Wo die Flämische Volksbewegung in dieser Auseinandersetzung steht, daran lässt ihr Internetauftritt keinen Zweifel aufkommen. Es lebe Katalonien, es lebe die Republik Flandern! So endet der Aufruf des Vorsitzenden Bart de Valck an die Mitglieder, die Katalanen in ihrem Streben nach Unabhängigkeit zu unterstützen.
"Das würde der flämischen Volksbewegung natürlich Auftrieb geben. Sie würde sich bestätigt sehen in ihrem Streben nach flämischer Unabhängigkeit."
Sagt Dirk Rochtus, Politikwissenschaftler an der katholischen Universität in Leuven. Was der Wissenschaftler so nüchtern beschreibt, klingt im Internetauftritt viel martialischer. Mit der katalonischen Unabhängigkeit – so steht es dort - beginne für die flämische Unabhängigkeitsbewegung die Schlacht um das Land im Herzen Europas.
Unabhängigkeit ja, aber kein Referendum
Die flämische Volksbewegung ist 1956 gegründet worden, um für die Flamen mehr Autonomie innerhalb Belgiens zu erstreiten. Als das erreicht war, kam die Forderung nach staatlicher Unabhängigkeit. Die streben viele flämische Vereine, Verbände und Parteien an, auch die N-VA, die Neue Flämische Allianz, eine konservative Partei. Derzeit aber mit angezogener Handbremse:
Die Mehrheit der N-VA-Wähler sind überhaupt keine Separatisten oder Leute, die für Unabhängigkeit sind. Aber natürlich gibt es einen harten Kern, der für die Unabhängigkeit Flanderns ist. Und der würde natürlich darauf drängen, dass die N-VA-Führung sich ein Vorbild an der katalanischen Unabhängigkeit nimmt.
Ein Unabhängigkeitsreferendum in Flandern? So wie in Katalonien? Nein, nein, sagt Mark Demesmaeker, Europaabgeordneter der N-VA:
"Wir versuchen unser Ziel Schritt für Schritt zu erreichen. Nicht durch ein Referendum, daran glauben wir in unserem Kontext nicht."
Neues Interesse an Katalonien
Der Kontext, von dem Mark Demesmaeker da spricht, das ist die Beteiligung seiner Partei an der belgischen Föderalregierung. Drei Minister und zwei Staatssekretäre stellt sie. Da wird die Unabhängigkeit zu einem Fernziel. Und daran würde auch ein unabhängiges Katalonien nichts ändern. Zumal die Flamen über die Katalanen gar nicht viel wissen, wie Demesmaeker meint. Erst in den letzten Tagen, seit die harte Linie der spanischen Regierung gegen die katalanischen Separatisten die Schlagzeilen bestimmt, hätten die Flamen Ihr Herz für die Katalanen entdeckt:
"Jetzt sehen sie Katalonien als underdog. Und natürlich hat jeder Sympathien für einen Underdog"
Denn, so heißt es in dem martialischen Text, mit der katalonischen Unabhängigkeit beginne für die flämische Unabhängigkeitsbewegung die Schlacht um das Land im Herzen Europas. Kämpfen werde man, bis die Republik Flandern so sicher und stabil sein werde wie ein Haus.
"Ich fühle mich nicht als Italiener"
Auch in Italien gibt es eine starke Unabhängigkeitsbewegung – vor allem in der Region Venetien. Viele Menschen hier wollen keine Italiener mehr sein, sondern erinnern lieber an jene ruhmreiche Zeit als weite Teile Norditaliens von Venedig aus regiert wurden. Alessio Morosin kämpft seit Jahrzehnten für die Wiederauferstehung der Republik Venedig – untergangen im Jahr 1797.
"Wenn ich reise und sie mich fragen: Woher kommen Sie? Sage ich 'Veneta'. 'Veneta?' 'Ja, Republic of Venice'. 'Italiener?' 'Nein, ich fühle mich nicht als Italiener. Das tut mir sehr leid, das tut mir im Herzen weh. Denn ich liebe die italienische Halbinsel, ihre Geschichte, ihre Kultur, wirklich sehr! Doch ich kann diese Institutionen nicht lieben, die mir feindlich gesinnt sind.'
Und damit meinen die norditalienischen Separatisten vor allem die Regierung in Rom. Die sei in höchstem Maße ineffizient. Milliarden von Steuergeldern aus dem Norden werden in Rom sinnlos vergeudet, so der Vorwurf. Tatsächlich werden Jahr für Jahr hohe Summen vom Norden in den Süden Italiens gepumpt, ohne dass sich die Situation dort irgendwie verbessert. Für die Separatisten im Norden ist Rom nichts anderes als eine gemeine Diebin: "Roma ladrona", so lautet ihr Schlachtruf.
Padanien sollte der neue Staat heißen
Dabei galt Venetien noch vor 50 Jahren selbst als das "Sizilien des Nordens", das sich dann allerdings zu einer der wohlhabendsten Regionen Italiens gemausert hat. Der Wirtschaft dort geht es gut. Und die öffentliche Verwaltung funktioniert deutlich besser als in den meisten südlichen Regionen . Lange Zeit träumten deshalb viele Norditaliener von einem neuen Staat namens Padanien, einem Kuddelmuddel aus der Lombardei, dem Piemont und Venetien.
"Befreit Padanien! Piemontesen , Lombarden und Veneter vereinigt euch! Es geht um uns. Zuerst wir und erst dann die anderen…"
Besonders hartnäckig sind nach wie vor der Veneter, die mit einigem Neid auf die benachbarten Südtiroler schauen, die sich schon ein Autonomiestatut erkämpft haben und damit etwa 90 Prozent ihrer Steuern behalten dürfen. Die Folge sind wirtschaftlich blühende Landschaften mitten in Europa, dem sich auch der Venezianer Alessio Morosin zugehörig fühlt.
"Ich glaube an Europa. Aber Italien kann nicht in diesem Europa bleiben. Denn dieses Italien hinkt, dieses Italien hält die Regeln nicht ein. Venetien könnte sehr wohl zu Europa gehören. Es würde alle Abkommen respektieren, und die Vorgaben von Maastricht einhalten."