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Sensorsystem für Sportbekleidung
Schutz vor Überhitzung und Unterkühlung

Dauerfrösteln auf der Bergetappe zehrt an den Kräften und schadet der Gesundheit - Dauerschwitzen unter einem zu warmen Trikot macht die Passanstiege zur Tortur. Ein Sensorsystem könnte bei der Wahl der richtigen Sportbekleidung helfen.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein Rennradfahrer in Funktionskleidung fährt auf der Obersalzbergstraße in Berchtesgaden
    Bei Rennradfahren im Gebirge ist die Wahl des richtigen Trikots besonders wichtig (dpa / imageBROKER / Norbert Eisele-Hein)
    Ein kurzärmeliges Trikot bei warmen Temperaturen, ein langärmeliges, wenn’s schattig ist. An diese Faustregel dürften sich die meisten Rennradfahrer halten. Einem studierten Wissenschaftler wie Abraham Mejia ist das ganz offenbar zu unpräzise. Er will die Wahl des Trikots auf ein solides Fundament stellen – ein Computermodell basierend auf handfesten Sensordaten:
    "Bislang hat noch keine Studie im Detail untersucht, wann sich ein Radfahrer in seiner Sportkleidung wohl fühlt und wann nicht. Mit unserem Projekt wollten wir den thermischen Trage-Komfort möglichst objektiv messen – und damit verhindern, dass der Sportler unterkühlt oder überhitzt."
    Mejia und seine Kollegen vom Forschungsinstitut EURAC im italienischen Bozen ließen sich in Kooperation mit Experten der Radsportbekleidungsfirma Q36.5 ein raffiniertes Sensorsystem einfallen: Sie bestückten rennradbegeisterte Probanden mit einem runden Dutzend an Thermometern und Feuchtigkeitsmessern. Manche waren direkt am Körper befestigt, andere in Trikot und Radlerhose integriert. Um sichtbar zu machen, an welchen Körperstellen wieviel Schweiß fließt, kamen Wärmebildkameras zum Einsatz.
    "Eine dieser Kameras war auf dem Fahrrad montiert. Allerdings war sie sehr dicht am Radler dran und konnte ihn deshalb nicht komplett erfassen. Deshalb haben wir eine zweite Kamera an einem festen Punkt unserer Teststrecke aufgebaut. Die konnte dann den ganzen Körper abbilden. "
    Teststrecke in den Südtiroler Alpen
    Die Teststrecke hatte es in sich: In den Südtiroler Alpen mussten die Probanden einen 15-Kilometer-Parcours bewältigen, mit einem Höhenunterschied von 800 Metern. Ein Computer wertete die Messdaten aus – wobei die Experten weitere Informationen einfließen ließen, vor allem Wetterdaten. Das Resultat:
    "Mit unserer Methode können wir deutlich erkennen, ob ein Sportler thermisch gesehen noch im grünen Bereich ist oder ob seine Körpertemperatur zu hoch oder zu niedrig werden droht."
    Der Clou: Das Sensorsystem kann eine sich abzeichnende Überhitzung oder Unterkühlung bereits erkennen, noch bevor der Sportler die ersten Anzeichen verspürt. Und wozu könnte das Ganze gut sein? Zum Beispiel für Sportbekleidungs-Hersteller, die bessere Trikots und Sporthosen entwickeln wollen, sagt Abraham Mejia. Oder auch für eine Software, die dem Rennradler nützliche Bekleidungstipps mit auf den Weg gibt.
    App könnte Bekleidungs-Tipps geben
    "Gibt man die Wettervorhersage und die geplante Strecke ein, könnte so ein System empfehlen, welche Sportkleidung man an diesem Tag am besten tragen sollte, gerade bei Touren in den Bergen."
    Zuvor aber wollen die Fachleute noch einiges verbessern. Zum Beispiel:
    "Bislang sind unsere Sensoren verkabelt, das ist für einen Radfahrer natürlich unbequem. Deshalb wollen wir nun pflasterähnliche Funksensoren einsetzen sowie Messfühler, die sich in die Kleidung einweben lassen. Das Ziel sind intelligente Kleidungstücke, die direkt mit dem Smartphone kommunizieren."
    Anwendungsszenario Gesundheitssektor
    Inwieweit sich so ein Frühwarnsystem für thermische Missempfindungen durchsetzt, bleibt natürlich abzuwarten. Doch selbst wenn die Sportbranche nicht darauf anspringen sollte – Abraham Mejia hätte da noch eine andere Idee – und zwar für den Gesundheitssektor:
    "Wenn ein Patient im Krankenhaus über längere Zeit bettlägerig ist, kann er sich wund liegen. Mit unserem Sensorsystem ließen sich Temperatur und Feuchtigkeit auf sensiblen Hautstellen überwachen, sodass man rechtzeitig handeln könnten, bevor irgendwelche Entzündungen durch Viren oder Bakterien entstehen."