Auf einem Parkplatz in einem Hunsrückdorf begrüßt die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen eine etwa 30-köpfige Journalistengruppe. Die Ministerin hat festes Schuhwerk gewählt, um die Gruppe höchstpersönlich zur 25.000 Jahre alten Felskunst zu führen, die an einer abgelegenen Stelle in einem Steilhang gefunden wurde. Es handelt sich um drei rund 50 Zentimeter lange Pferde und weitere noch unbestimmte Tiere, die in einen Schieferfelsen graviert wurden:
"Als ich davon gehört habe vor einigen Wochen, war ich sehr fasziniert. Auch deswegen, weil es bisher diese Art von Felskunst aus der Altsteinzeit in einer so nördlichen Region nicht gegeben hat. Bisher ist das begrenzt auf Spanien, Portugal und Frankreich."
Die Ministerin führt gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Landesarchäologen Axel von Berg durch ein bewaldetes Gelände. Bevor die Journalistengruppe die altsteinzeitliche Felskunst erreicht, wird sie gebeten, den genauen Fundort nicht zu veröffentlichen. Denn die Stelle ist noch nicht gesichert, obwohl dort bereits mehrere Jahre diskret geforscht wird, verrät Landesarchäologe Axel von Berg:
"Wir betreten auch hier praktisch archäologisches Neuland. Denn wir haben bisher solche Gravuren im Schiefer noch nie gefunden. Die sind bisher auf anderen Steinen angebracht. Sodass wir das erst einmal einordnen mussten, was wir dort gefunden haben."
Dann führt der Wissenschaftler die Gruppe mitten im Hunsrückwald vor einen gut zwei Meter hohen Schieferfelsen.
Fundstelle noch ungesichert
"Ja, meine Damen und Herren, wir haben den Ort des Geschehens erreicht."
Zunächst ist nichts zu erkennen. Das sei auch gut so, sagt der Archäologe Wolfgang Welker, der den Fund federführend wissenschaftlich erschlossen hat:
"Sie können erst einmal nicht viel erkennen, das finde ich auch gar nicht so verkehrt. Denn das ist zugleich ein Schutz für das Felsbild. Wenn der Lichteinfall ungünstig ist, dann sieht man eigentlich gar nichts."
Wolfgang Welker schaltet einen starken Scheinwerfer an, erst jetzt werden die Tierkörper auf dem Fels sichtbar:
"Wir haben hier oben links, eindeutig zu erkennen, ein Pferd. Hier ein rechteckiger Kopf mit einem v-förmigen Ohr und dann haben wir hier die Kopflinie, hier die Hals- und Rückenlinie. Hier ist so eine Art Stummelschwanz und der Schweif ist hier graviert. Sieht man nicht auf Anhieb. Und hier haben wir das Hinterbein."
Zwei weitere Pferde werden durch die künstliche Beleuchtung unmittelbar daneben sichtbar, andere Tiere auf der Schieferfläche sind noch nicht genau bestimmt worden. Die Pferde erinnern auf den ersten Blick an die Höhlenmalereien im französischen Lascaux, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Doch der Archäologe Wolfgang Welker erklärt, dass die rund einen Zentimeter tief in den rheinischen Schiefer gravierten Pferdefiguren wohl noch ein paar Tausend Jahre älter sind als die gemalten Pferde von Lascaux. Doch Südfrankreich ist auch für die Hunsrück-Pferde die Vergleichsregion, die Spuren führen zu einer Höhle namens Pair-non Pair in der Nähe von Bordeaux:
"Die besten Parallelen sind mit Pair-non Pair, das ist eine Höhle, die aber sehr klein ist. Und im Eingangsbereich, im Tageslichtbereich sind dort Gravuren, die viele Parallelen haben. In thematischer Hinsicht, in stilistischer Hinsicht, aber auch in Hinsicht auf die Machart."
Gravuren erinnern an Pferde-Zeichnungen in Lascaux
Mit Steinwerkzeugen haben die Künstler vor rund 25.000 Jahren die markante Tiergruppe in der sogenannten Flachrelief-Technik in den Schiefer graviert. Ob der Ort im Hunsrück, an dem dieses Kunstwerk nun gefunden hatte, für rituelle Zwecke diente, ist unklar. Der Felsen war in der Altsteinzeit, in der eine Eiszeit herrschte, weithin sichtbar, vermutet der Archäologe Wolfgang Welker:
"Hier hat das den Charakter einer Litfaßsäule. Wir sind hier auf einer plakatartigen Wand. Sie müssen sich vorstellen, in der Eiszeit gab es hier keine Bäume. Da war hier alles kahl. Sie können auch davon ausgehen, dass hier vielleicht sogar die Gravuren gefärbt waren. Anzunehmen ist es. Da hat man das von Weitem gesehen. Aber ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass das hier ein Heiligtum ist."
Ob Heiligtum oder nicht: Die Tiergruppe im Hunsrück ist eine archäologische Sensation von Welterberang, die schleunigst gesichert werden muss. Geld darf dabei keine Rolle spielen, versichert die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen noch unterhalb des Felsens:
Archäologische Sensation von Welterberang
"Wir haben hier ganz offensichtlich historisch etwas immens Bedeutendes. Für die Region etwas Einmaliges. Und jetzt geht es um die Frage, wie geht man vernünftig mit dem archäologischen Erbe in einer besonderen topografischen Situation um. Hier ist nicht das Problem das Geld, sondern eine angemessene Lösung zu finden."
Und das jetzt möglichst schnell. Denn es droht Vandalismus. Den Archäologen schwebt vor, den Originalfundort deshalb für die Öffentlichkeit zu sperren und in einem Hunsrück-Dorf in der Nähe mit einer originalgetreuen Kopie der Felskunst ein Museum zu schaffen.