Beige. Eine Naturfarbe. Sie hat viele Namen: Nude, Karamell, Elfenbein, Eierschale. Am häufigsten begegnet uns beige in Form von Kleidung bei Senioren. Rentnerbeige – ist zwar noch kein offizieller Begriff, aber jeder von uns kann sich darunter etwas vorstellen. Warum tragen Rentner so gern beige? Und ist es damit vielleicht bald vorbei, weil die so genannten Best-Ager, also Menschen ab 50, wie Farbkleckse vermehrt in diesem beigefarbenen Einheitsbrei auftauchen?
Günther Krabbenhöft: "Ich finde, ich bin einfach nur ein gut gekleideter, älterer Herr. Und, na ja, ein bisschen klassisch angehaucht, aber nur ein bisschen!"
Der Hipster-Opi
Günther Krabbenhöft, 73 Jahre alt, der wohl bekannteste Berliner über 70. "Hipster-Opi" wird er genannt, weil er in Technoclubs geht, am Bahnsteig tänzelnd auf den Zug wartet und weil er sich eben so kleidet, wie er sich kleidet.
"Heute habe ich einen Anzug an, der ist ziemlich dunkel, aber wer mich kennt, der weiß ein bisschen Farbe ist mit drin. Und diesmal ist es eine knallrote Schleife, rotes Einstecktuch, rote Strümpfe."
Auf dem Kopf trägt Günther Hut, seine Brille mit dunkelblauem Rahmen wirkt farblich auf den Anzug abgestimmt. Er interessiere sich nicht für Mode, betont der sympathische Rentner, sondern für Kleidung als Möglichkeit sich mitzuteilen.
"Ich bin jemand, eigentlich wie alle anderen auch, mit so vielen Facetten, so bunt und so einzigartig, wie eben jeder. Ich finde, die Hülle, die mich hält, hat das auch verdient, ein bisschen geschmückt zu werden."
Tarnfarbe Beige
Warum aber schmücken sich so wenige in Krabbenhöfts Alter? Warum kleiden sich Oma und Opa in allen möglichen Nuancen von beige? Die Modesoziologin Fredericke Winkler hat eine Erklärung.
Fredericke Winkler: "Beige ist fast wie eine Tarnfarbe, dass heißt wir sind sehr nah an der Hautfarbe dran. Man verschwindet regelrecht. Nicht nur beim eigenen Körper, sondern auch in der Umgebung. Beige passt sich wunderbar sowohl in den urbanen Rau als auch in den Naturraum ein, dass heißt, man hält sich maximal zurück, wenn man beige trägt."
Warum aber so viel Zurückhaltung bei den meisten Senioren? Warum verschönern sie ihre Hülle nicht, wie es Instagramstar Günther Krabbenhöft tut? Denn sind wir mal ganz ehrlich, beige als All-Over-Look steht niemandem so richtig gut!
"Was wohl jeder, der in ein gewisses Alter kommt, wobei "gewisses Alter" hier mal Definitionssache bleibt, anfängt sich zu fragen, darf ich das überhaupt noch tragen? Darf ich noch bunt tragen, darf ich noch Prints tragen, darf ich noch eng tragen? Dass heißt, wir haben ab einem bestimmten Alter eine ähnliche körperliche Unsicherheit wie wir sie schon mal in der Pubertät hatten. Diese Unsicherheit lässt einen eher auf sichere Teile zurückgreifen."
Sicherheit heißt dann für den größeren Teil unserer Senioren: Ich verschwinde mal lieber ganz im rentnerbeigen Einheitsbrei.
"Einzig, aber nicht artig"
"Ich glaube, die heute so in Schwarz rumlaufen, die Jugend, die werden die beigen Rentner von Morgen."
Sagt Günther Krabbenhöft. Von einer Komfortzone in die nächste. Heißt das so genannte Best Ager wie Günther bleiben die Ausnahme? Modesoziologin Fredericke Winkler, übrigens Ende 30, kann das nicht mit Bestimmtheit sagen, glaubt aber daran, dass sich der Dresscode in der Seniorenwelt bald ändern könnte:
"Wenn wir irgendwann einmal die echten Senioren sind, also in ein Alter zwischen 60 und 80 kommen, wobei bei uns ja das Seniorenalter später einsetzt als in der heutigen Zeit, weil wir einfach viel länger jung bleiben, sprich, wenn wir in dieses Seniorenalter kommen, werden wir ja schon nicht mehr so aussehen wie die heutigen Senioren. Erstens sind wir viel mehr tätowiert, sind medial anders aufgestellt, haben andere Dinge erlebt und sind aber auch stilmäßig anders geprägt. Und werden womöglich nicht zu dem Beige greifen, sondern zu anderen Farben."
Vielleicht wird es ein schwarzer Gesamtlook, so wie ihn die jüngere Generation, laut Günther Krabbenhöfts Beobachtungen, gerade bevorzugt. Das würde auch gut zu den Tätowierungen passen. Hoffentlich gibt es aber auch später noch Farbkleckse wie Günther, denn Menschen wie er sind nicht tragisch-hip, sondern mutig, und sie werden selbst von beigefarbenen Charakteren gern angeschaut.
Günther Krabbenhöft: "Ich sag immer: 'Seid einzig, aber nicht artig!'"
In der Ausstellung "Grey is the new Pink" im Weltkulturenmuseum Frankfurt tritt Günther Krabbenhöft ab heute als Model auf.