Susanne Luerweg: Kim Jong Un, Nordkoreas Staatschef, galt jahrelang als wenig interessiert an Kontakten zur westlich orientierten Außenwelt. Schon gar nicht an Kontakten zum Nachbarn Südkorea. Doch die Eiszeit scheint zu Ende. Gerade war seine Schwester bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pjöngjang zu Besuch, da steht schon das nächste Zusammentreffen an.
Am Wochenende treten rund 160 Musiker aus Südkorea in Nordkoreas Hauptstadt auf. Und zwar auf einem mehrtägigen Festival, darunter auch Stars der so genannten K-Pop-Szene. Das letzte Mal, dass ein südkoreanischer Musiker in Nordkorea zu hören war, ist mehr als zehn Jahre her. Und zwar im Jahre 2007. Was passiert da eigentlich? Darüber wollen wir mit Fabian Kretschmer sprechen, freier Korrespondent in Südkorea, der unter anderem für den deutschsprachigen Zweig von KBS World-Radio arbeitet. Schönen guten Tag, Herr Kretschmer.
Fabian Kretschmer: Ja, guten Tag!
"Das Publikum wird auserlesen sein"
Luerweg: Herr Kretschmer, was ist da los? Erst die Annäherung auf der sportlichen Ebene, jetzt gibt's Musik - dieser kulturelle Austausch: wächst da was zusammen, was irgendwie ja auch zusammengehört?
Kretschmer: Ja, das kann man schon so sagen. Der Aufritt der südkoreanischen Sänger und Künstler jetzt in Pjöngjang ist quasi Revanche oder eine Rückeinladung. Denn bereits zu den olympischen Winterspielen in Pjöngjang, da waren ja auch nordkoreanische Künstler und Sänger und eine Taekwondo-Truppe hier in Südkorea, und das ist quasi die Rückeinladung. Und das ist insofern schon eine Wende, denn dieser kulturelle Austausch war ja für zehn Jahre tot - wie Sie ja auch in der Anmoderation gesagt haben. Und es gab ja zuletzt – nicht mal die Militärhotline war geöffnet, es gab praktisch gar keine Kommunikation. Und von daher ist das jetzt quasi die Eiszeit, die auftaut, so würde ich das benennen.
Luerweg: Blicken wir jetzt erstmal auf das kommende Wochenende, auf das Musik-, Pop-Konzert, was da stattfinden soll. Wie wichtig - oder wieviel kann so ein kultureller Austausch auch zum Zusammenwachsen von Süd-und Nordkorea beitragen? Denn es wäre ja auch schon ganz schön, wenn die beiden Staatschefs sich enger miteinander verzahnen würden.
Wir haben noch länger mit Fabian Kretschmer gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs.
Kretschmer: Ich glaube, dass das erstmal ein guter Schritt ist, dieses Konzert, was da stattfindet. Auf den ersten Blick ist es ja schon erstaunlich: Also die K-Pop-Bands, die dort in Pjöngjang auftreten werden, das sind ganz moderne, westliche Bands, die in Make-up und Miniröcken dort auftreten werden. Das mag erstmal überraschen. Auf dem anderen Blick, also auf den zweiten Blick überrascht es vielleicht nicht mehr so sehr, zum einen wird da bloß eine Elite im Publikum sitzen. Also es gibt zwei Auftritte und in dem einen - das findet im Theater statt - da finden 1.500 Leute Platz, und noch ein zweites, bisschen größeres Konzert mit 2.000 Leuten, aber das Publikum wird auserlesen sein.
Und was dann die Bevölkerung über die Medien da mitbekommen wird, das wird sehr selektiv sein. Wenn überhaupt die Medien darüber berichten. Letztendlich muss man aber auch sagen: Viele von den Nordkoreanern die sind ja auch schon mit der südkoreanischen Musik vertraut, weil über Schwarzhändler und über Schmuggler gelangt das über China schon ins Land. Das heißt, für die Großstadtjugend beispielsweise oder für die Leute, die an der chinesischen Grenze wohnen, die kennen eigentlich die K-Pop-Bands schon.
"Im K-Pop geht es um Hedonismus, Freiheit und Materialismus"
Luerweg: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: Diese beiden Gesellschaftssysteme sind ja so unterschiedlich, die haben auch sehr unterschiedliche Musikstile hervorgebracht. Sie haben es gerade gesagt: K-Pop ist absolut westlich geprägt, ist auch bei uns ein richtiger Begriff. Gerade die männlichen Bands sind in der Modeszene gerade schwer angesagt in Deutschland und in Europa überhaupt. Aber Nordkorea? Da kennen wir jetzt recht wenig. Was hören die denn normalerweise?
Kretschmer: Ja, in Nordkorea ist die Musik auch sehr staatlich organisiert. Und die klassische Propagandamusik in Nordkorea: das sind Revolutionssongs. Da geht's um den Koreakrieg, um den Widerstand gegen die japanischen Besatzer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, meistens von Chören gesungen, so Marschmusik quasi. Für unsere europäischen Ohren ist das sehr fremdartig. K-Pop hingegen, also der südkoreanische Pop ist von sich aus sehr apolitisch, sehr glatt gebügelt. Aber dort ist die Message eine andere: da geht's um Hedonismus, um gewisse Freiheit und Materialismus. Und das ist dann für Nordkorea auch gefährlich.
Luerweg: Einer der bekanntesten südkoreanischen Musikern, Psy, mit Gangnam-Style, kennt auch in Europa jeder. Der ist dann doch nicht so willkommen in Nordkorea. Den möchten die nicht. Warum eigentlich?
Kretschmer: Letztendlich über die Gründe kann man nur spekulieren. Das hat Nordkorea nicht publik gemacht. Meine Theorie wäre, sein Lied Gangnam-Style war eigentlich untypisch für den K-Pop-Style, relativ satirisch. Er macht sich lustig über die Neureichen von Gangnam, das ist ein Bezirk hier in Seoul und dadurch hat er auch was subversives. Und zum zweiten ist es auch ein, man würde sagen neudeutsch, ist es auch ein freakiger Song: Ein Mann, der über 40 ist, der Oberkörper-ohne mit schrillem Make-Up im Video tanzt. Das passt auch nicht zu Nordkorea, was wirklich eine sehr konservative, patriarchale Gesellschaft ist. Das werden so die zwei Hauptgründe sein, warum die mit dem Sänger jetzt nicht so viel anfangen können.
Intranet statt Internet
Luerweg: Wie ist das in Nordkorea? Haben die da Internet? Gibt es Menschen, die das prima verfolgen können, was in Südkorea so passiert und das beobachten?
Kretschmer: Nein, gibt es in dem Sinne nicht. Offiziell gibt es ein Internet, aber das staatliche Internet wäre eigentlich eher vergleichbar mit einem Intranet. Man kann es vielleicht am ehesten vergleichen mit dem Intranet, was Firmen zum Beispiel ihren Mitarbeitern zum internen Austausch zur Verfügung stellen. Oberflächlich ja, es gibt nordkoreanische Soziale Medien, die Leute machen ihre Selfies. Und es gibt auch nordkoreanische App-Entwickler, es gibt Tablet-PCs. Aber mit einem Unterschied, sie sind komplett abgeschnitten vom Rest der Welt. Der Staat, das Regime, entscheidet komplett, welche Inhalte gelangen in dieses Intranet und welche nicht. Und das ist natürlich komplett selektiv vom Regime, alles was irgendwie subversiv sein könnte, das gibt's dort nicht zu sehen. Und ob die Nordkoreaner überhaupt mitbekommen, dass die Winterspiele in Südkorea stattgefunden haben, das hängt wirklich davon ab, ob die staatlichen Zeitungen das vermelden oder nicht.
Nordkoreaner mögen K-Pop
Luerweg: Jetzt haben wir ja viel darüber geredet, dass sich die Nordkoreaner auf die südkoreanischen K-Pop-Bands freuen werden. Sie haben mal in Südkorea gefragt, wie die Leute das einfach da finden, dass da hingereist wird und was Sie glauben, was das auslöst. Da hören wir mal kurz rein:
Yoon Jae Won (23): Nun ja, ich denke, dass Reise und Auftritt in Nordkorea grundsätzlich positiv sind. Vor allem, weil es Nordkoreanern die Chance gibt, südkoreanische Songs kennenzulernen. Deswegen bin ich dafür. Von dem, was ich gehört habe, mögen Nordkoreaner K-Pop. Von daher glaube ich, dass die Performance ein voller Erfolg wird.
Oh Hyun Eui (25): Ich denke, dass ein Kulturaustausch zwischen Süd- und Nordkorea eine gute Sache ist. Wenn wir später einmal wiedervereinigt sind, dann ist es hilfreich, dass wir uns gegenseitig so gut wie möglich kennen. Wahrscheinlich werden einige Zuschauer in Nordkorea schockiert sein. Vor allem die, die noch nicht mit südkoreanischer Popkultur vertraut sind. Für die könnte das recht unangenehm werden.
Kim Dae Ho (32): Ich finde das generell gut. Durch den Kulturaustausch kommt man nämlich ins Gespräch, und von da an können beide Seiten auch über wirtschaftliche und gesellschaftliche Dinge reden.
Luerweg: Klingt ja interessant und wir warten mal ab, was sich am Wochenende dann daraus ergibt, wenn die südkoreanischen Musiker auftreten werden in Nordkorea. Und darüber haben wir gesprochen mit Fabian Kretschmer, freier Korrespondent der schon länger in Südkorea lebt und hin und wieder auch für KBS World-Radio arbeitet. Herr Kretschmer, vielen Dank für das Gespräch!
Kretschmer: Ja, vielen Dank nach Deutschland.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.