Stummfilm war nie stumm. Es gab immer Musik dazu. Manchmal mit Orchester. Aber immer wenigstens mit einem Stummfilmpianisten, der meist zum ersten Mal auf die Leinwand schaute und improvisieren musste. Auf den Giornate del Cinema Muto im norditalienischen Pordenone in Sichtweite der Dolomiten gelegen hat man das zum Prinzip erhoben. Jeder Film wird hier live begleitet. Diese Musik gespielt von Phillip C. Carli war aber eine besondere Herausforderung. Ein unbekannter Film des späteren Meisterregisseurs Orson Welles, gedreht 1938, erlebte ausgerechnet in Pordenone im Gran Teatro Verdi des Kreisstädtchens seine Welturaufführung. Da waren schon ein paar kommentierende Worte des Restaurators der George Eastman-Stiftung aus New York vorweg notwendig.
"Zunächst einmal möchte ich betonen, dass der Film, den wir heute Abend sehen werden, unfertig ist. Sie sollten außerdem daran denken, dass dieser Film nicht fürs Kino gedacht war. Er war vielmehr Teil eines Bühnenstücks des Mercury Theaters nach einem Dreiakter von William Gillette aus dem Jahr 1894 betitelt 'Too Much Johnson'"
Der Film über den Orson Welles in seinem berühmten Interview mit Peter Bogdanovich nur gesagt hatte, die Dreharbeiten hätten ihm viel Spaß gemacht, galt definitiv als verschollen, gelangte aber auf mysteriösen Wegen ausgerechnet in ein Lagerhaus in Pordenone, wo er durch den Gestank auffiel, den zerfallendes Nitrat-Filmmaterial nun einmal ausströmt. Niemand konnte ahnen, dass genau hier vor 32 Jahren das bedeutendste Stummfilmfestival der Welt entstanden war. Der Film hatte sich also gewissermaßen selbst sein Festival zur Uraufführung gesucht. Wie kommt es, dass in der tiefsten italienischen Provinz das Eldorado der Stummfilmexperten aus aller Welt entstanden ist. Die Frage beantwortet der Restaurator und Programmmacher Martin Koerber vom Deutschen Filmmuseum in Berlin, der seit Jahren nach Pordenone reist.
""Es gab ja hier ein verheerendes Erdbeben, das die Gegend im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert und auch zerstört hat. Und die Cineteca in Gemona. Das ist ein kleines Bergdörfchen vielleicht 50 Kilometer von hier, die es damals schon gab, hat als Gegenwehr und sozialkulturelle Maßnahme gegen das Erdbeben irgendwo angefangen - öffentlich wahrscheinlich mit einem kleinen Benzingenerator - unter freien Himmel Filme zu zeigen."
Der Stummfilm "Too much Johnson" ist ein früher Hinweis auf das filmische Genie von Orson Welles, der sich 1938 noch eher als Theatermacher und Radiovirtuose verstand. Für diesen Einspielfilm seiner Theaterproduktion versuchte er, die Slapstick-Traditionen des Kinos ad absurdum zu führen. Es handelt sich um eine einzige lange Verfolgungsjagd, die Welles Lieblingsdarsteller Joseph Cotton unternehmen muss, nachdem er bei einem seiner Liebesabenteuer vom gehörnten Ehemann entdeckt wird. In längst verschwundenen Dekors des New Yorker Fleischmarkts muss er unter abenteuerlichen Umständen treppauf treppab fliehen. Welles reizt dabei perspektivische Verzerrungen bis zum Äußersten aus. Manchmal glaubt man, sich dabei in den optischen Kabinetten des niederländischen Grafikers M.C. Eschers wiederzufinden. Doch auch mit den Tempoverzögerungen und mit den verschlungenen Wegen seiner Protagonisten, die schließlich gemeinsam in einer seeähnlichen Pfütze in Kuba landen betritt Welles das Neuland das er mit "Citizen Kane" 1941 nachhaltig revolutionieren sollte. "Too Much Johnson" ist mit einer brillant restaurierten Kopie ein frühes Versprechen des Genies, die Filmkunst nicht unberührt zu lassen.
"Zunächst einmal möchte ich betonen, dass der Film, den wir heute Abend sehen werden, unfertig ist. Sie sollten außerdem daran denken, dass dieser Film nicht fürs Kino gedacht war. Er war vielmehr Teil eines Bühnenstücks des Mercury Theaters nach einem Dreiakter von William Gillette aus dem Jahr 1894 betitelt 'Too Much Johnson'"
Der Film über den Orson Welles in seinem berühmten Interview mit Peter Bogdanovich nur gesagt hatte, die Dreharbeiten hätten ihm viel Spaß gemacht, galt definitiv als verschollen, gelangte aber auf mysteriösen Wegen ausgerechnet in ein Lagerhaus in Pordenone, wo er durch den Gestank auffiel, den zerfallendes Nitrat-Filmmaterial nun einmal ausströmt. Niemand konnte ahnen, dass genau hier vor 32 Jahren das bedeutendste Stummfilmfestival der Welt entstanden war. Der Film hatte sich also gewissermaßen selbst sein Festival zur Uraufführung gesucht. Wie kommt es, dass in der tiefsten italienischen Provinz das Eldorado der Stummfilmexperten aus aller Welt entstanden ist. Die Frage beantwortet der Restaurator und Programmmacher Martin Koerber vom Deutschen Filmmuseum in Berlin, der seit Jahren nach Pordenone reist.
""Es gab ja hier ein verheerendes Erdbeben, das die Gegend im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert und auch zerstört hat. Und die Cineteca in Gemona. Das ist ein kleines Bergdörfchen vielleicht 50 Kilometer von hier, die es damals schon gab, hat als Gegenwehr und sozialkulturelle Maßnahme gegen das Erdbeben irgendwo angefangen - öffentlich wahrscheinlich mit einem kleinen Benzingenerator - unter freien Himmel Filme zu zeigen."
Der Stummfilm "Too much Johnson" ist ein früher Hinweis auf das filmische Genie von Orson Welles, der sich 1938 noch eher als Theatermacher und Radiovirtuose verstand. Für diesen Einspielfilm seiner Theaterproduktion versuchte er, die Slapstick-Traditionen des Kinos ad absurdum zu führen. Es handelt sich um eine einzige lange Verfolgungsjagd, die Welles Lieblingsdarsteller Joseph Cotton unternehmen muss, nachdem er bei einem seiner Liebesabenteuer vom gehörnten Ehemann entdeckt wird. In längst verschwundenen Dekors des New Yorker Fleischmarkts muss er unter abenteuerlichen Umständen treppauf treppab fliehen. Welles reizt dabei perspektivische Verzerrungen bis zum Äußersten aus. Manchmal glaubt man, sich dabei in den optischen Kabinetten des niederländischen Grafikers M.C. Eschers wiederzufinden. Doch auch mit den Tempoverzögerungen und mit den verschlungenen Wegen seiner Protagonisten, die schließlich gemeinsam in einer seeähnlichen Pfütze in Kuba landen betritt Welles das Neuland das er mit "Citizen Kane" 1941 nachhaltig revolutionieren sollte. "Too Much Johnson" ist mit einer brillant restaurierten Kopie ein frühes Versprechen des Genies, die Filmkunst nicht unberührt zu lassen.