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Separatorenfleisch
"Ein Einfallstor für Betrug"

Wo bleiben 70.000 Tonnen Separatorenfleisch, fragt Foodwatch? Die Fleischreste, die maschinell vom Knochen abgelöst werden, könnten ohne Kennzeichnung dem Verbraucher untergejubelt werden, befürchtet Luise Molling im DLF - und forderte die Behörden zum Handeln auf.

Luise Molling im Gespräch mit Britta Fecke |
    Eine Probe aus einem Fertiggericht wird im Labor des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf Pferdefleisch untersucht.
    Wo bleibt das Separatorenfleisch? - Foodwatch fordert Aufklärung. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Britta Fecke: Bei der industriellen Fleischverarbeitung wird auch noch der letzte Gewebefetzen verwertet. Das was die Maschine vom Knochen noch abkratzt, wird Separatorenfleisch genannt. Dieses Restfleisch-Gewebe kam in den letzten Jahren bei verschiedenen Lebensmittelskandalen ins Gerede, Stichwort BSE, Gammelfleisch und Kennzeichnungsbetrug. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat nun eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Nach ihren Ermittlungen verschwinden jährlich in Deutschland 70.000 Tonnen dieses Separatorenfleisches - verschwinden im Sinne von, es wird undeklariert zu irgendwelchen Wurst- und Fleischwaren verarbeitet.
    Ich bin jetzt verbunden mit Luise Molling von Foodwatch. Frau Molling, wie kommen Sie auf diese hohe Zahl von 70.000 Tonnen dieses Fleisches?
    Luise Molling: Diese 70.000 Tonnen, das sind insgesamt übrigens genug, um zwei Milliarden Bockwürstchen daraus herzustellen, oder eine LKW-Kolonne von 130 Kilometern zu bilden, also eine unvorstellbare Menge. Auf diese Zahl kommen wir, weil es ein offizielles EU-Dokument gibt, nach dem in jedem Jahr in Deutschland 130.000 Tonnen Separatorenfleisch produziert werden und davon 60.000 etwa exportiert werden. Das heißt, es ist eine ganz einfache Rechnung, dass 70.000 Tonnen davon jedes Jahr im Land verbleiben.
    Fecke: Wo landet dieses Restfleisch?
    Molling: Ja das ist die große Frage, wo dieses Restfleisch landet. Es gibt im Handel nur ganz, ganz wenige Produkte, die Separatorenfleisch laut Kennzeichnung enthalten. Separatorenfleisch ist ja von der Definition als Fleisch ausgenommen und muss deswegen als solches auf dem Endprodukt auch deklariert werden. Das war das Mysterium für uns. Wir haben festgestellt, es gibt kaum Produkte, die Separatorenfleisch laut Kennzeichnung enthalten. Wir haben auch die ganzen Systemgastronomen angefragt; die haben auch gesagt, sie verwenden das nicht. Die Fleischverbände sagen, sie verwenden es nicht. Und die Behörden waren allesamt nicht in der Lage, uns mitzuteilen, in welchen Produkten diese Massen an Fleisch letztlich landen. Deswegen besteht leider der große Verdacht, dass das Separatorenfleisch ohne Kennzeichnung dem Verbraucher untergejubelt wird und hier wirklich Betrug in großem Stil getätigt wird, die Verbraucher quasi mehr Geld für Produkte bezahlen, die das billige Separatorenfleisch enthalten.
    Fecke: Sie sagten gerade "als Fleisch ausgenommen". Was bedeutet das?
    Molling: Das ist eine eigene Definition für Separatorenfleisch. Aufgrund dieses Herstellungsprozesses und aufgrund der mikrobiologischen Anfälligkeit und dieses minderwertigen Prozesses ist es viel billiger als Muskelfleisch im Einkauf. Darum ist Separatorenfleisch als solches definiert. Es ist ein eigenes Produkt, was deswegen auch als solches auf dem Endprodukt gekennzeichnet werden muss. Sie können nicht einfach Separatorenfleisch als Fleisch verkaufen.
    Besonders anfällig für Keime
    Fecke: Sie haben es gerade schon angedeutet: bei der mikrobiellen Verseuchung. Wieso ist denn dieses Separatorenfleisch bedenklich?
    Molling: Es erfordert strengsten hygienischen Umgang bei der Herstellung. Die Knochenreste, müssen Sie sich vorstellen, werden durch ein Sieb gepresst und dann kommen diese Muskelfasern, die an den Knochen noch haften, heraus als eine breiige, im besten Fall hackfleischähnliche Masse. Aufgrund dieser feinen Zerkleinerung gehen die Zellwände kaputt und das ist die perfekte Grundlage, wo Keime sich sehr gut vermehren können. Wie bei Hackfleisch oder sogar noch extremer ist das eine prima Grundlage, auf der Keime sich wohlfühlen, und deswegen muss man sehr, sehr strenge hygienische Richtlinien anwenden, wenn man Separatorenfleisch verarbeitet.
    Fecke: Nehmen wir an, Sie haben Recht und 70.000 Tonnen sind verschwunden, wo laufe ich denn besonders Gefahr, als Verbraucher Separatorenfleisch zu konsumieren?
    Molling: Es kann letztlich in allen Produkten landen, die aus einer feineren Fleischmasse bestehen. Zum Beispiel Brühwürste sind eigentlich unser Hauptverdacht. Die werden ja in großer Menge konsumiert in Deutschland. Dann könnte es aber auch möglich sein in zum Beispiel Nudelfüllungen, in Buletten, in Dönerspießen, also alles, wo quasi das Fleisch etwas feiner zerkleinert ist und was aus Schwein und Geflügel besteht, weil aus Wiederkäuern darf kein Separatorenfleisch gewonnen werden.
    Fecke: Das ist seit BSE so geblieben, oder?
    Molling: Genau.
    Fecke: Verstößt Deutschland gegen die europäische Richtlinie damit?
    Molling: Ja! Ist ja so: Deutschland muss sicherstellen, dass die Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren geschützt werden und dass dieses Separatorenfleisch im Endprodukt ordnungsgemäß gekennzeichnet wird. Und es ist ja ganz offensichtlich, dass es diese Riesendiskrepanz gibt zwischen den Mengen an Separatorenfleisch, die produziert werden, was die Bundesregierung ja weiß - jedes Unternehmen, das Separatorenfleisch herstellt, muss das ja genau angeben -, und den wenigen Produkten, die im Handel zu finden sind. Wir haben die Behörden alle angefragt und sie sagten immer nur, ja, wir machen stichprobenartige Kontrollen. Das Problem ist, dass Sie in den stichprobenartigen Kontrollen das Separatorenfleisch meist gar nicht nachweisen können, weil es, wenn es mit modernen Maschinen gewonnen ist, mit den gängigen Laboranalysen gar nicht nachgewiesen werden kann. Das heißt, es ist ein Einfallstor für Betrug. Es ist für einen Hersteller sehr attraktiv, das Separatorenfleisch statt Muskelfleisch zu verarbeiten. Er spart enorme Mengen an Geld damit. Hier muss einfach was passieren. Das heißt, die Behörden müssen sicherstellen, dass sie zum Beispiel anhand der Lieferkette nachvollziehen, wo das produzierte Separatorenfleisch letztlich verarbeitet wird. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass sie es in diesen Stichprobenkontrollen auch nachweisen können.
    Fecke: Vielen Dank! - Luise Molling ist der Frage nachgegangen, wo bleibt das Separatorenfleisch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.