne, scheint die Attraktivität ungebrochen, wie die Entstehung der mit 110 Kliniken und rund fünf Milliarden Umsatz größten Klinikkette Deutschlands und größten privaten Klinikkette Europas infolge der Übernahme von 38 Kliniken der Rhön Klinikum AG durch den Krankenhauskonzern Helios vermuten lässt.
Wo findet sich der Einzelne in diesem System wieder, wie komplex und aufwändig funktioniert akute Spitzenmedizin, welche Folgen hätte eine noch größere Konzentration auf ökonomische Kennziffern, wie viel "Return on Invest"–Arithmetik ist möglich, wie viel mehr Wettbewerb geht noch, ohne Daseinsvorsorge und Vorhaltungsgedanken und ethische Grundsätze von Medizin und Arzttum preiszugeben?
Diese Leitfragen prägen den Themenschwerpunkt "Deutschland, deine Krankenhäuser": journalistische Scheinwerfer auf ein im Zweifel unterbelichtetes Problemfeld, in das jährlich fast 70 Milliarden Euro fließen, staatlich gesteuert.
Christian Floto
Leiter der Abteilung Wissenschaft & Bildung
Die geplanten Sendungen:
22.06.2014
Wissenschaft im Brennpunkt
24.06.2014
Sprechstunde
Forschung, Lehre und Patientenversorgung – Spitzenmedizin in Zeiten knapper Kassen
Live aus dem Universitätsklinikum Heidelberg
Live aus dem Universitätsklinikum Heidelberg
25.06.2014
Länderzeit
Von der Wiege bis zur Bahre: Gesundheitsversorgung im Kreiskrankenhaus
Live aus dem Klinikum Oberberg in Gummersbach
Live aus dem Klinikum Oberberg in Gummersbach
26.06.2014
Aus Kultur- und Sozialwissenschaften
27.06.2014
Lebenszeit
Zukunft Geriatrie: Wie Krankenhäuser auf den demografischen Wandel reagieren
Live aus dem St. Marien-Hospital, Köln
Live aus dem St. Marien-Hospital, Köln